Datum des Eingangs: 10.04.2015 / Ausgegeben: 15.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1116 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 401 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/870 Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Gewährung ALG 2/ Hartz IV Wortlaut der Kleinen Anfrage 401 vom 13.03.2015: Seit Jahresbeginn 2015 gilt bei den Jobcentern der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen eine neue Dienstanweisung nach dem „Vier-Augen-Prinzip“: Wird zum Beispiel Geld an einen Hartz-IV-Empfänger überwiesen, muss ein zweiter Mit- arbeiter vorher den Bescheid noch einmal überprüfen. Die Personalräte der Jobcen- ter halten davon wenig. Es gebe viel zu wenig Personal, um diese Richtlinie im Alltag tatsächlich umsetzen zu können und außerdem keinen Anlass für die neuen Kontrol- len, heißt es aus Personalratskreisen. Um die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen zu erfüllen, stand die Bundesagentur für Arbeit nach Einführung einer neuen Software vor der Wahl, das „Vier-Augen- Prinzip“ in der neuen Form zu verankern oder mehr Stichproben einzuführen. Das angebliche Ergebnis: Die Stichproben sind noch arbeitsaufwendiger. Sie hätten es nötig gemacht, 760 Vollzeitkräfte neu einzustellen. So sind es jetzt aber nur 400, die befristet eine Stelle in einem Jobcenter bekommen, um den Mehraufwand zu de- cken. Die Dauer von der Beantragung von Leistungen des Leistungsberechtigten bis hin zur Leistungsgewährung beträgt derzeit bis zu zwei Monate. Dies bedeutet, dass quasi mittellose Menschen bis zu 2 Monate ohne Geld dastehen. Angesichts des Urteils des BGH VIII ZR 175/14 vom 04.02.2015 wonach eine Kündi- gung des Mietverhältnisses eines Sozialhilfeberechtigten Mieters auch bei unver- schuldeter Geldnot zulässig sei, ergeben sich einige Fragen. Daher frage ich die Landesregierung: 1. Wie viel Personal wird in den einzelnen Landkreisen: PM, TF, MOL, LDS gegenüber den Leistungsberechtigten vorgehalten, um anstehende Aufgaben zu erfüllen , und welche Reserven stehen bei Krankheit, Urlaub zur Verfügung? Wie hoch ist der Krankenstand in den benannten Jobcentern der Landkreise? 2. Was gedenkt die Landesregierung, zu tun, sollte es aufgrund der längeren Bearbeitungszeiten seitens der Jobcenter, von der Leistungsbeantragung bis zur Leistungsgewährung zu einer Kündigung von Mietverträgen von Hartz IV- Empfängern kommen? 3. Warum beauftragen die Jobcenter in genannten Landkreisen keinen Ombudsmann wie beispielsweise in Duisburg, dessen Wirken sich offensichtlich bewährt? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der Jobcenter der einzelnen Landkreise ? 5. Wie will die Landesregierung einer vermehrten Anrufung der ohnehin überlasteten Sozialgerichte durch immer mehr Verwaltungsaufwand seitens der Jobcenter entgegentreten ? 6. Wie hoch ist der finanzielle Aufwand der genannten Jobcenter, um streitige Verfahren bei dem Sozialgerichten Berlin- Brandenburg zu führen, und findet darüber eine Auswertung durch eine Fachaufsicht statt? 7. Bestraft man mit der im Vorwort ausgeführten Vorgehensweise nicht vornehmlich gerade die Menschen die aufstockende Leistungen erhalten, obwohl sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, und jede Veränderung der relevanten Verhältnisse (Mitwirkungspflicht) dem zuständigen Jobcenter mitteilen müssen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Ge- sundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen: Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind nach § 6 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die Bundesagentur für Arbeit sowie die kreisfreien Städte und Landkreise (kommunale Träger). Im Hinblick auf die Organisation der Aufga- benwahrnehmung unterscheidet das SGB II zwei Jobcenterstrukturen: die gemein- same Einrichtung und den zugelassenen kommunalen Träger. Bei erstgenannter Organisationsform bilden die vorbenannten Träger zur einheitli- chen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Gebiet jedes kommu- nalen Trägers eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II), die deren Aufgaben nach dem SGB II wahrnimmt (§ 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II). Dabei führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über die Bundesagentur für Arbeit die Rechts- und Fachaufsicht (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und die zuständige Landesbe- hörde führt die Aufsicht über den kommunalen Träger (§ 47 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Gemeinsame Einrichtungen haben eine Trägerversammlung, in