Landtag Brandenburg Drucksache 6/11259 6. Wahlperiode Eingegangen: 25.04.2019 / Ausgegeben: 30.04.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4475 des Abgeordneten Thomas Jung (AfD-Fraktion) Drucksache 6/10972 Anzahl der notwendigen Richterstellen zum Abbau der Altfälle am LG Potsdam Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In der Sitzung des Rechtsausschusses am 28. Februar 2019 unter dem TOP „Gespräch des Justizministers mit der Präsidentin des Landgerichts Potsdam über die dortige Personalsituation“ wurde durch den Minister Ludwig mitgeteilt, dass durch die Präsidentin des Landgerichtes Potsdam die Personalsituation im Hinblick auf den Abbau der Altfälle als nicht ausreichend festgestellt worden ist. Auf die mündliche Anfrage Nr. 1573 in der Plenarsitzung vom 13. März 2019 wurde seitens der Landesregierung mitgeteilt, dass aus dortiger Sicht lediglich zwei Richterstellen notwendig seien, um alle Altfälle in zwei Jahren abzubauen. Frage 1: Wie viele offene Verfahren sind per heute bei dem Landgericht Potsdam anhängig ? (Bitte aufschlüsseln nach Zivil- und Strafgerichtsbarkeit sowie auch das Datum der Anhängigkeit angeben.) zu Frage 1: Die Anzahl der offenen Zivil- und Strafverfahren bei dem Landgericht Potsdam zum Stichtag 31. Dezember 2018 ergibt sich aus der nachfolgenden Übersicht. Zur besseren Übersichtlichkeit ist das Jahr des Eingangs der Verfahren angegeben. Anzahl der offenen Zivilverfahren Anzahl der offenen Strafverfahren Jahr des Eingangs 1. Instanz 2. Instanz 1. Instanz 2. Instanz 2008 1 0 0 0 2009 1 0 0 0 2010 3 0 1 0 2011 7 0 1 0 2012 8 0 0 0 2013 25 0 6 0 2014 59 0 6 0 2015 89 0 9 0 2016 210 14 7 19 2017 561 39 18 6 2018 2219 240 27 19 Gesamt 3183 293 75 44 Landtag Brandenburg Drucksache 6/11259 - 2 - Frage 2: Bei wie vielen der derzeit anhängigen Verfahren handelt es sich um aktuelle Eingänge und um wieviel sog. Altverfahren? zu Frage 2: Als „Altverfahren“ werden die Verfahren zugrunde gelegt, die bei dem Landgericht Potsdam seit mehr als einem Jahr anhängig sind. Die Zahl dieser Verfahren belief sich bei dem Landgericht Potsdam am 31. Dezember 2018 auf: Zahl der Altverfahren Zivilsachen I. Instanz 964 II. Instanz 53 Strafsachen I. Instanz 48 II. Instanz 25 Frage 3: Wie viele Verfahren sind jeweils seit 2015 bei dem Landgericht eingegangen? (Bitte aufschlüsseln nach Jahren, Eingangsdatum, Gerichtszweigen, Verfahrensstand.) zu Frage 3: In der nachfolgenden Übersicht sind die Neuzugänge bei dem Landgericht Potsdam ausgewiesen. Zur besseren Übersichtlichkeit ist das Jahr des Eingangs der jeweiligen Neuzugänge angegeben. Der jeweilige Verfahrensstand für die insgesamt über 15.000 Verfahren lässt sich nicht mit vertretbarem Aufwand ermitteln. Zivilsachen Strafsachen Jahr I. Instanz II. Instanz I. Instanz II. Instanz 2015 3.176 591 94 316 2016 3.004 504 89 304 2017 2.921 430 93 336 2018 3.080 417 84 306 Frage 4: In wie vielen Fällen und wann genau droht die Verjährung in offenen Verfahren? zu Frage 4: Wie schon in der Antwort der Landesregierung auf die Fragen 3 der Kleinen Anfrage 2827 (Landtags-Drucksache 6/7134) sowie der Kleinen Anfrage 3253 (Landtags- Drucksache 8149) ausgeführt worden ist, kann die Frage mit vertretbarem Aufwand nicht vollständig beantwortet werden. Der Lauf der Verjährungsfrist für die Strafverfolgung beginnt je nach Strafverfahren zu einem anderen Zeitpunkt (vgl. § 78 StGB) und wird durch bestimmte Verfahrenshandlungen gehemmt oder erneut in Gang gesetzt (vgl. § 78b und 78c StGB). Aus diesem Grund werden die Fristen nicht in den Geschäftsstellenautomationsprogrammen erfasst. Diese Fristen werden ausschließlich von den jeweiligen Strafrichtern als Teil der