Landtag Brandenburg Drucksache 6/11187 6. Wahlperiode Eingegangen: 08.04.2019 / Ausgegeben: 15.04.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4411 der Abgeordneten Günter Baaske (SPD-Fraktion), Sören Kosanke (SPD-Fraktion), Prof. Dr. Ulrike Liedtke (SPD-Fraktion) und Britta Müller (SPD-Fraktion) Drucksache 6/10778 Entwicklung der wirtschaftlichen Struktur in Brandenburg und Ostdeutschland Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: 2019 wird in ganz Deutschland der 30. Jahrestag des Mauerfalls gefeiert. Viel hat sich seither gerade in Ostdeutschland getan. Dennoch gibt es nach wie vor gravierende Unterschiede in wirtschaftlichen und sozialen Fragen. Oft führen diese Unterschiede dazu, dass sich Menschen ungerecht behandelt fühlen, oft sind selbst die Unterschiede eher gefühlt als real. Mit folgenden Fragen soll versucht werden, die Situation in Brandenburg zu beleuchten. Frage 1: Welche grundlegenden Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Unterschiede in den Betriebsstrukturen in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Dienstleistung sowie Handwerk und Gewerbe in Brandenburg/Ostdeutschland und Westdeutschland ? zu Frage 1: Die folgenden Aussagen zu den Betriebsstrukturen basieren auf Betriebsgrößenklassen nach der Zahl der Beschäftigten (Beschäftigungsgrößenklassen) (siehe Tabelle 1). In Anlehnung an die Empfehlung der EU-Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen“ (Empfehlung 2003/361/EG) werden Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten als Kleinstunternehmen bezeichnet, als kleine Unternehmen gelten Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten und als mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten. Die Betriebsstrukturen in den drei Regionen Land Brandenburg, Ostdeutschland (mit Berlin ) und Westdeutschland (ohne Berlin) sind im Durchschnitt über alle Wirtschaftszweige relativ ähnlich: Rund 77 Prozent sind Kleinstunternehmen, rund 17 Prozent kleine Unternehmen . Mittlere Unternehmen sind mit etwa 5 Prozent vertreten. In weniger als einem Prozent der Betriebe arbeiten mehr als 250 Beschäftigte. Größere Unterschiede zwischen den Regionen zeigen sich allerdings bei detaillierter Betrachtung der einzelnen Wirtschaftszweige : Landtag Brandenburg Drucksache 6/11187 - 2 - Der Bereich Land, Forstwirtschaft und Fischerei ist vorrangig durch Kleinstbetriebe geprägt . Während in Westdeutschland über 94 Prozent der Betriebe bis zu 9 Beschäftigte haben, liegt der Anteil in Ostdeutschland sowie in Brandenburg bei rund 80 Prozent aller Betriebe. Rund ein Fünftel sind in Ostdeutschland kleine Betriebe, in Westdeutschland liegt ihr Anteil bei 5,4 Prozent. Und auch die mittleren Unternehmen sind in Ostdeutschland mit einem Anteil von 1,9 Prozent deutlich stärker vertreten als in Westdeutschland (0,4 Prozent). Große Unternehmen mit über 250 Beschäftigten sind im primären Sektor so gut wie nicht vorhanden. Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zeigen sich auch im Produzierenden Gewerbe. In Ostdeutschland sowie im Land Brandenburg ist der Anteil der Kleinstbetriebe signifikant höher als in Westdeutschland, wohingegen in Westdeutschland deutlich mehr mittlere und große Unternehmen angesiedelt sind. Detailliert wird im Folgenden auf das Verarbeitende Gewerbe sowie das Baugewerbe eingegangen. Die Unterschiede in den Betriebsstrukturen zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland sind im Verarbeitenden Gewerbe nur relativ gering. Auffällig ist der höhere Anteil an Kleinstunternehmen im Land Brandenburg sowohl im Vergleich zum ostdeutschen als auch zum westdeutschen Vergleichswert. Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ergeben sich schließlich beim Anteil der großen Unternehmen. Diese haben in Westdeutschland einen Anteil von 2,9 Prozent, in Ostdeutschland sind es 1,9 Prozent. Das Land Brandenburg liegt bei den großen Betrieben mit 1,4 Prozent noch unter dem ostdeutschen Durchschnitt. Deutlich stärker sind die Unterschiede zwischen Ost und West im Baugewerbe. In Ostdeutschland und Brandenburg überwiegen mit einem Anteil von rund 80 Prozent Kleinstbetriebe. In Westdeutschland liegt deren Anteil nur bei knapp 57 Prozent. Dem entsprechend sind die Anteile der kleinen und mittleren Unternehmen in Westdeutschland deutlich höher. Große Unternehmen