Landtag Brandenburg Drucksache 6/10738 6. Wahlperiode Eingegangen: 25.02.2019 / Ausgegeben: 04.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4214 des Abgeordneten Christoph Schulze (fraktionslos) Drucksache 6/10420 KITA Elternbeiträge - Anträge auf Überprüfung von Festsetzungsbescheiden zur Zahlung von Elternbeiträgen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Eltern von Kitakinder haben die Überprüfung der Bescheide für die Betreuung ihrer Kinder gem. § 22 KitaG i. V. m. § 44 SGB X mit der Begründung beantragt, da Frühstück und Vesper von den Eltern mitgebracht werden mussten , ebenso wie Windeln, Feuchttücher, etc. Die Eltern verweisen hierzu auf verschiedene Urteile u.a. zur Prenzlauer Kitasatzung und bezweifeln die Richtigkeit der städtischen Satzung zugrundeliegenden Kostenkalkulationen. Die betroffenen Städte lehnen die Überprüfung der Bescheide für die Betreuung der Kinder gem. § 22 KitaG i. V. m. § 44 SGB X mit der Begründung ab, das nach § 44 SGB X in Absatz 1 festgelegt ist, dass ein Verwaltungsakt , auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Regelung gem. § 22 KitaG i. V. m. § 44 SGB X soll somit auf Elternbeiträge nicht anwendbar sein. Zwar verweise der § 22 KitaG allgemein auf das SGB X, so dass § 44 SGB X grundsätzlich anwendbar sein könnte. Allerdings handelt es sich bei den in § 44 Abs.1 SGB X aufgeführten „Beiträgen" ausschließlich um Leistungen an Sozialversicherungsträger, so dass insoweit fraglich erscheint, ob § 44 Abs. 1 SGB X auf die vorliegenden Fälle tatsächlich anwendbar wäre. So die Auffassung der Städte. Die Festsetzungsbescheide haben demnach für die Zukunft keine Auswirkungen mehr, so dass dieser Fall nicht eingreifen dürfte. Ob ein derartiger Verwaltungsakt auch für die Vergangenheit zurückgenommen wird, liegt im Ermessen der Städte als städtischer Träger. Es handelt sich um eine sogenannte Kannbestimmung . Angesichts des Umstandes, dass es sich bei Elternbeiträgen eben nicht um Beiträge an Sozialversicherungsträger handelt und des Umstandes, dass der Landesgesetzgeber ausdrücklich Elternbeiträge als Teil der Finanzierung der Kosten von Kindertagesstätten vorgesehen hat, erscheint es nach Auffassung der Städte sachgerecht, diese grundsätzliche Entscheidung, Eltern an der Finanzierung der Kindertagessstätten zu beteiligen, nicht außer Kraft zu setzen und von einer Rücknahme von Festsetzungen der Elternbeiträge abzusehen. Der Verweis auf die angeführten Urteile des OVG Berlin-Brandenburg bzw. des Verwaltungsgerichts Potsdam haben nach Auffassung der Städte eine verbindliche Wirkung nur für die an den jeweiligen Verfahren beteiligten Kommunen. Ob städtische Kita-Satzungen Landtag Brandenburg Drucksache 6/10738 - 2 - aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 06.10.2017(AZ OVG 6 А 15.15) tatsächlich rechtswidrig und nichtig wären, würde beim Verwaltungsgericht Potsdam und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ggf. anhängigen Verfahren zu klären sein. Die Eltern meinen jedoch, dass in der Einzelbegründung des Gesetzesentwurfs 1/626 zum KitaG zu § 23 KitaG nunmehr § 22 KitaG ausdrücklich beschrieben wird, dass durch diese Vorschrift klargestellt werden soll, dass die Verfahrensvorschriften des Sozialgesetzbuches und nicht andere Verfahrensgesetze gelten. Frage 1: Gilt gem. § 22 KitaG der § 44 SGB X für die Städte, Gemeinden und Ämter? Also findet das 10. Sozialgesetzbuch Anwendung? Zu Frage 1: Zunächst ist zwischen kommunalen und freien Einrichtungsträgern zu unterscheiden. Nur die kommunalen Einrichtungsträger, die den Elternbeitrag nach § 17 Abs. 3 S. 3 des Kindertagesstättengesetzes (KitaG) durch Satzung festlegen und als Gebühren erheben, sind an die bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften gebunden. Der § 22 KitaG bestimmt, dass die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend gelten, soweit das KitaG nichts anderes bestimmt. Mangels davon abweichender Bestimmungen im KitaG gilt für das Verfahrensrecht das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sinngemäß. Somit ist grundsätzlich auch das SGB X und damit auch § 44 SGB X anzuwenden. Frage 2: Gilt das Urteil zur Prenzlauer Kitasatzung für alle Kita-Träger von Städten, Gemeinden und Ämtern im ganzen Land Brandenburg, sofern diese inhaltlich gleiche Parameter z.B. zum Frühstück und Vesper sowie Mittagessen nicht umgesetzt haben? Frage 3: Hat das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg AZ OVG 6 А 15.15 nur verbindliche Wirkungen für die an dem jeweiligen