Landtag Brandenburg Drucksache 6/10875 6. Wahlperiode Eingegangen: 11.03.2019 / Ausgegeben: 18.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4275 der Abgeordneten Roswitha Schier (CDU-Fraktion) Drucksache 6/10564 Hohe Kosten der stationären Pflege - Umsetzung des § 9 SGB XI Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Die Kosten in der stationären Pflege sind zuletzt nach den Lohnanpassungen der Fachkräfte deutlich zulasten der Pflegebedürftigen und deren Familie angestiegen. Nach § 9 SGB XI sind die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen , zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur verantwortlich. Das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen wird durch Landesrecht bestimmt; durch Landesrecht kann auch bestimmt werden, ob und in welchem Umfang eine Beteiligung an den Investitionskosten ermöglicht wird. Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die hohen Heimkosten in der stationären Pflege ? zu Frage 1: Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen e.V. (vdek) lag am 1. Januar 2019 die durchschnittliche finanzielle Belastung eines pflegebedürftigen Menschen in der stationären Pflege in Brandenburg bei 1.486 Euro pro Monat. Der Bundesdurchschnitt lag bei 1.830 Euro monatlich. Es ist mit weiter steigenden Beträgen bei den pflegebedingten Kosten zu rechnen. Triebfeder ist die demografische Entwicklung und der mit ihr zunehmende Fachkräftemangel in der Pflege. Damit die Pflegebranche in der Konkurrenz um das begrenzte Potential an Erwerbspersonen mithalten kann, muss sie unter anderem die Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen nachhaltig verbessern. Das führt jedoch zu Kostensteigerungen, die in zunehmendem Maße die Frage nach der Bezahlbarkeit von Pflege nach sich ziehen. Nach Auffassung der Landesregierung muss aus der Pflegeversicherung daher eine Versicherung werden, die dieses steigende Kostenrisiko nicht ausschließlich auf die Betroffenen abwälzt. Frage 2: Wie haben sich die Kosten in den letzten fünf Jahren entwickelt? Gibt es Unterschiede nach Region/ Trägerschaft? Wenn ja, in welcher Form? zu Frage 2: Die nachfolgende Übersicht stellt die Entwicklung der durchschnittlichen Kosten in der vollstationären Pflege im Land Brandenburg seit 2013 dar. Eine Auswertung nach Regionen und Trägerschaft wird in der Pflegestatistik nicht dargestellt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10875 - 2 - Durchschnittskosten in Euro pro Monat 2013 2015 2017 Pflegesatz* Pflegestufe I: 1.278,32 Pflegestufe II: 1.610,90 Pflegestufe III: 2.141,98 Pflegestufe I: 1.363,44 Pflegestufe II: 1.718,21 Pflegestufe III: 2.286,69 Pflegegrad 1: 1.055,27 Pflegegrad 2: 1.322,97 Pflegegrad 3: 1.813,03 Pflegegrad 4: 2.321,35 Pflegegrad 5: 2.555,89 Unterkunft und Verpflegung* 531,09 550,24 579,20 Investitionskostensatz ** k.A. 278,04 302 *Quelle: Pflegestatistik, Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Ländervergleich Pflegeheime der Jahre 2013, 2015 und 2017. **Quelle: vdek; BARMER GEK Pflegereport 2017 Frage 3: Wie viele Personen konnten sich den Eigenanteil vor fünf Jahren nicht leisten und wie viele sind es heute? zu Frage 3: Für das Jahr 2013 weist die Sozialhilfestatistik 6.786 Menschen aus, die in Einrichtungen lebten und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in Anspruch nahmen. Im Jahr 2017 waren es 6.365 Menschen. Dabei ist zu beachten, dass sich im Jahr 2017 die mit dem Pflegestärkungsgesetz II vollzogene Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes auswirkte. Die Reform sah für die Betroffenen günstige Überleitungsregelungen in die neuen Pflegegrade und Besitzstandsregelungen für den zu zahlenden Eigenanteil des Pflegesatzes vor. Diese Effekte werden im weiteren Zeitverlauf an Bedeutung verlieren. Frage 4: Welche konkreten Maßnahmen hat das Land zur Senkung dieser Kosten eingeleitet und mit welchem Erfolg? zu Frage 4: Brandenburg hat gemeinsam mit Thüringen Ende Juni 2018 eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, in der kurzfristig eine sachgerechte Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung und im Weiteren eine grundlegende Reform der Finanzierung von Pflege gefordert wird (BR-Drucksache 315/18). Der Entschließungsantrag befindet sich noch zur Beratung in den Bundesratsausschüssen. Mit dem Investitionsprogramm Pflege wurden auf der Grundlage des Artikels 52 des Pflegeversicherungsgesetzes