Rechtsprechungstätigkeit in eigener Verantwortung im Blick gehalten. Die Frage könnte daher nur nach Durchsicht aller Verfahrensakten beantwortet werden. Frage 5: In wie vielen Fällen ist in den Jahren seit 2015 Verjährung eingetreten und wenn ja, wann und warum? zu Frage 5: Angesichts der Fragestellung wird davon ausgegangen, dass es ausschließlich um den Eintritt strafrechtlicher Verfolgungsverjährung geht. Die Anzahl der Verfahren bei dem Landgericht Potsdam, in denen seit 2015 (teilweise) Verjährung eingetreten ist, ist in der nachfolgenden Übersicht abgebildet. Die Frage, warum in den jeweiligen Verfahren (teilweise) Verjährung eingetreten ist, kann nicht mit vertretbarem Aufwand beantwortet werden. Hierfür müsste eine Durchsicht und Prüfung aller entsprechenden Verfahrensak- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11259 - 3 - ten erfolgen, da der Eintritt der Verfolgungsverjährung von einer Vielzahl von Faktoren abhängt . Neben der Sachbearbeitung bei Gericht sind auch die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und deren zeitlicher Ablauf zu überprüfen. Zudem handelt es sich zumeist um komplexe und umfangreiche Verfahren mit diversen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten, die zu bewerten sind. Jahr Anzahl der Verfahren, in denen Verjährung eingetreten ist Anzahl der Verfahren, in denen teilweise Verjährung eingetreten ist 2015 / 2016 0 3 2017 1 1 2018 1 3 Frage 6: Wie viele Richterstellen sind tatsächlich besetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Gerichtszweigen bzw. bei Überschneidungen den jeweiligen tatsächlichen Arbeitskraftanteilen .) zu Frage 6: Der Personalbestand bei dem Landgericht Potsdam belief sich am 31. Dezember 2018 auf 49,22 Arbeitskraftanteile im richterlichen Dienst. Die bei dem Landgericht tätigen Richterinnen und Richter sind diesem Gericht zugewiesen, dorthin abgeordnet bzw. die Proberichterinnen und Proberichter sind aufgrund eines Dienstleistungsauftrags dort tätig. Eine Zuweisung, Abordnung bzw. ein Dienstleistungsauftrag speziell an die Zivilbzw . Strafgerichtsbarkeit erfolgt nicht. Frage 7: Wie viele Richterstellen müssten nach der Personalbedarfsplanungssoftware PEBB§Y tatsächlich vorhanden sein? zu Frage 7: Bei Pebb§y handelt es sich nicht um eine Personalbedarfsplanungssoftware, sondern um ein Personalbedarfsberechnungssystem. Hinsichtlich dessen Funktionsweise wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Nach Pebb§y besteht ein Personalbedarf bei dem Landgericht Potsdam im richterlichen Dienst für das Jahr 2019 in Höhe von 44,15 Arbeitskraftanteilen. Frage 8: Wie genau wird der Personalbedarf durch die Personalbedarfsplanungssoftware tatsächlich ermittelt? (Bitte für die Jahre ab 2015 anhand der vorher zugrunde gelegten und dann tatsächlich vorhandenen Zahlen darstellen.) zu Frage 8: Pebb§y ist ein bundesweites, fortschreibungsfähiges System der Personalbedarfsberechnung u.a. für den richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst. Der gesamte Geschäftsanfall der Gerichte und Staatsanwaltschaften wird in sogenannte Erhebungsgeschäfte gegliedert. Für jedes Geschäft wird der zur Bearbeitung jeweils erforderliche Zeitaufwand in Minuten festgelegt (sogenannte Basiszahl). Durch Multiplikation der Basiszahl mit dem tatsächlichen Geschäftsanfall und Division durch landes- und laufbahngruppenspezifisch ermittelte Jahresarbeitszeit wird der tatsächliche Personalbedarf anschließend berechnet. Der Personalbedarf nach Pebb§y sowie der durchschnittliche Personalbestand stellen sich bei dem Landgericht Potsdam seit dem Jahr 2015 wie folgt dar: Personalbedarf nach Pebb§y in Arbeitskraftanteilen Durchschnittlicher