Datum des Eingangs: 15.04.2015 / Ausgegeben: 20.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1143 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 417 der Abgeordneten Marie Luise von Halem und Heide Schinowsky Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/903 Besuch von Erinnerungsorten Wortlaut der Kleinen Anfrage 417 vom 18.03.2015: In der Koalitionsvereinbarung „Sicher, selbstbewusst und solidarisch: Brandenburgs Aufbruch vollenden“ wird auf Seite 63 beschrieben, dass angestrebt wird, dass „jeder Brandenburger Schüler im Laufe seiner Schulzeit wenigstens einmal sowohl einen Gedenkort der Opfer des Nationalsozialismus als auch der SED-Diktatur besucht“. Diese obligatorischen Besuche sind jedoch bereits seit dem 1.8.2010 im (noch) gülti- gen Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I auf Seite 23 verankert. Andererseits gibt es Hinweise u.a. von Opferverbänden oder Gedenkstättenlehrkräf- ten, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben im Laufe der Schulzeit wenigstens zwei Erinnerungsorte zu besuchen. Dies wurde u.a. auf dem Arbeitstreffen des Ministerpräsidenten mit den Vertretern von SED- Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen am 24.11.2014 thematisiert. Wir fragen die Landesregierung: 1) Welche Ressourcen stehen den Brandenburger Schulen für diese Besuche zur Verfügung? (Bitte nach VZE, Personen, Sachkostenbudget und Reisekos- tenbudget für die Schulen aufteilen) 2) Wie wird sichergestellt, dass auch wirklich die Schülerinnen und Schüler im Laufe der Schulzeit wenigstens zwei Erinnerungsorte besuchen? Gibt es hier- über Übersichten oder Statistiken im Bildungsministerium? 3) Wie wirkt die Landesregierung darauf hin, dass Lehrkräfte die curricular ver- ankerten Besuche von Erinnerungsorten mit ihren Schülerinnen und Schülern vornehmen? 4) Wie ist die in der Koalitionsvereinbarung oben genannte Vereinbarung zu den Besuchen an Gedenkorten in den neuen Rahmenlehrplänen untersetzt? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Ressourcen stehen den Brandenburger Schulen für diese Besuche zur Ver- fügung? (Bitte nach VZE, Personen, Sachkostenbudget und Reisekostenbudget für die Schulen aufteilen) Zu Frage 1: Für die Erstattung von Fahrtkosten, die im Zusammenhang mit Gedenkstättenfahrten von Schülergruppen anfallen, wurden und werden im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport keine Mittel vorgesehen. Die Förderung von Schulfahrten ist Angelegen- heit der Schulträger. Inwieweit diese in der Vergangenheit Mittel bereitgestellt haben, ist der Landesregierung nicht bekannt. Die Lehrkräfte können die den Schulen zur Verfügung stehenden Reisekostenbudgets in Anspruch nehmen. Aktuell sind 13 Gedenkstättenlehrkräfte in einem Umfang von 135 Lehrerwochen- stunden an verschiedenen Gedenkorten des Landes eingesetzt. Die Angebote der Gedenkstättenlehrkräfte sind für Schulklassen und Lehrkräfte im Rahmen von Lehr- kräftefortbildungen kostenfrei. Die Gedenkstättenlehrkräfte stellen sicher, dass die Unterrichtsprojekte und Lehrkräftefortbildungen an den Gedenkorten attraktiv und nachhaltig sind. Frage 2: Wie wird sichergestellt, dass auch wirklich die Schülerinnen und Schüler im Laufe der Schulzeit wenigstens zwei Erinnerungsorte besuchen? Gibt es hierüber Über- sichten oder Statistiken im Bildungsministerium? Frage 3: Wie wirkt die Landesregierung darauf hin, dass Lehrkräfte die curricular verankerten Besuche von Erinnerungsorten mit ihren Schülerinnen und Schülern vornehmen? Zu den Fragen 2 und 3: Die Landesregierung führt keine Erhebungen zu Exkursionen brandenburgischer Schülergruppen zu außerschulischen Lernorten durch. Der aktuell gültige Rahmenlehrplan für die Sekundarstufe I sieht für die beiden Dop- peljahrgangsstufen im Unterricht der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer den Besuch von mindestens zwei außerschulischen Lernorten vor. Für das Fach Ge- schichte wird der Besuch von Gedenkstätten, Museen, Ausstellungen oder histori- schen Orten nahegelegt. Eine Verbindlichkeit in der Wahl der außerschulischen Lernorte besteht nicht. Die Landesregierung vertraut darauf, dass Schulen im Rah- men ihrer Selbstständigkeit auch an dieser Stelle verantwortlich handeln und didak- tisch sinnvolle Entscheidungen treffen. Die Rahmenlehrpläne geben Themen und Inhalte verbindlich vor, schränken aber die Entscheidungsfreiheit der Lehrkräfte in der Wahl der didaktischen Mittel, diese Inhal- te im Unterricht zu thematisieren, nicht ein. Eine Einschränkung der Entscheidungs- freiheit bei der Wahl der didaktischen Mittel würde dem Anspruch von historischer und politischer Bildung in der Demokratie nicht gerecht. Die Landesregierung hat im Themenfeld „Erinnerung“ viel unternommen. So unter- stützen die Gedenkstättenlehrkräfte beispielsweise Schulen, ausgehend von der Ge- schichte des jeweiligen Lernortes, bei der Thematisierung von Diktaturgeschichte und Demokratie- sowie Menschenrechtsbildung. Zu den Angeboten der Gedenkstät- tenlehrkräfte gehören u. a. maßgeschneiderte Schülerprojekte am außerschulischen Lernort, Lehrkräftefortbildungen, Anleitung und Unterstützung bei der Durchführung von Zeitzeugengesprächen, Angebote für Seminarkurse, Beratung und Unterstüt- zung von Unterrichtsprojekten in der Schule. Frage 4: Wie ist die in der Koalitionsvereinbarung oben genannte Vereinbarung zu den Besu- chen an Gedenkorten in den neuen Rahmenlehrplänen untersetzt? Zu Frage 4: Der Entwurf des neuen Rahmenlehrplans für die Sekundarstufe I sieht Besuche au- ßerschulischer Lernorte im selben Umfang wie bisher vor. Die Einbeziehung außer- schulischer Lernorte in den Ländern Berlin und Brandenburg soll das historische Verstehen vertiefen. Es wird nahegelegt, z. B. Denkmäler, Gedenkorte, Gedenkstät- ten oder Museen aufzusuchen.