Datum des Eingangs: 09.04.2015 / Ausgegeben: 14.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1072 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 370 der Abgeordneten Britta Müller der SPD-Fraktion Drucksache 6/802 Förderung der Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern an Brandenburgs Schulen Wortlaut der Kleinen Anfrage 370 vom 06.03.2015: Die Qualität einer Lehrkraft, seine Professionalität, hängt nicht allein von ihrer fachwissenschaftlichen und pädagogischen Ausbildung ab. Ebenfalls wichtig für die berufliche Entwicklung ist ein angemessener Umgang mit Belastungen. Die Verringerung der Wochenarbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrern (in den Grund- und Oberschulen mit Beginn dieses Schuljahres, für die der anderen Schulformen mit Beginn des kommenden Schuljahres) sowie die weitere Entlastung dienstälterer Lehrkräfte waren ein wichtiger Schritt zur Verbesserung ihrer Arbeitssituation. Dennoch gewinnen begleitende, nicht zuletzt präventiv- und gesundheitsfördernde Unterstützungsangebote für unsere Lehrkräfte zunehmend an Bedeutung. Denn die Belastungen im Lehrerberuf sind in den letzten Jahren eher gewachsen, das Durchschnittsalter der Lehrerinnen und Lehrer ist trotz zahlreicher Neueinstellungen nach wie vor recht hoch, und derzeit müssen mehr als 6% der Unterrichtsstunden wegen der – häufig psychosomatischen - Erkrankung einer Lehrkraft vertreten werden. Auch die Beschäftigten selbst machen über ihre Interessenvertretungen darauf aufmerksam, wie wichtig Unterstützungsangebote sind, die ihnen helfen, die alltäglichen Herausforderungen zu bewältigen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche präventiven und gesundheitsfördernden Unterstützungsangebote hält sie für Lehrkräfte ohne erkennbare gesundheitliche Probleme vor? 2. Welche Angebote unterbreitet sie, um Lehrkräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen zu unterstützen? 3. Inwieweit sieht sie Möglichkeiten eines anderweitigen Einsatzes für jene Lehrkräfte, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unterrichten können? 4. Inwieweit sind Prävention und Gesundheitsförderung schon jetzt Bestandteile von Schul- und Personalentwicklung, sind die Schulleitungen befähigt und aufgefordert, Gefährdungsanalysen im Rahmen von Mitarbeitergesprächen vorzunehmen, Supervisions- und Coaching Angebote den Lehrerinnen und Lehrern hinreichend bekannt oder Kooperation mit außerschulischen Partnern etabliert, die für das Themengebiet Lehrkräftegesundheit relevant sind (u.a. Sportvereine, Krankenkassen, Gesundheitsamt, AMD) ? 5. Wie bewertet sie den Vorschlag, mit dem Hauptpersonalrat bzw. mit Lehrerverbänden Rahmenvereinbarungen zur Gesundheitsförderung von Lehrerinnen und Lehrern abzuschließen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche präventiven und gesundheitsfördernden Unterstützungsangebote hält sie für Lehrkräfte ohne erkennbare gesundheitliche Probleme vor? Frage 2: Welche Angebote unterbreitet sie, um Lehrkräfte mit gesundheitlichen Einschränkungen zu unterstützen ? Zu den Fragen 1 und 2: Die Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung richten sich an alle brandenburgischen Lehrkräfte gleichermaßen. Eine breite und individuelle Angebotspalette verschiedener Anbieter steht allen Lehrkräften präventiv zur Verfügung, ohne Trennung zwischen den einzelnen Personengruppen. Alle Maßnahmen zielen auf die systematische und nachhaltige Gestaltung gesundheitsförderlicher Strukturen und Prozesse für die Lehrkräfte und gleichzeitig auf die Befähigung zu eigenverantwortlichem Gesundheitshandeln ab. Folgende Workshops und Seminare stehen derzeit zur Verfügung und erfahren ständige Anpassung an die Bedürfnisse der Lehrkräfte: 1.) Work-Life-Balance 2.) Gesundheitsmanagement in der Schule 3.) Moderation von Gesundheitszirkeln 4.) Suchtphänomen am Lehrerarbeitsplatz 5.) Veränderungen konstruktiv begegnen 6.) Supervision 7.) Von der Eskalation zur Prävention 8.) Coaching/Teamentwicklung 9.) Selbstmanagement 10.) Individuelle Arbeitsplanung 11.) Entspannungstechniken 12.) Sprechtraining 13.) Ernährung im Alltag 14.) Rückencheck/Funktionalitätsprüfung 15.) Gesundheitstage an der Schule 16.) Umgang mit dramatischen Ereignissen 17.) Heben und Tragen 18.) Alexandertechnik 19.) Gesundes Führen (für Schulleiterinnen und Schulleiter) 20.) Gesprächsführung für Schulleiterinnen und Schulleiter 21.) Unternehmer Schulleiter 22.) Projekt „Starke Schule“ 23.) Psychologische