der je hälftig Vertre- ter der Bundesagentur für Arbeit und des kommunalen Trägers vertreten sind (§ 44c Abs. 1 SGB II). Die Trägerversammlung entscheidet über organisatorische, perso- nalwirtschaftliche, personalrechtliche und personalvertretungsrechtliche Angelegen- heiten der gemeinsamen Einrichtung (§ 44c Abs. 2 SGB II). Die Aufsicht im Aufga- benbereich der Trägerversammlung führt in erster Linie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (§ 47 Abs. 3 SGB II). Das zweite Modell zur Aufgabenwahrnehmung stellt der zugelassene kommunale Träger dar, der neben den ohnehin in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Aufga- ben auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit wahrnimmt (§§ 6a, 6b SGB II). Zugelassene kommunale Träger unterfallen allein der Aufsicht der zuständigen Lan- desbehörde (§ 48 Abs. 1 SGB II). In Brandenburg nehmen die kommunalen Träger ihre Aufgaben nach dem SGB II als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahr (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch im Land Brandenburg [Bbg AG-SGB II] i.V.m. Art. 97 Abs.1 Verfassung des Landes Brandenburg). Die zuständige Landesbehörde, das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (MASGF), führt insoweit die Rechtsaufsicht, was sich auf die Einhal- tung von Recht und Gesetz im Zusammenhang mit der Umsetzung des SGB II er- streckt. Frage 1: Wie viel Personal wird in den einzelnen Landkreisen: PM, TF, MOL, LDS gegenüber den Leistungsberechtigten vorgehalten, um anstehende Aufgaben zu er- füllen, und welche Reserven stehen bei Krankheit, Urlaub zur Verfügung? Wie hoch ist der Krankenstand in den benannten Jobcentern der Landkreise? Frage 2: Was gedenkt die Landesregierung, zu tun, sollte es aufgrund der längeren Bearbeitungszeiten seitens der Jobcenter, von der Leistungsbeantragung bis zur Leistungsgewährung zu einer Kündigung von Mietverträgen von Hartz IV- Empfän- gern kommen? Frage 3: Warum beauftragen die Jobcenter in genannten Landkreisen keinen Om- budsmann wie beispielsweise in Duisburg, dessen Wirken sich offensichtlich be- währt? Frage 4: Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der Jobcenter der einzelnen Landkreise? Frage 5: Wie will die Landesregierung einer vermehrten Anrufung der ohnehin über- lasteten Sozialgerichte durch immer mehr Verwaltungsaufwand seitens der Jobcen- ter entgegentreten? Frage 6: Wie hoch ist der finanzielle Aufwand der genannten Jobcenter, um streitige Verfahren bei den Sozialgerichten Berlin-Brandenburg zu führen, und findet darüber eine Auswertung durch eine Fachaufsicht statt? zu Fragen 1 bis 6: Die Fragen werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Sie beziehen sich auf personalwirtschaftliche und verwaltungsorganisatorische Entschei- dungen in den Jobcentern und damit nicht auf Fragen, die dem Einwirkungsbereich oder einer Bewertung durch die Landesregierung unterliegen. Derartige Fragen unterfallen bei den als gemeinsame Einrichtungen agierenden Job- centern Teltow-Fläming, Märkisch-Oderland und Dahme-Spreewald dem Aufgaben- bereich der Trägerversammlung; die Aufsicht hierüber führt – wie in den Vorbemer- kungen dargestellt - das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Bei dem als zugelassener kommunaler Träger agierenden Jobcenter Potsdam- Mittelmark unterfallen diese personalwirtschaftlichen und verwaltungsorganisatori- schen Fragen der allgemeinen Organisations- und Personalhoheit des kommunalen Trägers, die Ausfluss der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstver- waltung ist. In diesem Bereich führt das MASGF – wie in den Vorbemerkungen eben- falls dargestellt - die Rechtsaufsicht, diese erstreckt sich aber eben nicht auf die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch den kommunalen Träger. Im Übrigen bestehen auch im Hinblick auf die in Rede stehenden Sachverhalte keine gesonderten Berichtspflichten der vorgenannten Jobcenter gegenüber der Landesre- gierung. Frage 7: Bestraft man mit der im Vorwort ausgeführten Vorgehensweise nicht vor- nehmlich gerade die Menschen die aufstockende Leistungen erhalten, obwohl sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, und jede Veränderung der relevanten Verhältnisse (Mitwirkungspflicht) dem zuständigen Jobcenter mitteilen müssen? zu Frage 7: Die Landesregierung sieht keinen Zusammenhang zwischen der Einhaltung haus- haltsrechtlicher Be-stimmungen des Bundes einerseits und der Leistungsberechti- gung nach dem SGB II für Personen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigun- gen ausüben, andererseits.