Landtag Brandenburg Drucksache 6/10880 6. Wahlperiode Eingegangen: 13.03.2019 / Ausgegeben: 18.03.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4283 des Abgeordneten Carsten Preuß (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/10578 Denkmallandschaft Lausitz Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Seit über 150 Jahre prägten Bergbau und Energiegewinnung das berufliche und gesellschaftliche Leben der Lausitz. Auch in der Landschaft sind deutliche Spuren sichtbar. Mit dem absehbaren Ausstieg aus der Braunkohleverstromung geht eine für die Lausitz prägende Epoche des Bergbaus und der darauf basierenden Energiegewinnung zu Ende. Die Zeugnisse, die diese Kulturepoche geprägt haben, gewinnen mit dem fortlaufenden Strukturwandel immer mehr an historischer Bedeutung. Aufbauend auf dem bereits bestehenden Denkmalbestand dieser Prägung, gewinnen weitere Zeugnisse, die die Kriterien zur Aufnahme in die Denkmalliste erfüllen, an Bedeutung. Dabei sind auch die Zeugnisse zu berücksichtigen, die noch vor kurzem oder gegenwärtig in Nutzung waren bzw. sind. Erfolgreich waren die Regionen, die in Verbindung mit dem Strukturwandel für die Zeugnisse der Industriekultur eine touristische-, museale- und/oder kulturelle Nutzung entwickelt haben. Ansätze in der Lausitz gibt es bereits mit dem IBA Fürst-Pückler-Land bzw. der ENERGIE-Route Lausitzer Industriekultur. Vor diesem Hintergrund sind die Route der Industriekultur, der Emscher Landschaftspark oder die Ruhrfestspiele in NRW gute Beispiele . 1. Welche Zeugnisse Lausitzer Industriekultur stehen bereits auf der Liste der Denkmale und wie werden sie genutzt? Zu Frage 1: In der brandenburgischen Lausitz sind zahlreiche Denkmale der Technik und Industrie sowie des gesamten Spektrums der Lausitzer „Industriekultur“ in der Denkmalliste des Landes Brandenburg aufgeführt. Es handelt sich um mehrere 100 Listenpositionen, die in der Denkmaldatenbank verzeichnet sind: https://bldam-brandenburg.de/denkmalinformationen/geoportaldenkmaldatenbank /denkmaldatenbank/ Die Denkmallandschaft umfasst Objekte und Anlagen, die im engeren Sinne als Zeugnisse der Industrie und Technik benannt werden können, und solche, die mit diesen als Folgeeinrichtungen in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Unter „Industriekultur“ ist allgemein die Kultur des Industriezeitalters zu verstehen, dessen Kern die industrielle Produktionsweise ist. Die klassische industrielle Produktion des 19., 20. und beginnenden Landtag Brandenburg Drucksache 6/10880 - 2 - 21. Jahrhunderts ist ihrerseits u. a. durch massenhafte Lohnarbeit, maschinelle und kohlenstoffverbrauchende Produktion und Fabrikarbeit charakterisiert. Die „Industriekultur“ manifestiert sich deshalb als Kultur der Produktionsstätten, der Arbeit, der Technik, des Verkehrs, der Architektur (d.h. der Funktionsbauten der Produktion, des Wohnens, der Konsumtion, der Verwaltung, der Sozial- und Gesundheitsfürsorge, der Freizeitgestaltung etc.), der Urbanisierung sowie der sozialen Beziehungen. Die baulichen Zeugnisse umfassen Gebäude und Anlagen vor allem in den Kreisen Elbe- Elster, Dahme-Spreewald und Oder-Spree, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße sowie in der kreisfreien Stadt Cottbus. Als herausragende Denkmale sind exemplarisch zu nennen: Landkreis Elbe-Elster (EE): die Förderbrücke F 60 in Lichterfeld-Schacksdorf, die Brikettfabrik „Louise“ in Domsdorf, das Kohlekraftwerk in Plessa, Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL): der Schaufelradbagger SRs 1500 bei Hörlitz, das Stollenmundloch der Grube