Landtag Brandenburg Drucksache 6/11210 6. Wahlperiode Eingegangen: 12.04.2019 / Ausgegeben: 17.04.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4431 der Abgeordneten Kerstin Kircheis (SPD-Fraktion) und Erik Stohn (SPD-Fraktion) Drucksache 6/10858 Situation am Verwaltungsgericht Cottbus Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin und des Fragestellers: Nach einem Bericht der "Lausitzer Rundschau" vom 4. März 2019 sind die am Verwaltungsgericht Cottbus anhängigen Reste unerledigter Fälle seit 2011 von 1376 auf inzwischen 5726 Fälle angewachsen . Die ältesten anhängigen Fälle sollen acht Jahre alt sein. Gleichzeitig soll jeder Richter am Verwaltungsgericht Cottbus im vergangenen Jahr durchschnittlich 179 Verfahren und damit überdurchschnittlich viel erledigt haben. Auf jeden Richter sollen dennoch 365 anhängige (d. h. offene Verfahren) entfallen. Als Ursache für den hohen Bestand an Altverfahren wird auch eine unzureichende Personalausstattung des Gerichtes genannt. Nach dem Personalschlüssel sollen dem Gericht 2018 weniger als die Hälfte der erforderlichen Richterarbeitskräfte zur Verfügung gestanden haben. Es wird insbesondere auf den Eingang vieler Asylverfahren in den letzten Jahren verwiesen. Frage 1: Bestätigt die Landesregierung die in dem Bericht genannten Zahlen über die Verfahrenseingänge und dem verfügbaren Personalbestand am Verwaltungsgericht Cottbus? zu Frage 1: Die genannten Zahlen zur Bestandsentwicklung von 2011 auf 2018 sind im Wesentlichen zutreffend. So war im Jahr 2011 insgesamt ein Bestand von 1.333 Verfahren zu verzeichnen. Im Jahr 2018 waren 5.659 Verfahren anhängig. Die geringfügigen Abweichungen der Zahlen von denen in der Vorbemerkung beruhen auf dem vom Verwaltungsgericht Cottbus berücksichtigten „Sonstigen Geschäftsanfall“, der in der amtlichen Statistik nicht enthalten ist. Die Angabe, dass dem Gericht 2018 weniger als die Hälfte der erforderlichen Richterarbeitskraft zur Verfügung gestanden hätte, trifft nicht zu. Der Personalbedarf im richterlichen Dienst des Verwaltungsgerichts Cottbus lag im Jahre 2018 bei 27,99 Arbeitskraftanteilen . Der Personalbestand betrug im Jahr 2018 im Durchschnitt 18,63 Arbeitskraftanteile . Die Personalausstattung am Verwaltungsgericht Cottbus lag damit bei 66,6 %. Die Aussage, dass die Verwaltungsrichter in Cottbus mit 179 erledigten Verfahren je Richter überdurchschnittlich viele Verfahren erledigt hätten, ist mit den folgenden Ergänzungen zutreffend. Der Landesdurchschnitt der Erledigungen je Richter lag im Jahr 2018 bei 160 Verfahren. Im Jahr 2016 lag allerdings der Bundesdurchschnitt der erledigten Verfahren bei 178 je Richter. Aktuellere Angaben für den Bundesdurchschnitt liegen nicht vor. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11210 - 2 - Der hohe Bestand von offenen Verfahren je Richter - nach hier vorliegenden Kenntnissen - von 361 Verfahren am Verwaltungsgericht Cottbus kann bestätigt werden. Frage 2: Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, um die Arbeitsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes Cottbus zu verbessern und insbesondere den Bestand unerledigter Altfälle zeitnah und nachhaltig zu reduzieren? zu Frage 2: Das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz besetzt innerhalb der notwendigen Verfahrenslaufzeiten die am Verwaltungsgericht Cottbus frei werdenden Stellen umgehend nach. Darüber hinaus werden von den im Doppelhaushalt 2019/ 2020 vorgesehenen 15 weiteren Richterstellen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Stelle der BesGr. R 2 BbgBesO für eine bzw. einen Kammervorsitzenden und zwei Stellen der BesGr. R1 BbgBesO für zwei Berichterstatterinnen und -erstatter am Verwaltungsgericht Cottbus angesiedelt. Im Einklang hiermit erfolgt die Eröffnung einer neuen Kammer, welche zu einer Reduktion des Bestandes an unerledigten Altfällen beitragen wird. Mit der Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat im Land Brandenburg werden die weiteren Voraussetzungen für eine Verstärkung des Personalkörpers der Justiz geschaffen. Nach den derzeitigen Planungen werden noch in diesem Jahr drei Stellen für eine bzw. einen Vorsitzenden und sechs Stellen für Berichterstatterinnen bzw. Berichterstatter innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgebracht. Diese Verstärkung wird auch bei dem Verwaltungsgericht Cottbus zur weiteren Abnahme des Bestandes an Altfällen führen. Weiterhin ergibt sich aus den