Landtag Brandenburg Drucksache 6/10788 6. Wahlperiode Eingegangen: 01.03.2019 / Ausgegeben: 06.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4239 der Abgeordneten Steeven Bretz (CDU-Fraktion), Raik Nowka (CDU-Fraktion) und Prof. Dr. Michael Schierack (CDU-Fraktion) Drucksache 6/10484 Umsatzsteuer im Bereich des Ehrenamts Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Die Erhebung und Abführung von Umsatzsteuer kann im Bereich des Ehrenamts mit unangemessenen Belastungen (Bürokratie, finanzielle Einbußen ) für die ehrenamtlich Tätigen sowie für die Stellen, bei denen die Tätigkeit ausgeübt wird, verbunden sein. Durch diese Belastungen droht, dass das Ehrenamt in Brandenburg weiter an Boden verliert. Der Bundesfinanzhof führt in seiner ständigen Rechtsprechung, zuletzt mit Urteil vom 17.12.2015 (V R 45/14), aus, dass die ehrenamtliche Tätigkeit bei Körperschaften des Öffentlichen Rechts stets von der Umsatzsteuer befreit ist, wenn die Tätigkeit in einem Gesetz als ehrenamtliche Tätigkeit festgestellt ist (z. B. im Heilberufsgesetz Brandenburg, § 25a). Die Finanzverwaltung (BMF) hat jedoch interne Verwaltungsvorschriften erlassen, wonach abweichend von der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine ehrenamtliche Tätigkeit auch dann umsatzsteuerpflichtig sein soll - wenn diese in einem Umfang ausgeübt wird, bei dem eine berufliche Ausübung nicht mehr ausgeschlossen werden kann (BMF-Schreiben vom 08.06.2017). Eine berufliche Ausübung ist freilich schon begrifflich gar nicht möglich, wenn ein formelles Gesetz eine Tätigkeit als ehrenamtlich festlegt. Frage 1: Wie schützt und stärkt die Landesregierung vor dem Hintergrund der in den Finanzbehörden geführten Diskussion um die Umsatzsteuerpflichtigkeit ehrenamtlicher Tätigkeit das Ehrenamt in Brandenburg? zu Frage 1: Die Landesregierung Brandenburg richtete 2005 in der Staatskanzlei die Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement ein. Sie bietet als Servicestelle umfangreiche Informationen rund um das bürgerschaftliche Engagement in Brandenburg und berät Bürger/-innen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Seit ihrer Gründung wurde überdies eine umfangreiche Kultur der Anerkennung aufgebaut. Mit dem Format „Ehrenamtler des Monats“ werden Menschen ausgezeichnet, die durch ihr langjähriges und herausragendes Engagement eine Vorbildfunktion in Brandenburg haben . Jedes Jahr zum Internationalen Tag des Ehrenamtes am 5. Dezember laden die Präsidentin des Landtages und der Ministerpräsident rund 100 besonders engagierte Brandenburgerinnen und Brandenburger zum Ehrenamtsempfang. Weitere Anerkennungsformate für Ehrenamtliche sind die Ehrenamtsgespräche bei den Kreisreisen des Ministerpräsidenten , der Ehrenamtsempfang beim Brandenburger Sommerabend und die Ehren- Landtag Brandenburg Drucksache 6/10788 - 2 - amtsmeile beim Brandenburg-Tag. Anfang 2017 wurde die Ehrenamtskarte Berlin-Brandenburg eingeführt. Die Karte ist ein weiteres Zeichen der Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements und gilt zugleich als Bescheinigung. Als Dank können mit der Karte Vergünstigungen in Museen, Gastronomiebetrieben , Kultur- und Unterhaltungseinrichtungen und bei Einzelhändlern in Brandenburg und Berlin in Anspruch genommen werden. Als Leiterin des Landesnetzwerkes für bürgerschaftliches Engagement und durch die Organisation von Fachtagen, Workshops, Arbeitstreffen und anderen Austauschformaten trägt die Koordinierungsstelle zur Vernetzung und Weiterbildung von Ehrenamtlichen bei. Überdies bündelt die Koordinierungsstelle die engagementpolitischen Vorschläge der Ministerien und erarbeitet Konzepte für die Umsetzung und Fortentwicklung der Regierungspolitik im Bereich bürgerschaftliches Engagement. Das Land Brandenburg setzt sich für eine Stärkung der Engagementförderstrukturen ein und fördert Engagementprojekte durch Lottomittel. Frage 2: Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die Finanzbehörden des Landes Brandenburg die höchst-richterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu diesem Problemkreis beachten und keine eigenen Regeln aufstellen? zu Frage 2: In Auswertung der BFH-Rechtsprechung, wonach der Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit i. S d. § 4 Nr. 26 UStG bereits aufgrund des Unionsrechts eng auszulegen sei, wurde mit BMF-Schreiben vom 8. Juni 2017 der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung konkretisiert. Die Finanzämter sind an die im BMF-Schreiben zusammengefassten Grundsätze gebunden. Sofern Zweifelsfragen auftreten, wird das Ministerium der Finanzen als Dienst- und Fachaufsichtsbehörde in die Entscheidungsfindung einbezogen und stellt eine einheitliche Rechtsanwendung sicher. Darüber hinaus werden streitbefangene Themen regelmäßig im Rahmen von Fachbesprechungen vom Ministerium der Finanzen mit den Finanzämtern erörtert. Frage 3: Die EU-Umsatzsteuerrichtlinie umfasst eine zwischen den Vertragsstaaten abgestimmte Protokollnotiz, nach welcher das deutsche Modell des Ehrenamts von den Regelungen der Richtlinie ausgenommen werden soll. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass diese Regelung zum Schutze des Ehrenamts praktische Beachtung im Handeln der Finanzbehörden findet? zu Fragen 3: Steuerbefreiungen sind grundsätzlich als Ausnahmebestimmungen eng auszulegen , weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt . Die Richtlinie 77/388/EWG selbst sieht keine Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten vor. Lediglich die Protokollerklärung zu Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG stellt es den Mitgliedstaaten frei, ehrenamtliche Leistungen von der Steuer zu befreien. Der BFH weist in seinem o. g. Urteil daher auch zu Recht darauf hin, dass es umstritten ist, inwieweit § 4 Nr. 26 UStG überhaupt im Einklang mit der Richtlinie 77/388/EWG steht. Die Finanzverwaltung wendet § 4 Nr. 26 UStG, wie auch sonstige Gesetze, an. Sie ist in all ihrem Tun an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG).