Datum des Eingangs: 13.04.2015 / Ausgegeben: 20.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1128 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 395 der Abgeordneten Steeven Bretz und Kristy Augustin der CDU-Fraktion Drucksache 6/860 Wohnungsbordelle in Wohngebieten in der Landeshauptstadt Potsdam Wortlaut der Kleinen Anfrage 395 vom 12.03.2015: Prostitution ist in Deutschland keine Straftat. Das Bundesverfassungsgericht in Karls- ruhe hat im Jahr 2009 jedoch klargestellt, dass Bordelle in Wohngebieten ausnahms- los untersagt werden können, wenn sie in einem ausgewiesenen Sperrgebiet eröffnet wurden. Für den Erlass einer Sperrgebietsverordnung genügen mögliche Beeinträch- tigungen für das Umfeld, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 17.12.2014 geurteilt hat. Die Stadt müsse durch Steuerung der Prostitution dafür sorgen können, dass der Jugendschutz sowie die Wahrung des öffentlichen Anstan- des gesichert bleiben, entschieden die Bundesrichter. Verschiedene Wohnungsbordelle in Wohngebieten (Stadtteile Drewitz und Schlaatz) wurden/werden laut Presseberichten in den letzten Monaten in der Landeshauptstadt Potsdam betrieben. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Kenntnis hat die Landesregierung von legalen und illegalen Bordellen in der Landeshauptstadt Potsdam? 2. Was gedenkt die Landesregierung gegen Wohnungsbordelle zu unternehmen? 3. Inwieweit hält die Landesregierung das Erlassen von Sperrgebietsverordnungen für ein geeignetes Mittel, um Wohnungsbordelle, erotische Massagesalons u. ä. zu untersagen (bitte ausführlich)? 4. Inwiefern kann das Bauplanungsrecht den Betrieb von Wohnungsbordellen, die das Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO verletzen, verbieten? 5. Welche weiteren Handlungsmöglichkeiten hat eine Kommune aus Sicht der Landesregierung , um Wohnungsbordelle zu verhindern? 6. Welcher zusätzliche Handlungsspielraum erwächst den Städten und Kommunen aus Sicht der Landesregierung durch die bundesgesetzliche Novellierung des Prostitutionsgesetzes (insbesondere die Anmelde- und Erlaubnispflicht von Bordellen ) in Bezug auf die Existenz von illegalen Wohnungsbordellen? 7. Inwieweit kann aus Sicht der Landesregierung eine verstärkte polizeiliche Präsenz in Wohngebieten Wohnungsbordelle verhindern oder beseitigen helfen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Kenntnis hat die Landesregierung von legalen und illegalen Bordellen in der Landeshauptstadt Potsdam? zu Frage 1: Nach Auskunft der Stadtverwaltung sind in der Landeshauptstadt keine Bordelle ge- werberechtlich angezeigt. Illegale Bordelle sind nicht bekannt. Frage 2: Was gedenkt die Landesregierung gegen Wohnungsbordelle zu unternehmen? Frage 3: Inwieweit hält die Landesregierung das Erlassen von Sperrgebietsverordnungen für ein geeignetes Mittel, um Wohnungsbordelle, erotische Massagesalons u. ä. zu un- tersagen (bitte ausführlich)? zu Fragen 2 und 3: Prostitution ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht verboten. Nach Artikel 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) kann die Landesregierung zum Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstandes für bestimmte Gebiete durch Rechtsverordnung verbieten, der Prostitution nachzugehen. Sie kann das Ver- bot für bestimmte Orte oder Gebiete auch auf bestimmte Tageszeiten beschränken. Der Minister des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg ist durch die Verordnung zur Bestimmung der für den Erlass von Rechtsverordnungen nach Arti- kel 297 EGStGB zuständigen Verwaltungsbehörde ermächtigt, eine solche „Sperrbe- zirksverordnung“ zu erlassen. Da eine hinreichende Begründung zum Erlass einer Sperrbezirksverordnung bisher nicht gesehen wurde, wurde von dieser Verord- nungsermächtigung bislang kein Gebrauch gemacht. Mit Inkrafttreten des Prostituiertengesetzes vom 20. Dezember 2001 ist die Prostitu- tion nicht mehr als sittenwidrig anzusehen. Eine Sperrbezirksverordnung auf der Grundlage des Artikels 297 EGStGB könnte nach Einschätzung des Ministers des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg somit nur noch „zum Schutz der Jugend“, nicht jedoch „zum Schutz des öffentlichen Anstandes“ erlassen