hier vorliegenden Geschäftszahlen eine Verringerung der Eingangszahlen am Verwaltungsgericht Cottbus seit dem Jahre 2017. Der Rückgang betrug im Zeitraum 2017 zu 2018 eine Veränderung der Neuzugänge von - 20,9 %. Hierdurch besteht die Möglichkeit, einen Abbau des Altverfahrensbestandes zumindest zu einem Teil mit den vorhandenen Kapazitäten zu bewältigen. Frage 3: Beabsichtigt die Landesregierung ggfs. neben der Einrichtung dauerhafter neuer Richterstellen am Verwaltungsgericht Cottbus auch vorrübergehend zusätzliches Personal zuzuweisen, um die hohen Altbestände abzubauen? zu Frage 3: Zurzeit ist eine Zuweisung von vorübergehendem Personal an das Verwaltungsgericht Cottbus nicht beabsichtigt, da auch mit Blick auf die zurück gehenden Eingänge die Wirkungen des Stellenzuwachses aufgrund der weiteren Stellen im Doppelhaushalt 2019/2020 und aufgrund der Umsetzung des Paktes für den Rechtsstaat abgewartet werden sollen. Frage 4: Welche Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, um auf abzeichenbar vorrübergehende Klagewellen (z. B. wie aktuell bei den Asylverfahren) zügiger und schneller als bislang für Abhilfe an den betroffenen Gerichten und Gerichtsbarkeiten zu sorgen? Prüft die Landesregierung in diesem Zusammenhang neben der bei den Betroffenen umstrittenen Übertragung eines weiteren Richteramtes auch die gezielte Nutzung freiwilliger Personalmaßnahmen (z. B. gezieltes Werben um vorrübergehende Abordnungen und Teilabordnungen statt dauerhafte Ausweisung neuer Stellen?) Landtag Brandenburg Drucksache 6/11210 - 3 - zu Frage 4: Es existieren zurzeit in Brandenburg zwei Modelle, um temporäre Steigerungen im Personalbedarf der Richterschaft innerhalb einer Gerichtsbarkeit abzufangen: Zum einen werden die in Einzelplan 04 bei Kapitel 04 020 Titel 422 30 ausgewiesenen Stellen genutzt, um zeitlich begrenzte Belastungen auszugleichen. Zum anderen werden darüber hinaus Stellen genutzt, um kurzfristig Richterinnen und Richter auf Probe, welche in der Verwendung für eine andere Gerichtsbarkeit vorgesehen sind, an der Gerichtsbarkeit mit dem erhöhten Bedarf für einen bestimmten Zeitraum einzusetzen. Frage 5: Können nach Meinung der Landesregierung in diesem Zusammenhang Alternativen zur Personalrekrutierung, z. B. eine vorrangige Berücksichtigung zu flexiblen Einsätzen bereiter Richter und Staatsanwälte bei Beförderungsentscheidungen brauchbare Alternativen zu Zwangsmaßnahmen darstellen? zu Frage 5: Im Rahmen von Beförderungsverfahren erfolgt die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten nach dem Bestenprinzip als Ausfluss der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes). Die Grundlage der notwendigen Entscheidung bildet die Beurteilung. Dabei kann der flexible Einsatz im Rahmen der Leistungsfähigkeit in gewissem Umfang berücksichtigt werden und so in die Auswahlentscheidung einfließen. Bei der Stellenausschreibung für Proberichterinnen bzw. -richter wird zum Teil die Bedingung aufgenommen, dass die Bereitschaft zum Einsatz an allen Standorten im Land Brandenburg erforderlich ist. Falls diese Bereitschaft nicht erklärt wird, erfüllen die Bewerberinnen und Bewerber die Anforderung der Ausschreibung nicht und eine Einstellung kommt nicht in Betracht. Hiermit wird im Ergebnis bei Einstellungen der Proberichterinnen und -richter die vorhandene Flexibilität besonders berücksichtigt. Frage 6: Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang das "sächsische Modell", das z. B. auf eine vorrangige aber vorrübergehende Zuweisung von Proberichtern zu betroffenen Gerichten vorsieht und in dem bei den Staatsanwaltschaften Personalreserven zu flexibleren Zuweisungen an Gerichten unterhält? zu Frage 6: Eine Übertragung des „sächsischen Modells“ ist unter Berücksichtigung der in Brandenburg vorhandenen und gewachsenen Strukturen nicht möglich. Den Gerichtsbarkeiten bzw. der Staatsanwaltschaft werden die Proberichterinnen und -richter mit dem Ziel der Verplanung innerhalb ihres Bereichs zugewiesen. Im Ergebnis besteht somit keine Durchlässigkeit zwischen der Staatsanwaltschaft und den Gerichtsbarkeiten bzw. innerhalb der verschiedenen Gerichtsbarkeiten. Diese Strukturen sind ein Standortvorteil des Landes Brandenburg im Wettbewerb um gute und sehr gute Juristinnen und Juristen, da für die jungen Bewerberinnen und Bewerber hiermit die Sicherheit einhergeht, in dem gewünschten Bereich verplant zu werden. Der Wettbewerbsvorteil soll beibehalten werden.