Datum des Eingangs: 09.04.2015 / Ausgegeben: 14.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1076 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 386 des Abgeordneten Klaus Ness der SPD-Fraktion Drucksache 6/843 Identitäre Bewegung Wortlaut der Kleinen Anfrage 386 vom 11.03.2015: Am 11. Februar ist in Cottbus ein regionaler Ableger der PEGIDA-Bewegung aufmarschiert. Die sogenannte „Cogida“ ist der einzige offizielle Pegida-Ableger in Brandenburg. Schätzungen zufolge beteiligten sich 300 Menschen an ihrer Kundgebung mit anschließendem Umzug durch die Innenstadt. Über die islamkritischen Inhalte hinaus versuchte Cogida durch das gezielte Ansprechen regionaler Themen wie „Altanschließerbeiträge“, „Stoppt die Früheinschulung in Brandenburg“ oder „Abzocke bei Falschparkern“ Anschlussfähigkeit zu erzeugen. Einer der Hauptorganisatoren war Niels K. Er ist nach Medienberichten ein bekannter Neonazi aus der Lausitz und soll Anhänger der Identitäteren Bewegung sein. Die Identitären nutzen vor allem das Internet zur organisatorischen Vernetzung und zur Verbreitung ihres Gedankengutes, insbesondere in sozialen Netzwerken wie Facebook. So gibt es mittlerweile neben regionalen Facebook-Seiten auch eine Facebook-Seite der „Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg“, die allerdings vornehmlich überregionale Aktionen darstellt. Mittlerweile beobachten mehrere Verfassungsschutzämter der Länder die Identitäre Bewegung aufmerksam. Der Verfassungsschutz Bremen beispielsweise sieht in ihr eine Ausweichbewegung für Rechtsextremisten, Anhänger der NPD und der aufgelösten DVU. Nicht zuletzt durch die in jüngster Zeit dargestellten Querverbindungen zwischen Neonazis und der Identitären Bewegung in der Lausitz frage ich die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung die Bedeutung der Identitären Bewegung innerhalb der rechtsextremistischen Szene ein? 2. Welche Querverbindungen sieht die Landesregierung zwischen der Identitären Bewegung und der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg bzw. Vertretern der Neuen Rechten in Brandenburg? 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Aktivitäten und Verbreitung der Identitären Bewegung in Brandenburg? 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Aktivitäten von Anhängern der Identitären Bewegung innerhalb islamkritischer Bewegungen wie Cogida oder BraMM? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie schätzt die Landesregierung die Bedeutung der Identitären Bewegung innerhalb der rechtsextremistischen Szene ein? zu Frage 1: Die „Identitäre Bewegung“ ist ein teilweise aktionsorientiertes und stark internetbasiertes Netzwerk. Sie ist eine europaweite rechte Strömung französischen Ursprungs und orientiert sich am Ethnopluralismus. Danach sollen die Identitäten der europäischen Länder vor vermeintlich schädlichen Einflüssen von außen wie Massenzuwanderung und Islamisierung geschützt werden. Mit diversen Internetaktivitäten und an Flashmobs angelehnten, provokanten Aktionen versuchen „Identitäre“, Botschaften in den öffentlichen Raum zu tragen und vorwiegend Jugendliche anzusprechen und für ihre Ansichten zu gewinnen. Strukturell sind die "Identitären" eher schwach aufgestellt, ideologisch haben sie schon etwas größere Bedeutung, weil das Thema "Identität/Abendland" sowohl auf der Themenagenda rechtsextremistischer Parteien und Organisationen als auch in der bürgerlichen Protestbewegung, z. B. „PEGIDA“, zunehmend populär wird. Rechtsextremisten bedienen sich der Ausdrucksformen der „Identitären“, um sich ein zeitgemäßes Image zu verschaffen. Bislang konnte die „Identitäre Bewegung“ weder aus den Anti-Islam-Kampagnen des rechtsextremistischen und des bürgerlichen Lagers noch aus den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen Kapital für sich schlagen. Auch innerhalb ihrer eigentlichen Zielgruppe, der