Landtag Brandenburg Drucksache 6/10764 6. Wahlperiode Eingegangen: 28.02.2019 / Ausgegeben: 05.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4231 des Abgeordneten Steeven Bretz (CDU-Fraktion) Drucksache 6/10468 Fremde sprechen Kinder in Potsdam an Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: In den letzten Monaten gab es in Potsdam mehrere Vorfälle, bei denen Kinder auf dem Weg zur Schule oder in der Freizeit von Fremden angesprochen wurden und zum Mitkommen bewegt werden sollten, so auch im vergangenen Dezember. Auf dem Weg zur Schule wurde ein Junge von zwei Männern gebeten, etwas auf ihrem Handy einzugeben. Der Junge verneinte und die beiden Männer entfernten sich. Auffällig an diesem Fall ist, dass die Polizei erst am Nachmittag von einer Erzieherin im Hort des Jungen und nicht von der Grundschule des Jungen informiert wurde (siehe PNN vom 14.12.2018 „Fremde sprechen Kinder an - der nächste Fall“). 1. Wie schätzt die Landesregierung Vorfälle wie den oben beschriebenen ein? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Gesamtzahl der Vorfälle? zu den Fragen 1 und 5: Jeder polizeilich bekannt gewordene Sachverhalt wird hinsichtlich der Ernsthaftigkeit geprüft. Bei einer Vielzahl der bekannt gewordenen Fälle war feststellbar , dass im Vorfeld in Schulen bzw. Horteinrichtungen Präventionsveranstaltungen und Sensibilisierungsgespräche zu diesem Themenfeld stattgefunden haben. Nach hiesiger Erkenntnislage besteht in vielen Fällen ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Aufklärungs - und Sensibilisierungsmaßnahmen und danach auftretenden Fällen. Eine ungewollte Nebenwirkung dieser Maßnahmen ist unter anderem auch die Umdeutung bzw. die Interpretation normaler Lebenssachverhalte in potentiell kritische Situationen. Die polizeilichen Ermittlungen zum Sachverhalt ergaben, dass es sich um einen falsch gedeuteten Lebenssachverhalt handelte. 2. Inwiefern gab es im zurückliegenden halben Jahr (September 2018 - Januar 2019) auch an anderen Orten Brandenburgs in den letzten Monaten Häufungen von auffälligen Kinderansprachen durch Fremde? zu Frage 2: Die Anzahl der gemeldeten Sachverhalte von auffälligem Ansprechen von Kindern von September 2018 bis Januar 2019 beträgt insgesamt 92. Den Schwerpunkt bildet die PI Potsdam. Hier wurden für das Jahr 2018 36 Fälle bekannt, was fast der Hälfte der gemeldeten Sachverhalte in der PD West (73 Fälle) 2018 entspricht. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10764 - 2 - 3. Wie viele Vorfälle, bei denen Fremde Kinder angesprochen haben, sind in der Zeit von 2014 bis heute in Potsdam polizeilich gemeldet worden? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. zu Frage 3: Die für den Bereich der PI Potsdam seit 2014 registrierten Fälle sind in der nachfolgenden Tabelle ausgewiesen. Tabelle: gemeldete Sachverhalte in Potsdam in den Jahren 2014 bis Jan. 2019 2014 2015 2016 2017 2018 2019 (Stand 30.01.2019) 9 5 13 21 36 5 4. Wie hoch ist der Anteil der Fälle, die in direkter Umgebung von Potsdamer Schulen stattfanden? Bitte ebenfalls für den Zeitraum 2014 bis heute aufschlüsseln. zu Frage 4: Überwiegend handelt es sich um Fälle, bei denen sich die Kinder auf dem Weg zur Schule bzw. auf dem Heimweg befanden. Angaben zu einem direkten örtlichen Schulbezug liegen dem Polizeipräsidium nicht vor. 6. Inwieweit war die Polizei in den letzten Jahren (seit 2014) erfolgreich bei der Aufklärung solcher Vorfälle? zu Frage 6: Jeder der Polizei bekannt gewordene bzw. werdende Sachverhalt wurde und wird im Rahmen der polizeilichen Sachaufklärungsmaßnahmen hinsichtlich einer konkret fallbezogenen Bewertung unterzogen. Nach vorliegenden Erkenntnissen hat sich bislang in keinem Fall der Verdacht auf die Vorbereitung bzw. beabsichtigt gewesene Begehung einer Straftat im Zusammenhang mit Fällen des verdächtigen Ansprechens von Kindern erhärten lassen. 