Verfahren beteiligten Kommunen, Städten, Gemeinden und Ämtern oder auch andere Kommunen, Städten, Gemeinden und Ämtern, die u.a. gleiche Parameter in der Platzkostenkalkulation angesetzt haben? Wenn ja, warum hält die Landesregierung dies für sinnvoll und erwartet die Landesregierung von den Eltern in ganz Brandenburg, dass sie ihre Rechte für alle Kommunen, Städte, Gemeinden und Ämter einzeln einklagen müssen und damit die Gerichtsbarkeit belasten? Zu den Fragen 2 und 3: Gerichtsurteile entfalten grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits Bindungswirkung. Davon abweichend ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit einer Elternbeitragssatzung nach § 47 Abs. 5 S. 2 2. Halbsatz der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allgemeinverbindlich, d. h. die konkrete Beitragssatzung wird gegenüber jedermann unwirksam. Da jedoch nur der Urteilstenor, nicht aber die Entscheidungsgründe - die Begründung mit den rechtlichen Ausführungen - in Rechtskraft erwachsen, können die Ausführungen eines solchen Urteils nicht auf einen anderen Sachverhalt (eine andere Satzung) bezogen werden. Somit gilt ein Urteil nicht unmittelbar für einen anderen Lebenssachverhalt, auch wenn dieser dem gerichtlich durchgefochtenen Sachverhalt ähnelt. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zur Kitasatzung der Stadt Prenzlau gilt somit nicht für die Satzungen anderer Städte und Gemeinden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Verwaltungsgerichte im Land Brandenburg an den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts einschließlich der Begründungen orientieren, wenn ein zu prüfender Sachverhalt Übereinstimmungen mit dem Sachverhalt eines vom OVG entschiedenen Rechtsstreits aufweist. Mit dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg AZ Landtag Brandenburg Drucksache 6/10738 - 3 - OVG 6 А 15.15 wurde eine Beitrags-satzung einer Gemeinde für rechtswidrig erklärt, weil der Satzungsgeber bei der Elternbeitragskalkulation zu Unrecht auf Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes verwiesen hat. Diese Satzung ist somit für alle Eltern in der Gemeinde ungültig. Es ist daher nicht nötig, dass alle Eltern, deren Kinder in einer Einrichtung eines kommunalen Trägers betreut werden, ihre Rechte einzeln einklagen. Dennoch ist es grundsätzlich notwendig, dass die Betroffenen, die meinen, in ihren Rechten verletzt worden zu sein, diese Rechte auch selbst geltend machen. Sollte ein Widerspruchsverfahren nicht weiterführen, müssen die Eltern aufgrund des rechtsstaatlichen Prinzips der Gewaltenteilung im gesamten Bundesgebiet den Rechtsweg bestreiten. Unabhängig vom Rechtsweg nimmt die Landesregierung die Anfragen von Eltern hinsichtlich der zu zahlenden Elternbeiträge sehr ernst und die oberste Landesjugend-behörde geht den Hinweisen der Eltern in ihrer Rolle als Rechtsaufsicht über die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach. Frage 4: Können Städte, Gemeinden und Ämter zum jetzigen Zeitpunkt die Überprüfung der Bescheide für die Betreuung ihrer Kinder gem. § 22 KitaG i. V. m. § 44 SGB X ablehnen mit dem Verweis auf vor dem Verwaltungsgericht Potsdam und Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg anhängigen Verfahren oder müssten sie die Überprüfung bis zur endgültigen Entscheidung der Gerichte schwebend halten? Zu Frage 4: Kommunale Einrichtungsträger können, außer in den Fällen der Unzuständigkeit, nicht die Prüfung eines Antrags der Eltern ablehnen. Wohl können sie die Rücknahme eines Beitragsbescheides ablehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Rücknahme aus Sicht der Verwaltung nicht vorliegen. Eine Verpflichtung, Anträge bis zur gerichtlichen Entscheidung schwebend zu halten, besteht nicht. Wenn aus Sicht der Verwaltung die Voraussetzungen nicht vorliegen, kann ein Antrag abgelehnt werden. Frage 5: Was erscheint der Landesregierung in diesen Fällen eine sinnvolle Lösung zu sein? Zu Frage 5: Die Eltern sind wie jeder andere Bundesbürger in der Pflicht, Rechtsverletzungen selbst geltend zu machen. Das Land kann in laufende Gerichtsverfahren nicht eingreifen . Da Kindertagesbetreuung eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung ist, kann die oberste Landesjugendbehörde nur die Rechtsaufsicht über die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wahrnehmen, um im allgemeinen Interesse die Rechtmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen. Die Landesregierung kann jedoch nicht in die kommunale bzw. Trägerhoheit eingreifen.