sind in der ostdeutschen Bauwirtschaft so gut wie nicht vorhanden (Anteil: 0,1 Prozent). In Westdeutschland liegt der Anteil hingegen bei 3,5 Prozent. Die Betriebsstrukturen in den Dienstleistungsbereichen ähneln sich in den betrachteten Regionen. Annähernd 4 von 5 Betriebe zählen zu den Kleinstbetrieben. Rund 17 Prozent sind kleine Unternehmen. Der Anteil mittlerer Unternehmen liegt sowohl in Ost- als auch Westdeutschland bei rund 4 Prozent. Große Unternehmen sind im Bereich der Dienstleistungen in beiden Regionen eher selten (unter 1 Prozent). Die Betriebsstruktur im Land Brandenburg entspricht im Dienstleistungsbereich weitgehend dem ost- bzw. westdeutschen Durchschnitt. Auf Basis der verfügbaren amtlichen Statistik ist es nicht möglich Handwerk und Gewerbe gesondert auszuweisen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11187 - 3 - Tabelle 1: Betriebe nach Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008) und Betriebsgrößenklassen im Land Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland 2018 Wirtschaftsabschnitte (WZ 2008) Region Anteile der Betriebe nach Beschäftigungsgrößenklassen in % 1 bis 9 10 bis 49 50 bis 249 250 und mehr Land-, Forstwirtschaft, Fischerei (A) Brandenburg 80,6 17,5 ** ** Ostdt. 79,4 18,7 1,9 ** Westdt. 94,1 5,4 0,4 0,0 Produzierendes Gewerbe mit Baugewerbe* (B-F) Brandenburg 74,7 20,5 ** ** Ostdt. 72,1 21,7 5,4 0,8 Westdt. 59,3 26,9 10,8 2,9 darunter: Verarbeitendes Gewerbe (C) Brandenburg 63,4 26,9 8,3 1,4 Ostdt. 60,2 27,6 10,3 1,9 Westdt. 59,7 27,0 10,4 2,9 Baugewerbe (F) Brandenburg 81,8 16,6 1,5 ** Ostdt. 80,8 17,2 1,9 0,1 Westdt. 56,5 26,5 13,5 3,5 Dienstleistungsbereiche (G-U) Brandenburg 79,1 16,1 4,1 0,6 Ostdt. 78,8 16,4 4,1 0,7 Westdt. 77,9 17,2 4,2 0,7 * Produzierendes Gewerbe mit Baugewerbe enthält auch Bergbau, Energie- und Wasserversorgung ** Aus Datenschutzgründen und Gründen der statistischen Geheimhaltung werden Zahlenwerte <3 und Daten, aus denen sich rechnerisch eine Differenz ermitteln lässt, mit ** anonymisiert. Gleiches gilt, wenn in einer Region weniger als 3 Betriebe ansässig sind oder einer der Betriebe einen so hohen Beschäftigtenanteil auf sich vereint, dass die Beschäftigtenzahl praktisch eine Einzelangabe über den Branchenführer darstellt (Dominanzfall ). Anmerkung: Ostdt. = Ostdeutschland (mit Berlin), Westdt. = Westdeutschland (ohne Berlin ) Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Stand Januar 2019. Frage 2: Wie groß ist der jeweilige Anteil der Betriebe in Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland mit bis zu 5,10,20,30,50,70,100,150 und schließlich über 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland ? zu Frage 2: Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit weist die Anzahl der Betriebe nach bestimmten Beschäftigtengrößenklassen aus. Es ist daher nicht möglich, aus der Statistik die Anzahl der Betriebe gemäß der in der Fragestellung gewünschten Abgrenzung zu ermitteln. Die vorhandenen Daten nach Beschäftigtengrößenklassen sind in Tabelle 2 aufgeführt. Rund 99 Prozent der Unternehmen haben demnach in allen drei betrachteten Regionen bis zu 200 Beschäftigte. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11187 - 4 - Tabelle 2: Anteile der Betriebe nach Beschäftigungsgrößenklassen im Land Brandenburg , Ostdeutschland und Westdeutschland Jahr 2018 Anteile der Betriebe mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Beschäftigtengrößenklassen in Prozent 1 bis 5 Beschäftigte < 10 Beschäftigte < 20 Beschäftigte < 50 Beschäftigte < 100 Beschäftigte < 200 Beschäftigte ≥ 200 Beschäftigte Brandenburg 65,7 78,4 88,6 95,5 97,9 99,2 0,8 Ostdeutschland (mit Berlin) 65,5 77,8 88,1 95,2 97,8 99,1 0,9 Westdeutschland (ohne Berlin ) 64,8 77,3 87,9 95,0 97,6 99,0 1,0 Quelle: Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Eigene Berechnungen , Stand Januar 2019. Frage 3: Gibt es Kenntnisse der Landesregierung zur Größe des Eigenkapitals der Kapitalgesellschaften getrennt nach Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland? zu Frage 3: Die Eigenkapitalausstattung der Kapitalgesellschaften in Deutschland ist laut Statistik der Deutschen Bundesbank in den letzten Jahren gestiegen. Ein differenzierter Ausweis der Eigenkapitalausstattung nach Ost- und Westdeutschland bzw. nach einzelnen Bundesländern erfolgt durch die Bundesbank