Landtag Brandenburg Drucksache 6/10640 6. Wahlperiode Eingegangen: 18.02.2019 / Ausgegeben: 25.02.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4208 des Abgeordneten Andreas Kalbitz (AfD-Fraktion) Drucksache 6/10414 Nachfrage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nummer 4015 - Mitgliedschaft von MdL Isabelle Vandré (DIE LINKE) in der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“ Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Landesregierung überrascht mit ihrer Antwort, indem sie mehr als die Hälfte aller gestellten Fragen aus vermeintlichen datenschutzrechtlichen Gründen unbeantwortet lässt. Dies ist insoweit erstaunlich, als dass MdL Vandré als Abgeordnete eine Person des öffentlichen Lebens und der Zeitgeschichte ist und sie zusätzlich ihre Mitgliedschaft in der linksextremistischen Organisation „Rote Hilfe e.V.“ allem Anschein nach als Teil ihrer politischen Positionierung und Arbeit sieht und damit insbesondere auf ihrer Internetpräsenz sowie auf ihrer Facebook-Seite, die sie als Politikerin betreibt, auch öffentlich wirbt. Weshalb weitergehende Informationen zu ihrer Mitgliedschaft in der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“ nun „streng persönlichen Charakter“ haben sollen, wie die Landesregierung zu meinen scheint, und/oder eine Offenlegung mit dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung unvereinbar sein soll, erschließt sich nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass der „Roten Hilfe e.V.“ nach übereinstimmenden Medienberichten wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit ein Verbot durch den zuständigen Bundesminister droht. 1. Welche Alternative des § 27 Abs. 1 S. 2 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes hält die Landesregierung im Fall von MdL Vandré und ihrer Mitgliedschaft in der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“ für einschlägig? zu Frage 1: Beide Alternativen des § 27 Absatz 1 Satz 2 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes sind nach Auffassung der Landesregierung einschlägig. Zur Beantwortung der Fragen in der KA 4015 wäre es erforderlich gewesen, personenbezogene Daten von MdL Vandré bekannt zu geben. Eine Übermittlung dieser Daten wäre wegen des streng persönlichen Charakters der Daten für MdL Vandré unzumutbar. Denn die Frage, gegebenenfalls welche Informationen zu ihr bei der Verfassungsschutzbehörde gespeichert sind und wie diese bewertet werden, sind höchstpersönliche Daten aus dem privaten Lebensbereich der betroffenen Person. Folglich ist auch das jeder natürlichen Person zustehende Auskunftsrecht nach § 12 BbgVerfSchG als höchstpersönliches Recht ausgestaltet. Die antragstellende Person kann nur Auskunft über die zu ihr gespeicherten Daten bei der Verfassungsschutzbehörde verlangen. Auskunft zu fremden Personen ist nicht möglich. Daher Landtag Brandenburg Drucksache 6/10640 - 2 - wäre es für die betroffene Person unzumutbar, wenn über den Weg der parlamentarischen Anfrage diese Daten öffentlich bekannt würden. Der Mitteilung der personenbezogenen Daten steht daher auch die in § 58 Absatz 4 bzw. 57 Absatz 1 Satz 4 der Geschäftsordnung des Landtages vorgesehene elektronische Veröffentlichung entgegen. Ergänzend wird auf § 27 Absatz 2 Brandenburgisches Datenschutzgesetz hingewiesen. Zudem läge ein unzumutbarer Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht von MdL Vandré vor, wenn mittels einer parlamentarischen Anfrage veröffentlicht würde, gegebenenfalls welche Informationen zu ihr bei der Verfassungsschutzbehörde vorliegen. Grundsätzlich ist es unter Beachtung strenger Verhältnismäßigkeitsanforderungen zulässig , Abgeordnete durch den Verfassungsschutz zu beobachten. Die Beobachtung muss erforderlich sein und die Abwägung muss im Einzelfall ergeben, dass dem Interesse am Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Vorrang vor den Rechten des Abgeordneten gebührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2013, Rdnr. 119 f zit.n.juris). Im vorliegenden Fall kann die Bewertung der Mitgliedschaft von MdL Vandré in der „Roten Hilfe e.V.“ nicht isoliert von weiteren Informationen erfolgen. Vielmehr kommt es auf die Tätigkeit der Person in dieser Organisation an. Nicht alle Mitglieder des Vereins verfolgen selbst verfassungsfeindliche Zielsetzungen. Allein die Mitgliedschaft in diesem Verein führt nicht zur Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörde. Die Mitgliedschaft in diesem Verein ist ein Anhaltspunkt für extremistische Bestrebungen. 2. Für den Fall, dass die Landesregierung § 27 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes für tatbestandlich gegeben hält: Worin sieht die Landesregierung den streng persönlichen Charakter der potentiell zu übermittelnden Daten im Sinne des § 27 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes im konkreten Fall, das heißt hinsichtlich der Details zur Mitgliedschaft von MdL Vandré als Person der Zeitgeschichte in der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“? (Bitte begründen .) zu Frage 2: Auch als Person des öffentlichen Lebens steht MdL Vandré der Schutz ihrer höchstpersönlichen Daten zu. Zwar können Privatinteressen einer Person des öffentlichen Lebens weniger schutzwürdig sein, soweit wahre Tatsachenfeststellungen eine Frage von allgemeinem Interesse betreffen. Jedoch können Amtsträger die Achtung ihres Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur für Informationen mit privatem, sondern auch für solche mit amtsbezogenen Inhalt verlangen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2005 - 56/04 - Rdnr. 33 zit.n.juris). Die Tatsache der Mitgliedschaft von MdL Vandré in dem „Roten Hilfe e.V.