Datum des Eingangs: 07.04.2015 / Ausgegeben: 13.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1069 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 367 des Abgeordneten Thomas Jung der AfD-Fraktion Drucksache 6/797 Justiz und Politik sensibilisieren gegen Jugendprostitution Wortlaut der Kleinen Anfrage 367 vom 6. März 2015: Am Landgericht Potsdam läuft der Prozess gegen vier Angeklagte (19, 21, 20 und 31), die eine zur Tatzeit 14-Jährige zur Prostitution gezwungen haben sollen. Bei der Vernehmung des Opfers stellte sich ein düsteres Bild unserer Gesellschaft dar. Ihr Martyrium begann schon mit fünf Jahren in Thailand und setzt sich bei uns in Potsdam fort. Laut Anklage soll ein 19-Jähriger und ein 21-Jähriger das Kind Anfang Januar vergangenen Jahres gegen 90 Euro Zahlung einem 31 Jahre alten Mann in dessen Wohnung in Potsdam vermittelt haben. Dabei sollen sie dem Mädchen gedroht haben , es umzubringen, wenn es sich weigere. Insgesamt siebenmal soll das angeblich wiederholt geschlagene Kind an Freier vermittelt worden sein. Aus Medienberichten anderer europäischer Länder ist zu entnehmen, dass immer häufiger junge Mädchen bildungsferner Schichten Opfer männerdominierter Tätergruppen werden. Aus dem nordenglischen Rotherham ist von mindestens 1.400 sexuell missbrauchten Kindern (Untersuchungsbericht der örtlichen Bezirksverwaltung vom 26.08.2014) zu lesen. Auch in anderen englischen Städten ist diese Entwicklung ebenso wie in den Niederlanden zu beobachten. Die Jugendschutzabteilung der Pariser Polizei schlägt ebenso Alarm, wenn sie sich neuerdings rund 5.000 minderjährigen Prostituierten gegenübersieht, so der Oberstaatsanwalt am Kassationsgerichtshof und Präsident der Stiftung Scelles. Es drängt sich der Eindruck auf: Hier beuten Clans und die organisierte Kriminalität die Ärmsten und Hilflosesten unserer Gesellschaft aus. Eine neue, gefährliche Entwicklung der Kriminalität ist in Brandenburg angekommen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zu dieser neuartigen Form der Kriminalität? 2. Gab es weitere vergleichbare Fälle in den letzten 5 Jahren im Land Branden- burg? 3. Aus welchen Schichten und Ethnien der Gesellschaft stammen die Täter? 4. Aus welchen Schichten und Ethnien der Gesellschaft stammen die Opfer? 5. Wie kann die Landesregierung den Opfern effizient Hilfe anbieten und welche Maßnahmen hat sie konkret zur Prävention ergriffen? Werden spezielle Präventionsprogramme , die diese Art der Kriminalität behandeln, an allen Schulen im Land Brandenburg durchgeführt? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie steht die Landesregierung zu dieser neuartigen Form der Kriminalität? zu Frage 1: Die Landesregierung ist grundsätzlich bestrebt, sämtliche Kriminalitätsformen mit geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Frage 2: Gab es weitere vergleichbare Fälle in den letzten 5 Jahren im Land Brandenburg? zu Frage 2: Den Strafverfolgungsbehörden sind keine derartigen Fälle im Land Brandenburg bekannt . Als „vergleichbar“ im Sinne der Fragestellung sieht die Landesregierung dabei Ermittlungs- oder Strafverfahren gegen bekannte Täter wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (§ 232 StGB) oder wegen anderer Vorschriften des Strafgesetzbuches an, in denen sich eine gegen Kinder, Jugendliche, Heranwachsende oder sehr junge Erwachsene gerichtete Tat phänomenologisch als „Zwangs-prostitution“ darstellte. Frage 3: Aus welchen Schichten und Ethnien der Gesellschaft stammen die Täter? Frage 4: Aus welchen Schichten und Ethnien der Gesellschaft stammen die Opfer? zu den Fragen 3 und 4: Soweit es das in der Vorbemerkung genannte, derzeit beim Landgericht Potsdam anhängige Verfahren betrifft, können Angaben zu personenbezogenen Daten der Beschuldigten und des Opfers vor dem Hintergrund der Schutzbedürftigkeit dieser Daten gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes (BbgDSG) nicht gemacht werden. Auf die Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage Nr. 235 (LT-Drs. 6/522) wird verwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Frage 5: Wie kann die Landesregierung den Opfern effizient Hilfe anbieten und welche Maßnahmen hat sie konkret zur Prävention ergriffen? Werden spezielle Präventionsprogramme , die diese Art der Kriminalität behandeln, an allen Schulen im Land Brandenburg durchgeführt? zu Frage 5: Für Opfer von Sexual- und Gewaltstraftaten werden im Land Brandenburg verschiedene Hilfs- und Präventionsangebote vorgehalten. In enger Kooperation mit der Justiz werden eine Reihe von gesetzlichen Vorgaben (u. a. Recht auf Zugang zur Opferunterstützung; Hilfe durch Opferunterstützungsdienste ) zur Schaffung eines effektiven Opferschutzes realisiert, die auch Betroffenen von Jugendprostitution zugutekommen. Im Bereich des Opferschutzes sind seit Jahren Opferhilfevereine – wie beispielsweise die „Opferhilfe Land Brandenburg e. V.“ und das „Sozial-Therapeutische Institut Berlin-Brandenburg - STIBB e. V.“ – aktiv, die sich der psychotraumatologischen Betreuung und sozialen Beratung von Gewaltopfern widmen. Der landesweite Präventionspool der Polizei des Landes Brandenburg enthält Präventionsangebote , die auch den Opferschutz umfassen. Das Themenfeld Jugendprostitution ist zwar nicht speziell ausgewiesen. Im Rahmen der polizeilichen Opferschutzarbeit im Land Brandenburg stellt der Schutz von Kindern vor Gewalt indes einen besonderen Schwerpunkt dar. So werden beispielsweise Veranstaltungen zum „Verhalten gegenüber Fremden“ für Schüler der Grundschulen (1. bis 6. Klasse) angeboten . Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie fördert seit 2010 den Katholischen Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit für das Erzbistum Berlin e.V. (IN VIA) für die Begleitung und Betreuung von Menschen, die im Land Brandenburg von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung betroffen sind. Durch die Projektmitarbeiterinnen erhalten die betroffenen, oft schwer traumatisierten Frauen und Mädchen kompetente Hilfe und psychosoziale Beratung. Zudem sind Krisen-intervention, Gesundheitsprävention und Unterstützung insbesondere bei der Klärung sozial- und aufenthaltsrechtlicher Ansprüche Gegenstand des Programms. Auch die Begleitung zu Behörden gehört zu den Unterstützungsleistungen des Vereins IN VIA sowie eine Rückkehrberatung. In Strafverfahren versucht der Verein IN VIA, die Geschädigten in der Zeit bis zu einer Gerichtsverhandlung zu stabilisieren, Hilfe bei der Bewältigung des Alltags zu geben und neue Perspektiven für ihre Zukunft zu entwickeln. In den Jahren 2013 und 2014 führte IN VIA mehrere Workshops in unterschiedlichen Regionen zu den Themen „Loverboys“ und „Sexting“ durch, die sich vor allem an Sozialarbeiter/-innen und Pädagogen/-innen richteten. Diese Veranstaltungen fanden zum Teil auch an Schulen statt.