Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1105 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 432 des Abgeordneten Erik Stohn der SPD-Fraktion Drucksache 6/932 Wortlaut der Kleinen Anfrage 432 vom 20. März 2015: Behandlung von Flüchtlingen bei akuten Schmerzzuständen und Krankheiten Die medizinische Versorgung von Asylsuchenden regelt das Asylbewerberleistungs- gesetz (AsylbLG). Die unter § 1 erwähnten Leistungsberechtigten erhalten demzufol- ge medizinische Leistungen „zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzu- stände“ (§ 4, Abs. 1 AsylbLG). In einem konkreten Fall im Landkreis Teltow-Fläming verweigerte der Bereitschaftsdienst am 8. Februar 2015 die Behandlung eines Kin- des aus dem Übergangswohnheim Jüterbog, weil es sich dabei nicht um den defi- nierten Personenkreis von Berechtigten handelte (§ 75 SGB V). Das Kind litt unter starker Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es eine Regelung zwischen der kassenärztlichen Vereinigung und den Landkreisen bzgl. der medizinischen Behandlung von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen bei akuten Erkrankungen und Schmerzzu- ständen? Wie ist diese ausgestaltet? 2. Wer ist für die medizinische Versorgung von Asylbewerberinnen, Asylbewer- bern und Flüchtlingen an Sonn- und Feiertagen verantwortlich/zuständig? 3. Wer übernimmt in solchen Fällen die Kosten für den Bereitschaftsdienst bzw. Notarzt- und Rettungssanitätereinsatz? Wie ist die Abrechnung dieser Kosten durch den Erbringer der Behandlungsleistungen geregelt? 4. Wie möchte die Landesregierung in Zukunft gewährleisten, dass Asylbewerbe- rinnen, Asylbewerber und Flüchtlinge an Sonn- und Feiertagen bei Vorliegen akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen medizinisch behandelt werden? 5. Welchen Stand gibt es bei der Einführung von speziellen Chipkarten zur ver- einfachten Abrechnung der Behandlungskosten für Asylbewerberinnen, Asyl- bewerber und Flüchtlinge? 6. Welche Behandlungsleistungen können mithilfe dieser Chipkarten in Anspruch genommen werden? Wird dazu auch die medizinische Versorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen an Sonn- und Feiertagen gehören? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Ge- sundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage1: Gibt es eine Regelung zwischen der kassenärztlichen Vereinigung und den Landkreisen bzgl. der medizinischen Behandlung von Asylbewerberinnen, Asylbe- werbern und Flüchtlingen bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen? Wie ist diese ausgestaltet? zu Frage 1: Die gesundheitliche Versorgung der Leistungsberechtigten des Asylbewerberleis- tungsgesetzes (AsylbLG) nach Verteilung aus der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) obliegt gemäß § 1 Absatz 1 des Landesaufnahmegesetzes (LAufnG) den Kommu- nen, da ihnen die Durchführung des AsylbLG als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen ist. Nach Kenntnis der Landesregierung besteht eine vertragliche Vereinbarung zwi- schen der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KV BB) und dem Landkreis Potsdam-Mittelmark (LK PM); diese regelt grundsätzliche Fragen der Unterstützung des Landkreises durch die KV BB bei der Sicherstellung der ambulanten medizini- schen Versorgung von Grundleistungsbeziehenden nach dem AsylbLG, deren medi- zinische Versorgung gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG zu leisten ist. Der Vertrag des LK PM mit der KV BB ist auf deren Internetseite unter folgendem Link abrufbar: http://www.kvbb.de/fileadmin/kvbb/dam/Praxis/KVBBVertraege/aktuell/sonstige/9.3.V ertrag_Asylbewerber_PM_1NT.pdf. Frage 2: Wer ist für die medizinische Versorgung von Asylbewerberinnen, Asylbe- werbern und Flüchtlingen an Sonn- und Feiertagen verantwortlich/zuständig? zu Frage 2: Solange die Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Flüchtlinge in der EAE unterge- bracht sind, ist die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) zuständig. Die Entscheidung über die erforderliche Behandlung und den erforderlichen Behandlungsort wird durch die dortigen Ärztinnen und Ärzte getroffen. Das für die ZABH tätige Fachpersonal der Unterkünfte unterstützt den Gang oder den Transport zum Arzt oder Krankenhaus oder ruft im Notfall den Rettungsdienst. Nach Verteilung aus der EAE obliegt die medizinische Versorgung für die jeweils aufgenommenen Personen den Kommunen; auf die Antwort zur Frage 1 wird ver- wiesen. Die Leistungsverpflichtung der ZABH und der Kommunen für die jeweils aufgenom- menen Personen besteht auch an Sonn- und Feiertagen. Frage 3: Wer übernimmt in solchen Fällen