Landtag Brandenburg Drucksache 6/11223 6. Wahlperiode Eingegangen: 18.04.2019 / Ausgegeben: 23.04.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4454 des Abgeordneten Carsten Preuß (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/10904 Zur Rolle der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen ("Financial Intelligence Unit", kurz FIU) bei der Bekämpfung von Geldwäsche - Klärung der Struktur und des Handlungsaufbaus der FIU Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Eindämmung von Geldwäsche ist ein zentrales Element im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus. Effektive staatliche Strukturen im Bereich der Geldwäschebekämpfung sind daher unverzichtbar für die innere Sicherheit, die Austrocknung der Schattenwirtschaft und die Eindämmung von Finanzkriminalität einschließlich schwerer Steuerhinterziehung. Deutschland hat mit dem am 26. Juni 2017 in Kraft getretenen „Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU- Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktions-untersuchungen“ die Strukturen der Geldwäschebekämpfung neu geordnet. Infolge der Neuausrichtung der FIU ist es zu erheblichen Komplikationen bei der Erfüllung der ihr durch das Geldwäschegesetz zugewiesenen Aufgaben im Zusammenhang mit Geldwäscheverdachtsmeldungen gekommen, welche auch medial thematisiert wurden. Vorbemerkungen der Landesregierung: Vor Einrichtung der FIU bei der Generalzolldirektion zum 26.06.2017 wurden die Verdachtsmeldungen nicht über eine sogenannte „FIU (alt)“, sondern direkt von den Verpflichteten an die Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe (GFG) des Landeskriminalamtes Brandenburg (LKA) gesteuert. Mit Beginn der Tätigkeitsaufnahme der FIU fungierte im Land Brandenburg zunächst die Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Geldwäschekriminalität als vorübergehender Adressat bis zum 11.12.2017. Seit diesem Zeitpunkt werden die Verdachtsmeldungen von der FIU direkt der GFG übersandt. Die Staatsanwaltschaft führte keine Statistik bezüglich der Anzahl der übermittelten Verdachtsanzeigen. 1. Welche Stelle ist im Land Brandenburg für den Erhalt von Informationen über Geldwäscheverdachtsfällen von der FIU verantwortlich? zu Frage 1: Im Land Brandenburg ist die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) als Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und der Geldwäsche, Zweigstelle Eberswalde, landesweit für die Bearbeitung von Geldwäscheverfahren zuständig. Im Polizeipräsidium des Landes Brandenburg fungiert die Landtag Brandenburg Drucksache 6/11223 - 2 - beim LKA angesiedelte GFG als zentrale Stelle für die Entgegennahme der durch die FIU weitergeleiteten Geldwäscheverdachtsfälle gem. § 32 (2) Geldwäschegesetz (GwG). Geldwäscheverdachtsanzeigen werden zur steuer- und steuerstrafrechtlichen Überprüfung an die drei Steuerfahndungs- und Strafsachenstellen der Finanzämter Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam gesendet. 2. Wie viele Mitarbeiter sind im Land Brandenburg derzeit mit der Bearbeitung von Geldwäschedelikten betraut? zu Frage 2: Bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) sind derzeit neben dem Abteilungsleiter der Schwerpunktabteilung zwei Dezernenten für die Bearbeitung der Geldwäscheverfahren zuständig. In der GFG beim LKA sind gegenwärtig fünf Polizeibeamte und vier Zollbeamte tätig. In jeder Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle sind zwei Steuerfahnder/innen mit der Prüfung der Geldwäscheverdachtsanzeigen betraut. 3. Wie wird in Brandenburg nach Erhalt von Geldwäscheverdachtsmeldungen von der FIU grundsätzlich weiter mit den Meldungen verfahren? zu Frage 3: Die Geldwäscheverdachtsmeldungen der FIU gehen zunächst beim LKA ein, wo die Verdachtsmeldungen durch polizeiliche Ermittlungsergebnisse angereichert werden und insbesondere Vorermittlungen hinsichtlich der betroffenen Personen stattfinden. Dabei erfolgt eine Prüfung auf Eilbedürftigkeit der eingegangenen Vorgänge durch die GFG. Im Rahmen der weiteren Prüfung werden Unterlagen ausgewertet und bei Bedarf weitere Informationen beigezogen. Nach diesem sogenannten „Clearing“ werden die Vorgänge der Staatsanwaltschaft übergeben, die das Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen einer verfolgbaren Straftat prüft und ggf. weitere Ermittlungen anordnet. Sollte ein Verdachtsgrund zur Finanzierung des Terrorismus vorliegen oder andere eindeutige Bezüge zu staatsschutzrelevanten Straftaten ersichtlich sein, wird der entsprechende Sachverhalt innerhalb des LKA von der GFG an die zuständige Abteilung im LKA (zentraler Staatsschutz) zur weiteren Bearbeitung gegeben. Diese Vorgänge werden ebenso an die zuvor erwähnte Schwerpunktstaatsanwaltschaft übermittelt. Jede einzelne Meldung wird auf deren steuerliche und steuerstrafrechtliche Relevanz hin überprüft. 