in den Jahren 1996 bis 2004 der Bau oder die Sanierung von insgesamt 10.219 voll- und teilstationären Pflegeplätzen in 180 Einrichtungen mit einem finanziellen Gesamtvolumen in Höhe von 679,58 Mio. Euro aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Zusätzlich wurden im Rahmen dieses Programms 7.340 Plätze in der Pflege , in der Eingliederungshilfe und in der psychiatrischen Versorgung sowie 2.403 Plätze in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aus Landesmitteln und Mitteln der kommunalen Gebietskörperschaften (für Betreutes Wohnen) gefördert. Im Jahr 2019 wendet das Land noch immer 21,71 Mio. Euro zur Finanzierung der ausgereichten Förderungen aus. Die Förderungen wirken sich auch nach Abschluss der aktiven Förderperiode aus, indem Bewohnerinnen und Bewohner geförderter Einrichtungen deutlich weniger Investitionskosten zu tragen haben als jene in freifinanzierten Einrichtungen. Nach Angaben des vdek Landtag Brandenburg Drucksache 6/10875 - 3 - gehört Brandenburg zu den Ländern, in denen die Bewohnerinnen und Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen vergleichsweise geringere Investitionskostensätze zu tragen haben. Mit dem „Brandenburg Kredit Pflege“ können von der Investitionsbank des Landes Brandenburg geförderte Darlehen für folgende Maßnahmen gewährt werden: - Auf- und Ausbau von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeangeboten, - Neubau- und Umbau vorhandener baulicher Anlagen für gemeinschaftliche Wohnformen mit ambulanten Pflege- und Betreuungsangeboten, - Umbau- und gegebenenfalls Anbaumaßnahmen in vorhandenen stationären Einrichtungen für die Umsetzung fachlicher Weiterentwicklungen (Hausgemeinschaftsmodell, Umbau Doppel- in Einzelzimmer, neue Therapie- und Betreuungsangebote), - Investitionen in stationären Einrichtungen innerhalb der vorhandenen Kapazität für die Umsetzung brandschutztechnischer Auflagen oder für betriebsnotwendige bauliche und sinnvolle energetische Sanierungen. Frage 5: Ist der Landesregierung die Position des Bundes zu den hohen Kosten in der stationären Pflege bekannt und welche Planungen gibt es seitens der Bundesregierung hierzu ? zu Frage 5: Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, dass in der Langzeitpflege die Sachleistungen kontinuierlich an die Personalentwicklung angepasst werden sollen. Gesicherte Erkenntnisse zu den Planungen der Bundesregierung in dieser Frage sind bislang nicht bekannt. Frage 6: Wie bewertet die Landesregierung den § 9 SGB XI und welche Länder beteiligen sich in welcher Form an den Investitionskosten? (Mit der Bitte um Auflistung nach Bundesland .) zu Frage 6: § 9 SGB XI eröffnet den Ländern die Möglichkeit zur Förderung von Investitionsaufwendungen der Pflegeeinrichtungen. Das in der Antwort zu Frage 1 dargestellte Kostenrisiko besteht jedoch bei den pflegebedingten Kosten, die durch die Pflegeversicherung bezuschusst werden. Nach Kenntnis der Landesregierung erfolgen derzeit ausschließlich in den Ländern Nordrhein -Westfalen und Schleswig-Holstein Förderungen nach § 9 SGB XI im Bereich der vollstationären Pflege. Dies erfolgt durch die Ausreichung von Pflegewohngeld, das als Subjektförderung den Bewohnerinnen und Bewohnern gewährt wird. In aller Regel ist es an die Voraussetzung geknüpft, dass ihr Einkommen und Vermögen zur Finanzierung der Aufwendungen für Investitionskosten ganz oder teilweise nicht ausreicht. Objektförderungen oder einkommensunabhängige Subjektförderungen werden demgegenüber für Einrichtungen der Kurzzeitpflege und/oder der Tagespflege in Baden- Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein- Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen gewährt. Frage 7: Welche Kosten würden in diesem Zusammenhang auf das Land Brandenburg zukommen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/10875 - 4 - zu Frage 7: Die in der Antwort zur Frage 6 genannten Förderprogramme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Förderzwecke, der Förderinstrumente sowie der Förderhöhen deutlich . Eine valide Aussage zu den potentiellen Auswirkungen auf den Landeshaushalt kann daher nicht getroffen werden. Frage 8: In der Anhörung am 16.01.2019 im AASGFF wurde von den Experten berichtet, dass idealer Weise die Kosten in drei Teile unterteilt werden müssten, Investitionen (Land), Hotelkosten (Eigenanteil), Pflege (PV/Bund). Wie steht die Landesregierung diesem