werden. Da Prostituierte in Wohnungsbordellen und erotischen Massagesalons jedoch in der Regel gerade nicht nach außen in Erscheinung treten, ist eine Gefährdung nicht zu erwarten. Demzufolge wird eine Sperrbezirksverordnung nicht als ein geeignetes Mittel zur Un- terbindung von Wohnungsprostitution gesehen. Frage 4: Inwiefern kann das Bauplanungsrecht den Betrieb von Wohnungsbordellen, die das Rücksichtnahmegebot nach § 15 Abs. 1 BauNVO verletzen, verbieten? zu Frage 4: Im Hinblick auf die Anwendung des Rücksichtnahmegebots ist es wesentlich, in wel- cher Baugebietskategorie sich die Wohnungsbordelle befinden. Für alle Wohngebiete gilt, dass Bordelle und bordellartige Betriebe aufgrund der Un- vereinbarkeit mit der Wohnfunktion generell unzulässig sind. Auch die Wohnungs- prostitution ist eine typischerweise nicht mit einem Wohngebiet vereinbare Nutzung. Nach vorherrschender Rechtsprechung und Literatur sind derartige Betriebe mit städtebaulichen Ordnungszielen, die dem planungsrechtlichen Begriff des Wohnens und des Wohngebietes zugrunde liegen, generell unvereinbar. Insofern kommt das Rücksichtnahmegebot in Wohngebieten gar nicht erst zur Anwendung. In Mischgebieten ist Wohnungsprostitution gemäß § 6 Abs. 2 Nr.4 Baunutzungsver- ordnung (BauNVO) grundsätzlich zulässig. Eine Unzulässigkeit ist im Einzelfall über das Rücksichtnahmegebot zu belegen. Für die Anwendung des Rücksichtnahmege- bots ist also immer eine Einzelfallentscheidung erforderlich, da eine bauplanungs- rechtliche Festlegung in Mischgebieten nicht möglich ist, weil es hier immer um eine Nutzungsmischung geht, die sich erst durch die tatsächliche Nutzungsinanspruch- nahme ergibt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung (BVerfG, Nichtannahme- beschluss vom 28. April 2009, 1 BvR 224/07, juris) aber betont, dass die besondere Schutzwürdigkeit und Sensibilität eines Gebiets ein Verbot prostitutiver Betätigungen rechtfertigen kann. Eine solche Schutzwürdigkeit könne etwa bei einem Gebiet mit hohem Wohnanteil gegeben sein. Auch wenn die Prostitutionsausübung deutlich we- niger wahrnehmbar sei, wie etwa im Falle der Wohnungsbordelle, könnten Belästi- gungen der Anwohner, insbesondere Unruhe und andere Begleiterscheinungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dies kann unter Anwendung des Rücksichtnah- megebots dazu führen, dass ein bordellartiger Betrieb in einem wesentlich auch dem Wohnen dienenden Mischgebiet nicht genehmigungsfähig ist. (OVG Koblenz, Be- schluss vom 16. September 2013 – 8 A 10560/13 –, juris). Dies ist aber immer eine Entscheidung des Einzelfalls und kann nicht als genereller Verbotstatbestand ausge- formt werden. Frage 5: Welche weiteren Handlungsmöglichkeiten hat eine Kommune aus Sicht der Landes- regierung, um Wohnungsbordelle zu verhindern? zu Frage 5: Im Hinblick auf das Bauplanungsrecht hat eine Kommune nur sehr eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten um Wohnungsbordelle zu verhindern. In den unter 4. be- schriebenen Mischgebieten könnte die Kommune allenfalls eine Überplanung von den Teilen des Mischgebiets zu einem Wohngebiet vornehmen, die wesentlich von Wohnnutzung geprägt sind. Dadurch wäre die Wohnungsprostitution unzulässig. Frage 6: Welcher zusätzliche Handlungsspielraum erwächst den Städten und Kommunen aus Sicht der Landesregierung durch die bundesgesetzliche Novellierung des Prostituti- onsgesetzes (insbesondere die Anmelde- und Erlaubnispflicht von Bordellen) in Be- zug auf die Existenz von illegalen Wohnungsbordellen? zu Frage 6: Eine offizielle Beschlusslage der Bundesregierung zur Novellierung des Prostituier- tenschutzgesetzes liegt noch nicht vor. Die Landesregierung kann mögliche Auswir- kungen einer Gesetzesänderung erst prüfen, wenn Erkenntnisse zur genauen Aus- gestaltung des Prostituiertenschutzgesetzes vorliegen. Frage 7: Inwieweit kann aus Sicht der Landesregierung eine verstärkte polizeiliche Präsenz in Wohngebieten Wohnungsbordelle verhindern oder beseitigen helfen? zu Frage 7: Es liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor, die belegen, dass eine ver- stärkte polizeiliche Präsenz in Wohngebieten helfen kann, Wohnungsbordelle zu verhindern oder zu beseitigen.