Personalbestand in Arbeitskraftanteilen 2015 39,13 48,19 2016 41,87 50,55 Landtag Brandenburg Drucksache 6/11259 - 4 - 2017 45,60 47,90 2018 45,46 47,42 Frage 9: Wie wurde der zusätzliche Personalbedarf von zwei Richterstellen zum Abbau aller Altfälle innerhalb von zwei Jahren genau ermittelt? zu Frage 9: Der zusätzliche Personalbedarf zum Abbau der „Altfälle“ bei dem Landgericht Potsdam wurde nachfolgender Methode ermittelt: Zunächst wurde ein durchschnittlicher Zeitaufwand für die Bearbeitung von Zivil- und Strafsachen auf der Grundlage der Verfahrenseingänge aus dem Jahr 2017 bei dem Landgericht Potsdam errechnet. Unter Zugrundelegung dieser Durchschnittsbasiszahl wurde ein Personalbedarf in Bezug auf die überjährigen Verfahren in Höhe von 6,273 Arbeitskraftanteilen im richterlichen Dienst für die Zivilsachen und in Höhe von 5,724 Arbeitskraftanteilen für die Strafsachen berechnet, zusammen knapp 12 Arbeitskraftanteile. Dieser Bedarf bezieht sich rechnerisch auf den Zeitraum eines Jahres. Streckt man die Erledigung auf zwei Jahre, halbiert sich rechnerisch der Personalbedarf auf knapp 6 Arbeitskraftanteile im richterlichen Dienst. Der Personalbestand im richterlichen Dienst bei dem Landgericht Potsdam betrug am 31. Dezember 2018 49,22 Arbeitskraftanteile und lag damit bereits um 3,76 Arbeitskraftanteile über dem eingangsbezogenen Personalbedarf für das Jahr 2018 von 45,46 Arbeitskraftanteilen. Dem Landgericht Potsdam standen damit rechnerisch bereits 3,76 Arbeitskraftanteile für den Bestandsabbau zur Verfügung, so dass unter Zugrundelegung der Personalbedarfsberechnung für das Jahr 2018 noch gut 2 Arbeitskraftanteile zusätzlich für die Dauer von zwei Jahren erforderlich wären. Nach der Personalbedarfsberechnung für 2019 besteht ein Personalbedarf in Höhe von nunmehr lediglich 44,12 Arbeitskraftanteilen, so dass nach der aktuellen Berechnung dem Landgericht rechnerisch bereits 5,07 Arbeitskraftanteile für den Bestandsabbau zur Verfügung stehen. Mithin wäre nun noch gut 1 Arbeitskraftanteil zusätzlich für die Dauer von zwei Jahren erforderlich. Frage 10: Welcher zusätzliche Personalbedarf würde durch die Personalbedarfsplanungssoftware festgestellt werden, wenn 50 % der gesamten Altbestände als zusätzlicher Neuzugang in einem Jahr zugrunde gelegt werden würden? zu Frage 10: Bei dem Landgericht Potsdam wäre ungefähr 1 Arbeitskraftanteil zusätzlich erforderlich. Zur Begründung wird auf die Antwort zur Frage 9 verwiesen. Frage 11: Welcher zusätzliche Personalbedarf würde durch die Personalbedarfsplanungssoftware PEBB§Y festgestellt werden, wenn die gesamten Altbestände als zusätzlicher Neuzugang in einem Jahr zugrunde gelegt werden würden? zu Frage 11: Bei dem Landgericht Potsdam wären ungefähr 2 Arbeitskraftanteile zusätzlich erforderlich. Zur Begründung wird auf die Antwort zur Frage 9 verwiesen. Frage 12: Wie viele Richter werden innerhalb der kommenden fünf Jahre pensioniert? (Bitte aufschlüsseln nach Gerichtszweig und Jahr.) zu Frage 12: Bezogen auf das Landgericht Potsdam werden in den nächsten fünf Jahren insgesamt 6 Richterinnen und Richter pensioniert. Die Aufschlüsselung der Altersabgänge nach Jahren ergibt sich aus der nachstehenden Übersicht. Eine Aufschlüsselung nach Gerichtszweig ist nicht möglich, da die Stellenzuweisung an den Präsidenten des Bran- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11259 - 5 - denburgischen Oberlandesgerichts erfolgt. Dieser verantwortet die Binnenverteilung zwischen den Gerichten seines Geschäftsbereichs. Ferner erfolgt in keinem Fall die Zuweisung von Stellen an die „Zivil- oder Strafgerichtsbarkeit“. Jahr Anzahl 2019 1 2020 2 2021 0 2022 0 2023 1 2024 2 Gesamt: 6