7. Sind weitere Fälle bekannt, bei denen, wie oben beschrieben, die übliche Meldekette nicht eingehalten wurde? Wenn ja, welche Konsequenzen hat die Landesregierung daraus gezogen? zu Frage 7: Nach Bekanntwerden der Sachverhalte bei der Polizei leitet diese unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen zur Sachaufklärung ein. Das Rundschreiben (RS) 16/17 des MBJS vom 1. Dezember 2017 „Hinsehen - Handeln - Helfen, angst- und gewaltfrei leben und lernen in der Schule“ beschreibt grundsätzlich das Meldeverfahren. Dieses ist Handlungsgrundlage für die Schulen. Nach dem RS 16/17 hat innerhalb von 24 Stunden die Schule das zuständige Staatliche Schulamt, die Pressestelle des MBJS, ggf. die/den zuständigen SchulpsychologIn sowie den Schulträger (bei Sachbeschädigung) über einen Vorfall von hoher Brisanz mittels eines Meldebogens zu informieren. In diesem Meldebogen ist mit anzugeben, ob der Vorfall der Polizei angezeigt wurde. Vorfälle können jedoch nur durch die Schulleitung gemeldet werden, wenn sie ihnen bekannt geworden sind. Im vorliegenden Fall hatte die Schule keine Kenntnis darüber durch den Schüler erhalten , sodass eine Meldung nicht erfolgen konnte. Aus der Polizeilichen Meldung vom 07.12.2018 geht hervor, dass der 7-Jährige den Sachverhalt erst am Nachmittag seiner Horterzieherin mitteilte, die nachfolgend die Polizei verständigte. Ein früheres polizeiliches Agieren war hier nicht möglich. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10764 - 3 - 8. Welche Präventionsmaßnahmen zu diesem Thema werden seitens der Landesregierung oder der Polizei für Schulen, Horte und andere soziale Einrichtungen angeboten? zu Frage 8: Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen gehört der gemeinsame Runderlass des MIK und MBJS „Partnerschaften Polizei und Schule - Kooperation bei der Prävention und Bekämpfung von Kriminalität und Verkehrsunfällen sowie der Notfallplanung“ vom 25. Juni 2018. Zudem ist für die Schulen das Rundschreiben 16/17 „Hinsehen, Handeln. Helfen angst- und gewaltfrei Leben und Lernen in der Schule“ handlungsleitend. Durch die Polizei des Landes Brandenburg werden Präventionsveranstaltungen zum Thema „Verhalten gegenüber Fremden“ angeboten und durchgeführt, die sich insbesondere an Kinder der Grundschulen richten. Durch altersspezifische Präventionsarbeit gibt die Polizei Kindern verhaltensorientierte Informationen und Hinweise, u. a. mittels Rollenspielen. Allerdings waren im zeitlichen Kontext polizeilicher Präventionsveranstaltungen auch entsprechende Fälle zu verzeichnen. In allen Einrichtungen der Jugendhilfe, den Angeboten des Sports sowie in der Schule hat der Kinderschutz einen hohen Stellenwert. Grundsätzlich gibt es zum Thema „Verhinderung des sexuellen Missbrauchs“ entsprechende Empfehlungen . Die Schulen haben einen gesetzlich verankerten Auftrag zur Gewaltprävention und damit auch zum Schutz der Kinder und Jugendlichen gegen sexuellen Missbrauch. Zudem sind sie verpflichtet, die übergreifenden Themen Gewaltprävention und Sexualerziehung im Unterricht bzw. im Schulleben zu verankern. Ergänzend wurde im Juni 2018 der Auftrag an die Schulen mit der Freischaltung des Fachportals zur Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ des Unabhängig Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs durch Ministerin Ernst bekräftigt. Die Informationsplattform soll Schulleitungen, Lehrkräfte sowie das pädagogische Personal an Schulen, aber auch Eltern und die Schülerschaft gleichermaßen ansprechen. Ziel ist die Sensibilisierung der Schulen, sich mit dem Thema bewusst auseinanderzusetzen. Parallel wurden die BeraterInnen im Land Brandenburg (BUSS) auf die Initiative vorbereitet und können dazu regionale Fortbildungen anbieten. 9. In der o. g. Pressemeldung wird erwähnt, dass auch private Anbieter Präventionskurse anbieten. Inwieweit wurde von solchen Angeboten an Potsdamer Schulen Gebrauch gemacht ? zu Frage 9: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 10. Inwiefern bieten solche privaten Kurse nach Ansicht der Landesregierung gegenüber staatlichen oder polizeilichen Präventionsmaßnahmen einen höheren Mehrwert? zu Frage 10: In der Regel handelt es sich hier nicht um Kurse von privaten Anbietern, sondern es stehen erfahrene Träger hinter diesen Projekten. Durch die Selbstständigkeit der Schulen gibt es keine Auferlegung staatlicher oder polizeilicher Präventionsmaßnahmen. Die Landesregierung kann den Schulen allenfalls Empfehlungen für ein bestimmtes Projekt geben. Aus diesem Grund gibt es auch viele externe, auch regionale, Anbieter, die mit ihren Projekten erfolgreich an Schulen tätig sind.