Jugend, konnte sie nicht nachhaltig mobilisieren. Sie spielt innerhalb der rechtsextremistischen Szene weiterhin eine untergeordnete Rolle. Frage 2: Welche Querverbindungen sieht die Landesregierung zwischen der Identitären Bewegung und der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg bzw. Vertretern der Neuen Rechten in Brandenburg? zu Frage 2: Auf Grund der im Land Brandenburg äußerst schwach ausgeprägten Strukturen der „Identitären Bewegung“ konnten kaum Querverbindungen zwischen den „Identitären“ und der übrigen rechtsextremistischen Szene festgestellt werden. Die "Neue Rechte", die im Land Brandenburg nicht verankert ist, wird vom Verfassungsschutz nicht beobachtet. Allerdings sind Ideologeme der "Neuen Rechten" wie der "Ethnopluralismus" in rechtsextremistischen Parteien und Organisationen angekommen. In der auch von der Brandenburger NPD und JN vertretenen Ideologie mischt sich der kulturalistisch argumentierende Ethnopluralismus mit biologistischem Rassismus. Die JN vertritt gegenüber der „Identitären Bewegung“ keine einheitliche Position. Sie vereinnahmt aber deren zentrale Argumentationslinien und Begrifflichkeiten. Frage 3: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Aktivitäten und Verbreitung der Identitären Bewegung in Brandenburg? zu Frage 3: Nach vereinzelten Aktivitäten von Brandenburger „Identitären“ im Internet („Identitäre Bewegung Lausitz“, „Identitäre Bewegung Cottbus“ und „Identitäre Bewegung Potsdam“) kam es am 30. November 2012 zur Gründung der „Identitären Bewegung Cottbus“. An der Gründungsveranstaltung nahmen nur fünf Personen teil. Vier davon gehörten der regionalen rechtsextremistischen Szene an. Somit sind Ansätze erkennbar, dass Rechtsextremisten sich von der Ideologie der „Identitären Bewegung“ angesprochen fühlen, beziehungsweise bemüht sind, sie zu vereinnahmen. In der Folge entfaltete diese Ortsgruppe kaum Aktivitäten. Jedoch tauchten im Raum Cottbus gelegentlich Flyer und Aufkleber der „Identitären Bewegung“ auf. In Spremberg (SPN) wurde im März 2013 ein Flugblatt mit dem Titel „Deutsche wehrt Euch!“ und dem Logo der „Identitären Bewegung“ samt Internetadresse in Umlauf gebracht. Inhaltlich richtete sich dieses Flugblatt jedoch gegen die „linke“ Szene Spremberg und die Berichterstattung der „Lausitzer Rundschau“. Aktionen mit dieser Stoßrichtung gingen zuvor auf das Konto der örtlichen neonationalsozialistischen Szene. Seit geraumer Zeit bestehen keine eigenen virtuellen Strukturen der „Identitären“ in Brandenburg mehr. Stattdessen wurde eine neue Facebook-Seite „Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg“ ins Leben gerufen. Frage 4: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Aktivitäten von Anhängern der Identitären Bewegung innerhalb islamkritischer Bewegungen wie Cogida oder BraMM? zu Frage 4: Die Facebook-Gruppe „BraMM – Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung“ besteht seit dem 10. Dezember 2014 und führte seitdem eine Vielzahl von Veranstaltungen durch. Die Initiatoren gehören bzw. gehörten der rechtspopulistischen Partei „Die Republikaner“ an. „BraMM“ ist kein offizieller „PEGIDA“-Ableger. An der Veranstaltung der „BraMM“ am 26. Januar 2015 in Brandenburg an der Havel wurde eine Fahne der „Identitären Bewegung“ festgestellt. Ansonsten wurden keine Aktivitäten der „Identitären Bewegung“ in der „BraMM“ bekannt. Die „COGIDA“ in Cottbus ist derzeit der einzige offizielle PEGIDA-Ableger in Brandenburg. „COGIDA“ bestand als Facebook-Gruppe seit dem 23. Dezember 2014 und hat bisher einen „Abendspaziergang“ mit 280 Teilnehmern am 11. Februar 2015 durchgeführt. Der Anmelder dieser Veranstaltung ist dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ zuzurechnen. Die Anmeldung für den „2. Abendspaziergang“ am 25. Februar 2015 wurde kurzfristig zurückgezogen. Der Facebook-Account wurde mittlerweile gelöscht.