4. Ist es bereits zu einer Platzierung von Verbindungsbeamten der FIU in mit Geldwäschebekämpfung betrauten Behörden in Brandenburg gekommen? Falls ja, wie viele Beamte wurden platziert (bitte nach Behörde aufschlüsseln)? Falls nein, laufen für eine solche direkte Zusammenarbeit aktuell Vorbereitungen in Brandenburg? zu Frage 4: Die Entsendung von Verbindungsbeamten seitens der FIU ist Bestandteil eines durch die FIU erstellten Managementplanes „Strafverfolgung“. Eine Konzipierung ist gegenwärtig noch Gegenstand von Abstimmungsprozessen innerhalb des Bundesministeriums für Finanzen (BMF). In den Finanzämtern mit Steuerfahndungs- und Strafsachenstellen sind keine Verbindungsbeamten der FIU eingesetzt. Auch bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) und in der GFG sind Verbindungsbeamte der FIU nicht eingesetzt. Ein solcher Einsatz ist derzeit auch nicht geplant. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11223 - 3 - 5. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden von der FIU (alt beziehungsweise neu) nach Kenntnis der Landesregierung beziehungsweise ihr nachgeordneter Behörden in den Jahren 2016 bis 2018 monatlich jeweils an die zuständige Stelle in Brandenburg übermittelt? Wie viele dieser Meldungen wiesen einen Bezug zur Terrorismusfinanzierung auf? zu Frage 5: Die Anzeigepflicht von Geldwäscheverdachtsfällen soll die Entdeckungswahrscheinlichkeit entsprechender Transaktionen steigern und damit generalpräventiv wirken. Die Offenlegung des konkreten Hinweisaufkommens entsprechend verpflichteter Stellen eröffnet in Kombination mit dem monatlichen oder jährlichen Gesamtaufkommen an Finanztransaktionen die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit der eigenen Entdeckung abzuschätzen. Je detaillierter nach Verdachtszweck, administrativen Zuständigkeiten oder Zeiträumen das Verdachtsaufkommen dargestellt wird, desto eher ist ein Abgleich Unbefugter zu ihren illegalen Transaktionen der dargestellten Zeiträume möglich, womit Rückschlüsse auf Ermittlungsstände der Sicherheitsbehörden, Lücken im Meldesystem (Transaktionsform oder Dienstleister) und ggf. sogar die konkrete hinweisgebende Stelle möglich. In der Folge kann die Veröffentlichung den Anreiz für Geldwäscheaktionen – insbesondere auch bei einem Bezug zur Terrorismusfinanzierung - verstärken, das Hinweissystem in ihrer präventiven Wirkung schwächen und in Extremfällen zur Gefährdung einzelner Personen führen. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte kann für die Interessen des Bundes und der Länder nachteilig sein. Daher erfolgt im Rahmen der Beantwortung der Frage keine dezidierte monatliche Darstellung. Auf das Auskunftsrecht gem. Artikel 56 (3) Landesverfassung wird verwiesen. Im Zeitraum 2016 bis 2018 wurden 1.830 Verdachtsmeldungen - monatlich ca. 51 Verdachtsmeldungen - an die GFG übermittelt. Die Anzahl der Meldung mit Verdachtsgrund Terror bzw. sonstige staatsschutzrelevante Sachverhalte bewegen sich dabei pro Jahr im niedrigen einstelligen Bereich. 6. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden von der FIU in den Jahren 2016 bis 2018 nach Kenntnis der Landesregierung beziehungsweise ihr nachgeordneter Behörden nicht fristgerecht an die zuständige Stelle in Brandenburg übermittelt (sogenannte Fristfälle - bitte nach Monaten aufschlüsseln)? Um welche Volumina in Euro handelte es sich bei den Fristfällen jeweils? Wie viele der Fristfälle wiesen einen Bezug zur Terrorismusfinanzierung auf? zu Frage 6: Nach Fristablauf erfolgte Weiterleitungen von Meldungen gem. § 46 (1) GwG an die GFG werden nicht erhoben. 