Vorschlag gegenüber? zu Frage 8: Der Vorschlag sieht eine vollständige Finanzierung der pflegebedingten Kosten aus der Pflegeversicherung vor. Er geht damit weit über die bisher politisch diskutierten Modelle bezüglich eines fixen Eigenanteils und deren Aufstockung durch eine „echte“ Versicherungsleistung hinaus. Der Vorschlag kann daher als Anregung für eine Grundsatzdebatte auf Bundesebene verstanden werden, in der aber auch die Verantwortlichkeiten für Pflege in der Gesellschaft sowie die Kostenauswirkungen auf die Pflegeversichertengemeinschaft in den Blick genommen werden müssen. Darüber hinaus wird die vollständige Übernahme der Investitionskosten durch das jeweilige Land vorgeschlagen. Bei den Investitionskosten einer vollstationären Pflegeeinrichtung handelt es sich um den Finanzierungsanteil, der mit der Kaltmiete einer eigengenutzten Wohnung gleichzusetzen ist. Eine vollständige, bedürftigkeitsunabhängige Finanzierung aus Steuermitteln wirft insoweit Fragen der Gleichbehandlung, vor allem in Hinblick auf die Leistungen bei häuslicher Pflege, auf. Frage 9: Wie stellt sich die Landesregierung eine Finanzierung der Pflegeversicherung vor, wenn nach der Bundesratsinitiative der Landesregierung (Herausforderungen in der Pflege angehen und Kosten gerecht verteilen 07/2018) die Pflegeversicherung zu einer sogenannten „Vollkasko-Versicherung“ umgebaut werden würde? Würde dieses Finanzierungsmodell für eine „Vollkasko-Versicherung“ ausreichen? zu Frage 9: In dem benannten Bundesratsantrag werden der Bundesregierung auch Vorschläge für die finanzielle Ausstattung der Pflegeversicherung unterbreitet. Darunter kurzfristig die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, um die Besserstellung höherer Einkommen bei der Beitragsbemessung zu verringern, sowie - in einem zweiten Schritt - eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis im Sinne einer solidarischen Pflegeversicherung, in der alle Einkommensarten, wie z.B. aus selbständiger Tätigkeit oder aus Vermögen, herangezogen werden. Zudem wird vorgeschlagen, die Finanzierung der Leistungen der medizinischen Behandlungspflege vollständig auf die Krankenversicherung zu übertragen oder über einen Zuschuss aus der Krankenversicherung an die Pflegeversicherung abzudecken . Auch Beitragssatzerhöhungen für die Pflegeversicherung sind als Stellschraube zur Finanzierung der Pflegeleistungen benannt worden. Die Konferenz der Minister und Ministerinnen, Senatoren und Senatorinnen für Arbeit und Soziales der Länder hat in ihrer Sitzung im Dezember 2018 in Münster zudem beschlossen, die Bundesregierung darum zu bitten, den Wert der Leistungen, die die Pflegeversicherung vordringlich im gesamtgesellschaftlichen Interesse erbringt sowie die Höhe entsprechend entgehender Einnahmen zu ermitteln und auf dieser Basis einen finanziellen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu etablieren. Aus Sicht der Landesregierung stehen der Bundesregierung mithin mehrere, ggf. auch kumulativ wirkende Mög- Landtag Brandenburg Drucksache 6/10875 - 5 - lichkeiten zur Verfügung, um ein Modell zu etablieren, in dem ein fester Eigenanteil für die pflegebedingten Kosten durch eine flexible Versicherungsleistung ergänzt wird. Frage 10: Die eingebrachte Initiative wurde im Bundesrat in die zuständigen Ausschüsse überwiesen, wie ist der aktuelle Status quo hierzu? zu Frage 10: Es wird auf die Antwort zur Frage 4 verwiesen. Frage 11: Welche weiteren Maßnahmen zur Senkung der Heimkosten plant das Land Brandenburg? zu Frage 11: Die Landesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass die mit der Bundesratsinitiative geforderten Punkte zu einer gerechten Verteilung der Kosten in der Pflege auf Bundesebene umgesetzt werden. Auf Landesebene wird sie die Maßnahmen der Brandenburger Pflegeoffensive weiterverfolgen, die auf eine Sicherung der pflegerischen Versorgungsstruktur im Land Brandenburg abzielen durch - die Unterstützung pflegender Angehöriger durch Beratung, Schulung und Entlastung sowie die Erleichterung der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, - Angebote für lokale professionelle und ehrenamtliche Akteure bezüglich Beratung, Fachaustausch und praktischer Hilfestellung bei der alternsgerechten Gestaltung der Sozialräume, - die Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen in der Pflege sowie des qualifikationsgerechten Einsatzes der Pflegefachkräfte.