Sprechstunden landesweit im Aufbau. Eine schnelle und unkomplizierte Abrufbarkeit, Terminierung und Durchführung dieser Angebote sind durch eine zügige und lückenlose Antrags- und Genehmigungskette zwischen dem Arbeitsmedizini- schen Dienst und dem Gesundheitsmanagement im Landesamt für Schule und Lehrerbildung gewährleistet . Dass die Angebote zunehmend gut angenommen werden, lässt sich aus der Zahl der durchgeführten Seminare und Workshops schließen. Eine umfassende Erstevaluation ist zum Ende des Kalenderjahres 2015 geplant. Frage 3: Inwieweit sieht sie Möglichkeiten eines anderweitigen Einsatzes für jene Lehrkräfte, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unterrichten können? Zu Frage 3: Gemäß § 26 Absatz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind. Von der Versetzung in den Ruhestand soll gemäß § 26 Absatz 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Diese ist gemäß § 26 Absatz 2 BeamtStG möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Weiterhin kann gemäß § 26 Absatz 3 BeamtStG zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherren übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Eine anderweitige Verwendung wäre möglich, wenn die betroffene Beamtin oder der betroffene Beamte aufgrund ihrer bzw. seiner Befähigung die geforderten fachlichen Anforderungen des anderen Amtes erfüllen bzw. diese durch eine Qualifizierung erwerben kann. Neben der gesundheitlichen und fachlichen/zumutbaren Eignung für eine anderweitige Tätigkeit kommt es für eine anderweitige Verwendung zwingend darauf an, dass eine freie oder in absehbarer Zeit voraussichtlich zu besetzende gleichwertige, ggf. auch geringer bewertete Planstelle, zur Verfügung steht. Ohne eine solche Planstelle ist eine Versetzung in den Ruhestand unvermeidlich. Die Erfahrungen aus den Prüfungen zur anderweitigen Verwendung von Lehrkräften außerhalb des Schuldienstes haben gezeigt, dass die Möglichkeiten für den Einsatz von Lehrkräften im verwaltungstechnischen Bereich begrenzt sind, u. a. weil erforderliches spezifisches Fachwissen nicht durch Qualifizierungsmaßnahmen angeeignet werden kann (z. B. juristische Ausbildung). Es wäre auch schlicht eine fehlerhafte Vorstellung, dass Lehrkräfte per se für eine Tätigkeit im gehobenen oder höheren Verwaltungsdienst geeignet sind. Aufgrund des Grundsatzes der Bestenauslese (Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz) bleiben freie Stellen aufgrund von Auswahlverfahren den leistungsstärksten Beamten vorbehalten. Eine dienstunfähige Lehrkraft kann deshalb keinen Dienstposten für sich beanspruchen, den sie oder er ohne ein Verfahren zur Abwendung der Dienstunfähigkeit nicht hätte erreichen können. Gleichzeitig und vorrangig bedingen erhebliche Einsparvorhaben der Personalplanung der Landesregierung , dass frei werdende Plan-/Stellen regelmäßig nicht nachbesetzt werden können (Ausbringung von Vermerken als „künftig wegfallend“). Ein geringer stellenwirtschaftlicher Spielraum für Nachbesetzungen ist für auf Nachwuchsstellen geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Verpflichtung zur Übernahme auf reguläre Plan-/Stellen) sowie für die ggf. unabdingbar notwendige Einstellung von „Spezialisten“ – insbesondere im Referentenbereich – nahezu vollständig gebunden. Somit sind anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für einen Einsatz von Lehrkräften, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unterrichten können, insbesondere aufgrund von haushaltsrechtlichen Vorgaben und wegen der spezifischen Vorbildung bzw. wegen der geforderten Qualifikation für die wenigen wieder besetzbaren Planstellen so gut wie nicht gegeben. Der Haushaltsgesetzgeber wird zu entscheiden haben, ob zur Vermeidung der Versetzung von Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zusätzliche Planstellen zur anderweitigen Verwendung geschaffen werden können. Frage 4: Inwieweit sind Prävention und Gesundheitsförderung schon jetzt Bestandteile von Schul- und Personalentwicklung , sind die Schulleitungen befähigt und aufgefordert, Gefährdungsanalysen im Rahmen von Mitarbeitergesprächen vorzunehmen, Supervisions- und Coaching Angebote den Lehrerinnen und Lehrern hinreichend bekannt oder Kooperation mit außerschulischen Partnern etabliert, die für das Themengebiet Lehrkräftegesundheit relevant sind (u.a. Sportvereine, Kranken-kassen, Gesundheitsamt, AMD)? Zu Frage 4: Gesundheitsförderung und Prävention sind integrale Bestandteile von