7. Wie viele Geldwäscheverdachtsmeldungen wurden von der FIU in den Jahren 2016 bis 2018 nach Kenntnis der Landesregierung beziehungsweise ihr nachgeordneter Behörden erst unmittelbar vor Fristablauf von der FIU an die (Strafverfolgungs-) Behörden übermittelt, sodass nicht mehr die Möglichkeit einer fristgerechten Vornahme strafprozessualer Sicherungsmaßnahmen bestand? zu Frage 7: Die Frage kann mangels statistischer Erfassung nicht beantwortet werden. Die eingegangenen Fälle in der GFG des LKA Brandenburg wurden jeweils innerhalb der Frist an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Im staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister erfolgt bei einer Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO kein Eintrag dazu, warum ein hinreichender Tatverdacht nicht zu begründen war. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11223 - 4 - 8. In wie vielen Fällen haben von der FIU in den Jahren 2016 bis 2018 an Brandenburg weitergeleitete Geldwäscheverdachtsmeldungen zu weiterführenden Ermittlungen geführt (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? Zu welchen Ergebnissen führten diese Ermittlungen im Detail? zu Frage 8: Angaben zu weiterführenden Ermittlungen in den jährlich angelegten Verfahren sind mangels statistischer Erfassung nicht möglich. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen wurden in 2016 in 11 Fällen mit steuerlichen Nachforderungen in Höhe von 1.581.962 € geführt. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen wurden in 2017 in 12 Fällen mit steuerlichen Nachforderungen in Höhe von 439.937 € geführt. Steuerstrafrechtliche Ermittlungen wurden in 2018 in 10 Fällen mit steuerlichen Nachforderungen in Höhe von 332.906 € geführt. 9. Wie bewertet die Landesregierung beziehungsweise ihre nachgeordneten Behörden die Qualität der Analysetätigkeit der FIU mit Blick auf Geldwäscheverdachtsmeldungen aktuell? 10. Wie bewertet die Landesregierung die Neuausrichtung der Geldwäschebekämpfung nach 1,5 Jahren Erfahrung mit dem reformierten Modell? Wo sieht die Landesregierung aktuell weiteren Verbesserungsbedarf und welche konkreten Maßnahmen werden ergriffen, um eine Verbesserung in der Zusammenarbeit mit der FIU zu erwirken beziehungsweise das Geldwäschemeldesystem zu stärken? zu den Fragen 9 und 10: Der bisherige Zeitraum seit Aufnahme der Tätigkeit der FIU lässt eine abschließende Bewertung noch nicht zu. Die Landesregierung hält es für wünschenswert , wenn die FIU die Sachverhalte der Geldwäscheverdachtsmeldungen mittelfristig so anreichert, dass eine Zwischenschaltung des LKA entbehrlich wird. Gegenwärtig scheint nur eine Weiterleitung der Geldwäscheverdachtsanzeigen als Kontrollmaterial zu erfolgen. In den eingehenden Geldwäscheverdachtsanzeigen ist oft kein Clearing seitens der FIU zu erkennen. Nach Einrichtung der FIU bei der Generalzolldirektion wurden zur Qualitätsverbesserung die notwendigen Mindeststandards für die Analyse aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden länderübergreifend erarbeitet und an die FIU übermittelt. Diese wurden teilweise in die seitens der FIU im Jahre 2018 erarbeiteten Standardmaßnahmen übernommen. Aus Sicht der Polizei ist bereits eine Qualitätssteigerung zu verzeichnen. Auch aus Sicht der Finanzverwaltung besteht zur Entlastung bei der Prüfung der Geldwäscheverdachtsanzeigen der Bedarf eines detaillierten Clearings seitens der FIU, gerade auch in Bezug auf steuer(straf-)rechtliche Aspekte. Auf Arbeitsebene wird für eine zielführende Analyse eine enge Zusammenarbeit, auch mit dem LKA, über das die Anzeigen oftmals weitergeleitet werden, angestrebt. Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und damit einhergehenden Qualitätssteigerung werden als notwendig erachtet. So finden auf Fachebene regelmäßige Telefonkonferenzen zwischen Vertretern der FIU und Vertretern der Strafverfolgungsbehörden statt. Darüber hinaus erfolgen zweimal jährlich gemeinsame Besprechungen bei der FIU. Die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit der FIU ist regelmäßig Thema in den polizeilichen Gremien. Die beabsichtigte Entsendung von Verbindungsbeamten in die Strafverfolgungsbehörden ist ein weiterer Beitrag zur Verbesserung der Zusammenarbeit. Zudem sollen Strafverfolgungsbehörden zur Vermeidung von Informationsdefiziten zukünftig einen automatisierten Zugriff auf bei der FIU gespeicherte Daten erhalten.