Meurostollen in Hörlitz, die „Biotürme“ in Lauchhammer, die Gebläsemaschine von 1837 in Lauchhammer, die Gebäude der Kunstgussgießerei und der Trautscholdtschen Maschinenfabrik in Lauchhammer, Fabrikanlagen der Textilindustrie in Forst, Guben, Cottbus, Spremberg und Finsterwalde, die Wasserwerke in Buchwalde Landkreis Oder-Spree (LOS): das Kohlekraftwerk Vogelsang/Eisenhüttenstadt Landkreis Spree-Neiße (SPN): die Kraftzentrale der Grube Marga in Brieske, die Wasserkraftwerke in Griessen und Großgastrose, die Anlagen der städtischen Industriebahn in Forst Stadt Cottbus: das Dieselkraftwerk In allen Landkreisen: die wasserbaulichen Anlagen des Spreewaldes, der Spree, der Neiße und der Schwarzen Elster sowie deren Nebengewässer, des Friedrich-Wilhelm-Kanals (auch Müllroser Kanal) und des Oder-Spree-Kanals, Bahnhofsanlagen, Wassertürme und historische Wasserstationen der Eisenbahn und der städtischen Wasserversorgung, diverse Kulturhäuser der 1950er Jahre, Industriemühlen, u.a. die Stadtmühle in Forst, die Eisenhütte in Peitz (SPN), der Hochofen und der Gasometer des EKO, die Eingangsbereiche des EKO in Eisenhüttenstadt (LOS), Landtag Brandenburg Drucksache 6/10880 - 3 - eindrucksvolle Brückenbauwerke der Industriealisierungsphase, die Gerberhäuser und die Segeltuchfabrik in Cottbus oder der Hafenspeicher in Eisenhüttenstadt (LOS), die Werksiedlungen der Braunkohlenindustrie wie die Grundhofsiedlung in Lauchhammer oder die Gartenstadt Marga von Georg Heinsius von Mayenburg sowie der soziale Wohnungsbau der 1920er/Anfang 1930 Jahre, städtische Park- und Gartenanlagen wie der Rosengarten in Forst, die Sakralbauten des modernen Bauens wie die Heilandskirche in Hörlitz oder St. Maria Friedenkönigin in Cottbus u. v. m. Die Nutzung der baulichen Anlagen bewegt sich zwischen kontinuierlicher Nutzung, Umnutzung und Leerstand. Letzteres gilt vor allem für die zahlreichen baulichen Zeugnisse der Industrielandschaft der brandenburgischen Lausitz, die unmittelbar den Bereichen Produktion, Energiegewinnung und Verkehr zuzuordnen sind. 2. Wird die Liste der Denkmale in Hinblick auf die Industriekultur der Lausitz systematisch fortgeführt? Zu Frage 2: Eintragungen in die Denkmalliste sind auf Anforderung möglich. 3. Welche personelle Ausstattung steht dem Landesamt für Denkmalpflege dafür zur Verfügung? Zu Frage 3: Der aktuelle Geschäftsverteilungsplan des BLDAM sieht für die Aufgabe „Technik / Industriedenkmalpflege“ eine Vollzeitstelle vor. Der Tätigkeitsbereich umfasst neben der Inventarisation auch die Praktische Denkmalpflege sowie die Denkmalvermittlung . 4. Die Inventarisation ist eine wichtige Daueraufgabe eines Landesdenkmalamtes. Welche personelle Ausstattung ist für die systematische Erfassung erforderlich? Zu Frage 4: Das BLDAM bearbeitet die ihm zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der durch den Doppelhaushalt 2019/2020 vorgegebenen personellen und finanziellen Möglichkeiten unter fachlich begründeter Prioritätensetzung. 5. Gibt es in Ergänzung zum IBA Fürst-Pückler-Land bzw. zur ENERGIE-Route Lausitzer Industriekultur eine touristisch-museale Konzeption zur Erlebbarmachung dieser Industriekultur? Ist das Landesdenkmalamt mit seinem Fachwissen daran beteiligt? Zu Frage 5: Zur touristischen Inwertsetzung der Industriekulturstandorte in Brandenburg wurde 2017 das „Touristische Netzwerk Industriekultur Brandenburg“ gegründet. Die „ENERGIE-Route Lausitzer Industriekultur“ ist hierbei sowohl Mitglied als auch Modellregion. Das Netzwerk hat 21 Mitglieder (Stand 02/2019), seine Geschäftsstelle (0,5 Teilzeitstelle) ist angesiedelt am „Tourismusverband Lausitzer Seenland e.V.