nicht. Frage 4: Wo befindet sich der steuerliche Sitz von Kapitalgesellschaften der Industrie mit mehr als 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getrennt nach Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland? In der Antwort bitte unterteilen nach Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland sowie Ausland. zu Frage 4: Eine Beantwortung der Frage 4 ist nicht möglich. Zu unterscheiden ist die ertragsteuerliche und die lohnsteuerliche Zuständigkeit der Finanzbehörden : Die ertragsteuerliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich bei Kapitalgesellschaften nach dem Ort der Geschäftsleitung (§ 20 der Abgabenordnung). Unterhält eine Kapitalgesellschaft mehrere Betriebsstätten, in denen der für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs maßgebende Arbeitslohn ermittelt wird, werden die Lohnkonten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu der jeweiligen Betriebsstätte geführt (§ 41 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes). Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dann lohnsteuerlich im jeweils zuständigen Betriebsstättenfinanzamt anzumelden (§ 41a des Einkommensteuergesetzes). Differenzierte statistische Auswertungen zur Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Kapitalgesellschaften liegen nicht vor. Zusätzliche Auswertungen wären entweder nach dem Ort der Geschäftsleitung oder der Betriebsstätte möglich, eine Verknüpfung beider ist technisch nicht möglich. Zudem könnten nur die im Land Brandenburg geführten Kapitalgesellschaften ermittelt werden. Erkenntnisse zu anderen Bundesländern oder zum Ausland liegen nicht vor. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11187 - 5 - Des Weiteren gibt der Arbeitgeber mit der Lohnsteueranmeldung gegenüber der Finanzverwaltung lediglich die Anzahl der lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geringem Arbeitslohn oder steuerfrei beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nicht mitgeteilt. Frage 5: Welche Kenntnisse hat die Landesregierung zum Exportanteil der Betriebe in Brandenburg, Ostdeutschland und Westdeutschland? zu Frage 5: Der Exportanteil wird im Folgenden als Anteil der Ausfuhren am Bruttoinlandsprodukt (Exportquote) dargestellt. Im Jahr 2017 war die Exportquote in Ostdeutschland mit 21,7 Prozent deutlich geringer als die Exportquote in Westdeutschland (32,5 Prozent). Im Land Brandenburg lag der Anteil der Ausfuhren 2010-2012 noch über dem ostdeutschen Durchschnitt, fiel jedoch seit 2013 niedriger aus. 2017 wurde ein Exportanteil von 18,3 Prozent erzielt. Die Ursachen für die geringeren Exportquoten in Ostdeutschland sind vielschichtig und reichen von Unterschieden in den Betriebsgrößenklassen und deren Exportorientierung über Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur und in den Produktionsstufen der Wertschöpfungsketten bis hin zu statistischen Effekten. Die Statistik erfasst als Ausfuhr immer nur den Wert der exportierten Endprodukte. In einem anderen als dem exportierenden Bundesland hergestellte Vorprodukte werden dort nicht explizit als Ausfuhren ausgewiesen. Beispielsweise wird ein Vorprodukt, welches im Land Brandenburg gefertigt wurde und in ein Exportprodukt einfließt, das aus Bayern exportiert wird, nicht als Ausfuhr für Brandenburg erfasst. Tabelle 3 gibt ferner einen Überblick über die Entwicklung der Exportquoten für den Zeitraum 2010 bis 2017. Die Exportquoten in Ost- und Westdeutschland sind um 1,5 Prozentpunkte bzw. 0,8 Prozentpunkte gestiegen. Damit hat sich die ostdeutsche Exportquote über den Betrachtungszeitraum der westdeutschen um 0,7 Prozentpunkte angenähert. Keine Konvergenz kann für das Land Brandenburg hingegen konstatiert werden. Die Exportquote fiel 2017 im Vergleich zum Jahr 2010 um 3,6 Prozentpunkte niedriger aus. Tabelle 3: Exportquote des Landes Brandenburg, Ostdeutschlands und Westdeutschlands für die Jahre 2010 bis 2017 Jahr Exportquote in Prozent (Anteil der Ausfuhr am Bruttoinlandsprodukt) 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Brandenburg 21,9 23,4 22,6 21,3 20,8 21,7 19,7 18,3 Ostdeutschland (mit Berlin) 20,2 22,3 22,4 21,6 22,1 22,4 21,3 21,7 Westdeutschland (ohne Berlin) 31,7 33,7 34,2 33,4 32,7 33,5 32,4 32,5 Quelle: Statistisches Bundesamt und AK „VGR der Länder“, eigene Berechnungen, Stand Februar 2019