die Kosten für den Bereitschaftsdienst bzw. Notarzt- und Rettungssanitätereinsatz? Wie ist die Abrechnung dieser Kosten durch den Erbringer der Behandlungsleistungen geregelt? zu Frage 3: Mit Inkrafttreten der Änderungen des AsylbLG zum 1. März 2015 ist der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Leistungen der medizinischen Notversorgung nach §§ 4 und 6 AsylbLG nunmehr ausdrücklich in § 6a AsylbLG geregelt. Demnach können Leistungserbringende innerhalb angemessener Frist die Erstattung ihrer Aufwendun- gen beantragen. Solange sich die Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG in der EAE aufhalten, ist die ZABH als Leistungsträger gemäß § 1 Absatz 2 LAufnG auch für die Kostenerstat- tung der medizinischen Versorgung in Notfällen zuständig. Sobald die Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Flüchtlinge in den Kommunen un- tergebracht sind, ist der Erstattungsanspruch an das zuständige Sozialamt zu rich- ten. Das galt auch schon vor dem 1. März 2015: hierfür wurde § 25 des Zwölften Bu- ches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in analoger Anwendung als Anspruchsgrundlage herangezogen. Frage 4: Wie möchte die Landesregierung in Zukunft gewährleisten, dass Asylbe- werberinnen, Asylbewerber und Flüchtlinge an Sonn- und Feiertagen bei Vorliegen akuter Erkrankungen und Schmerzzuständen medizinisch behandelt werden? zu Frage 4: Für die medizinische Versorgung der Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Flücht- linge, auch an Sonn- und Feiertagen, sind die ZABH und die Kommunen für die je- weils aufgenommenen Personen nach Maßgabe der §§ 4 und 6 AsylbLG zuständig. Insofern wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Unabhängig davon wird die Lan- desregierung den Sachverhalt im Rahmen der regelmäßigen Meinungsaustausche mit den Kommunen erörtern. Frage 5: Welchen Stand gibt es bei der Einführung von speziellen Chipkarten zur vereinfachten Abrechnung der Behandlungskosten für Asylbewerberinnen, Asylbe- werber und Flüchtlinge? zu Frage 5: Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte würde einen unbürokratischen und diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung bedeuten. Da die laut Koalitionsvertrag angestrebte Abschaffung des Asylbewerberleistungsge- setzes, womit die Gesundheitsversorgung der gesetzlichen Krankenkassen durch die Integration in die Regelsozialleistungsgesetze SGB II und XII verbunden gewesen wäre, bundespolitisch zur Zeit offensichtlich nicht durchsetzbar ist, wird zumindest eine Angleichung des Gesundheitsversorgungssystems im Grundleistungsbezug an die Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen angestrebt. Das Asylbewerberleis- tungsgesetz sieht seit dem 1. März 2015 lediglich insofern eine Verbesserung vor, als dass nunmehr bereits ab dem 16. Aufenthaltsmonat und nicht wie bisher erst nach 4 Jahren Asylbewerberleistungsbezug die Gesundheitsversorgung gemäß § 264 Absatz 2 SGB V auf die gesetzlichen Krankenkassen übertragen ist. Die auch von Brandenburg vorgeschlagene Lösung eines einheitlichen Gesundheitsversor- gungssystems über Einbeziehung der Grundleistungsbeziehenden in den § 264 Ab- satz 2 SGB V wurde seitens des Bundes bislang abgelehnt. Daher werden die Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der Verbesserung der medizinischen Versorgung der Grundleistungsbeziehenden gemäß den §§ 4, 6 AsylbLG im Rahmen der derzeitigen bundesgesetzlichen Vorgaben intensiv geprüft. Ein vergleichbares Gesundheitsversorgungssystem kann allerdings bislang nur auf freiwilliger vertraglicher Basis zwischen den Leistungsverpflichteten und den gesetz- lichen Krankenkassen gemäß § 264 Absatz 1 SGB V vereinbart werden. Entspre- chende Gespräche mit allen maßgeblich Beteiligten werden derzeit vorbereitet bzw. geführt. Frage 6: Welche Behandlungsleistungen können mithilfe dieser Chipkarten in An- spruch genommen werden? Wird dazu auch die medizinische Versorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen an Sonn- und Feiertagen gehören? zu Frage 6: Der Leistungsumfang ist auch bei Einführung der elektronischen Gesundheitskarte durch die §§ 4 und 6 AsylbLG geregelt. Dieser umfasst die erforderliche Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Da die jeweils erforderliche Behandlung immer auf einer fachlichen Einzelfallentscheidung beruht, entspricht das Versor- gungsniveau bei verfassungs- und völkerrechtskonformer Auslegung weitestgehend dem der gesetzlichen Krankenversicherung. Selbstverständlich kann der ärztliche Bereitschaftsdienst im Bedarfsfall auch im Falle der Einführung der Chipkarte in An- spruch genommen werden.