“ Gefördert wird das Netzwerk mit Mitteln des MWE und des MWFK. Landtag Brandenburg Drucksache 6/10880 - 4 - Zudem wird seit 2016 mit Mitteln des MIL und der Energieregion Lausitz-Spreewald GmbH das Projekt „INKULA“ (Infrastrukturimpulse für Industriestandorte im Lausitzer Seenland) des „IBA Studierhaus Lausitzer Seenland e.V.“ unterstützt. Ziel des Projektes ist es, die Potenziale der Industriekultur in der Region neu zu bewerten, Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren und Konzepte für die Standortentwicklung zu erarbeiten. An dem Projekt beteiligen sich das Amt Kleine Elster mit dem Besucherbergwerk F60 am Bergheider See, die Stadt Großräschen mit den IBA-Terrassen, die Stadt Uebigau-Wahrenbrück mit dem technischen Denkmal Brikettfabrik LOUISE in Domsdorf, das Amt Plessa mit dem Kraftwerk und dem Kulturhaus, die Stadt Lauchhammer mit den Biotürmen und die Stadt Senftenberg mit dem Industriepark und der Gartenstadt Marga. Projektbezogen findet eine Zusammenarbeit der Standorte mit dem BLDAM statt. 6. Wenn nein, gibt es bereits konzeptionelle Ansätze? Zu Frage 6: Vergleiche Antwort zu Frage 5 7. Wenn ja, welche Schwerpunkte sind darin berücksichtigt? Zu Frage 7: Mit dem „Touristischen Netzwerk Industriekultur Brandenburg“ sollen die Potenziale der industriekulturellen Sehenswürdigkeiten in Brandenburg (insbesondere der Lausitz) besser erschlossen werden. Dabei liegt die Arbeit auf folgenden Schwerpunkten: tourismus-fachliches Management und Austausch zwischen den IK-Standorten, Entwicklung eines Dachmarketings für die brandenburgische Industriekultur und geeigneter touristischer Marketingmaßnahmen (regional, national, international), Etablierung einer Kultur der gemeinsamen und gegenseitigen touristischen Vermarktung („Einer für alle - alle für einen“), touristische Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote (u.a. in Begleitung der TAB - Tourismusakademie Brandenburg). 8. Welcher personelle und finanzielle Rahmen ist erforderlich, um eine solche Konzeption zu erarbeiten? Zu Frage 8: Vergleiche Antwort zu Frage 5 9. Gibt es Ansätze für die Herausbildung industriekultureller Netzwerke? Wenn ja, welche? Zu Frage 9: Vergleiche Antwort zu Frage 5 10. Gibt es Projekte der Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und /oder NRW in Hinblick auf eine touristisch-museale Entwicklung dieser Region? Zu Frage 10: Das “Touristische Netzwerk Industriekultur Brandenburg“ und die „ENERGIE- Route Lausitzer Industriekultur“ arbeiten eng mit den entsprechenden Partnern in Sachsen und Berlin zusammen (hier: mit der Koordinierungsstelle Sächsische Industriekultur bei der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen bzw. mit dem BZI - Berliner Zentrum Industriekultur). Beide Netzwerke sind darüber hinaus sowohl mit Partnern in Deutschland als auch in Europa über die „Europäische Route der Industriekultur“ verbunden (ERIH - Landtag Brandenburg Drucksache 6/10880 - 5 - European Route of Industrial Heritage). 11. Gibt es bei der Landesdenkmalpflege ein Netzwerk, um auch hier deutschlandweite Erfahrungen nutzen zu können? Wenn ja, welche? Zu Frage 11: In der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland (VdL) besteht seit langem die zweimal jährlich tagende ‚AG Industriedenkmalpflege‘, deren Mitglieder überwiegend in den Landesdenkmalämtern der Bundesrepublik tätig sind. Diese Arbeitsgruppe bildet ein bundesweites Netzwerk an Fachwissen zum Thema Industriedenkmalpflege , das von allen bundesdeutschen Landesdenkmalämtern genutzt wird.