“ ist bereits öffentlich zugänglich. Darüber hinausgehende Informationen sind höchstpersönlicher Natur und unterliegen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht von MdL Vandré. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Anknüpfend an Frage 2: Woraus schlussfolgert die Landesregierung die Unzumutbarkeit der Datenübermittlung im Sinne der oben genannten Norm für MdL Vandré, wenn sie doch erstens als Abgeordnete eine Person des öffentlichen Lebens ist, sie zweitens ihre Mitgliedschaft in der vom Verfassungsschutz beobachteten „Roten Hilfe e.V.“ selbst im Internet öffentlich gemacht hat und drittens ihre Mitgliedschaft in der „Roten Hilfe e.V.“ unmittelbar mit ihrer politischen Positionierung und Arbeit in Verbindung steht? (Bitte begründen.) zu Frage 3: Siehe Beantwortung zu den Fragen 1 und 2. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10640 - 3 - 4. Für den Fall, dass die Landesregierung § 27 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes für tatbestandlich gegeben hält: Wodurch stellt die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung unserer Fragen der Kleinen Anfrage 4015 - insbesondere der Frage 1 - nach Ansicht der Landesregierung einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von MdL Vandré dar? (Bitte begründen.) zu Frage 4: Siehe Beantwortung zu den Fragen 1 und 2. 5. Anknüpfend an Frage 4: Welchen Stellenwert misst die Landesregierung dem Informationsinteresse der beiden Fragesteller als Abgeordnete, des Wahlvolkes und der Öffentlichkeit bei? Sieht die Landesregierung das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung im konkreten Fall als gewichtiger an als das Informationsinteresse der beiden Fragesteller als Abgeordnete, des Wahlvolkes und der Öffentlichkeit? zu Frage 5: Die Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Fragesteller und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung von MdL Vandré hat ergeben, dass die betroffenen personenbezogenen Daten einen höchstpersönlichen Charakter aufweisen und dies einer Veröffentlichung entgegensteht. Natürlich räumt die Landesregierung dem Informationsinteresse der Fragesteller und damit dem freien Mandat des Abgeordneten gemäß Artikel 56 der Landesverfassung Brandenburg den gebotenen hohen Rang ein, jedoch betrifft die Unterrichtung darüber, gegebenenfalls welche Daten mit Extremismusbezug zu einer Person bekannt sind, einen besonders geschützten Datenkreis, der Rückschlüsse auf politische Meinungen und Überzeugungen zur Folge haben kann. Dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist daher Vorrang einzuräumen gegenüber dem Informationsinteresse der Fragesteller und der Öffentlichkeit. Der Schutzgedanke dieses Grundrechts wiegt umso schwerer, als es hier nicht nur um eine bloße politische Betätigung geht, sondern MdL Vandré öffentlichkeitswirksam einem extremistischen Kontext zugeordnet werden soll. 6. Hält die Landesregierung § 27 Abs. 1 S. 3 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes im konkreten Fall für nicht einschlägig? (Falls dem so sein sollte, bitte begründen.) zu Frage 6: Eine Berichterstattung zu geheimhaltungsbedürftigen Themen ist in der Parlamentarischen Kontrollkommission generell möglich. Weitere geeignete Maßnahmen gemäß § 27 Absatz 1 Satz 3 Brandenburgisches Datenschutzgesetz sind nicht erkennbar. 7. Für den Fall, dass die Landesregierung § 27 Abs. 1 S. 3 des Brandenburgischen Datenschutzgesetz für die Beantwortung der Fragen zur Mitgliedschaft von MdL Vandré in der linksextremistischen „Roten Hilfe e.V.“ nicht für einschlägig hält, schließt sich die Frage an, welche schutzwürdigen Interessen von MdL Vandré die Landesregierung durch die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung der Fragen in der Kleinen Anfrage 4015 beeinträchtigt sieht. zu Frage 7: Das schutzwürdige Interesse von MdL Vandré ist der Schutz vor Veröffentlichung höchstpersönlicher personenbezogener Daten. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10640 - 4 - 8. Haben für die Landesregierung Informationen über Mitgliedschaften von brandenburgischen Landtagsabgeordneten in und/oder Verbindungen von diesen zu extremistischen Organisationen grundsätzlich eine geringe Bedeutung? (Bitte begründen.) zu Frage 8: Grundsätzlich gewährleistet das freie Mandat (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG) die freie Willensbildung der Abgeordneten und auch die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle. Jedoch ist der Abgeordnete nicht von vornherein jeder exekutiven Kontrolle entzogen. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass ein Abgeordneter Mitglied einer vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation ist, ist unter strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen abzuwägen, ob der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegenüber dem Recht des Schutzes des freien Mandates überwiegt und somit eine Beobachtung des jeweiligen Abgeordneten möglich ist. Die Beobachtung von Abgeordneten kann im Einzelfall dann erlaubt sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgeordnete sein Mandat zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht oder diese aktiv und aggressiv bekämpft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.09.2013, Rdnr. 121 zit.n.juris).