Schulentwicklung. Sie stellen keine Zusatzaufgaben der Schulen dar, sondern gehören zum Kern eines jeden Schulentwicklungsprozesses . Die Lehrkräftegesundheit und die daraus resultierende Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte stehen in einem engen Zusammenhang zur Schulqualität. Sie bilden einen wesentlichen Baustein der schulischen Qualitätsentwicklung. Im Verantwortungsbereich von Schulleitungen liegt die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes an der eigenen Schule. Zielführende unterstützende Angebote, wie voranstehend zu den Fragen 1 und 2 genannt, hält der Arbeitgeber vor. So wird z. B. in einem Workshop für Schulleitungen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement erarbeitet, was Gesundheitsmanagement bedeutet und wie es in der eigenen Schule dazu beitragen kann, die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte langfristig zu erhalten und zu stärken. Durch den externen Partner AMD TÜV Rheinland ist des Weiteren ein Projekt abrufbar, welches die Schule über einen längeren Zeitraum begleitet und hilft, die Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte zu erhalten bzw. zu verbessern, die persönlichen Ressourcen auszubauen, mit hoher Arbeitsbelastung besser umgehen zu können, Stressfaktoren aufzuspüren und zu reduzieren, gesundheitliche Risiko- und Belastungsfaktoren frühzeitig zu erkennen und ihnen vorzubeugen. Auch das eigene, gesundheitsfördernde Verhalten wird in Seminaren und Workshops thematisiert und verdeutlicht. Die angebotene Beratungsform der Supervision bietet die Möglichkeit, berufliche Probleme zu reflektieren , um eine psychische Entlastung herzustellen. Neue Entwicklungen werden angestoßen, neue Sichtweisen und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Coaching- und Teamentwicklungsangebote zielen auf einzelne Lehrkräfte oder Gruppen. Während dieser zeitlich und inhaltlich begrenzten Beratung können Lösungen erarbeitet werden. Die Schwerpunkte liegen auf Klärung, Stabilisierung und Eröffnung neuer Perspektiven. Diese gesamte Angebotspalette ist den Lehrkräften und Schulleitungen unkompliziert zugänglich. Die Schulleiterinnen und Schulleiter sind ferner gehalten, durch Gefährdungsbeurteilungen mit den Lehrkräften an ihrer Schule Arbeitsplätze gesundheitsförderlich zu gestalten. Gefährdungsbeurteilungen zum Mutterschutz, zum Infektionsschutz oder zur psychischen Belastung werden regelmäßig überarbeitet , veränderten Bedingungen angepasst und stehen Schulleitungen zur Verfügung. Unterstützung für den Umgang mit Gefährdungsbeurteilungen bekommen Schulleitungen z. B. durch den Arbeitsmedizinischen Dienst und zur Gesundheitsförderung im Unterricht durch die Unfallkasse Brandenburg. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat am 17. Februar 2014 eine Kooperationsvereinbarung zum Transfer des Landesprogramms für eine gute gesunde Schule mit 13 außerschulischen Kooperationspartnern (Krankenkassen, Schulen und Kliniken für Präventivmedizin, Landesapothekerkammer , Vernetzungsstelle für Schulverpflegung, Landessportbund Brandenburg) abgeschlossen , um eine landesweite Übertragung als Regelangebot für alle Schulen des Landes Brandenburg, die sich zu einer “Guten Gesunden Schule“ entwickeln wollen, zu gewährleisten. Seit Schuljahresbeginn 2014/2015 ist die Arbeit mit 38 Schulen Brandenburgs auf der Grundlage der bereitgestellten Angebote der Kooperationspartner sukzessive aufgenommen worden. Das LISUM Berlin-Brandenburg veranstaltet seit 2013 jährlich eine gemeinsame Fachtagung für interessierte Lehrkräfte aus Berlin und Brandenburg, die regionale Schulaufsicht und BUSS mit dem Ziel, die Akteure im Bereich Lehrergesundheit nachhaltig zu vernetzen. Die 3. LISUM-Fachtagung „Man ist, was man isst“ findet am 29. April 2015 statt. Frage 5: Wie bewertet sie den Vorschlag, mit dem Hauptpersonalrat bzw. mit Lehrerverbänden Rahmenvereinbarungen zur Gesundheitsförderung von Lehrerinnen und Lehrern abzuschließen? Zu Frage 5: Die voranstehenden Darstellungen belegen, dass die Gesundheitsförderung als wichtiges Thema aktiv wahrgenommen wird. Die Entscheidung darüber jedoch, ob eine (Rahmen-) Dienstvereinbarung mit dem Hauptpersonalrat für die Lehrkräfte und das sonstige pädagogische Personal zum Gesundheitsmanagement für Lehrkräfte angestrebt wird, um Ziele und Handlungsfelder eines Gesundheitsmanagements für Lehrkräfte verbindlich zu formulieren, wird im Rahmen der noch andauernden Meinungsbildung künftig getroffen.