Landtag Brandenburg Drucksache 6/11483 6. Wahlperiode Eingegangen: 29.05.2019 / Ausgegeben: 03.06.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4545 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/11238 Gewässerrandstreifen in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Gewässerrandstreifen dienen der Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen oberirdischer Gewässer, der Wasserspeicherung, der Sicherung des Wasserabflusses sowie der Verminderung von Stoffeinträgen aus diffusen Quellen. An allen Gewässern im Außenbereich gelten laut § 38 Wasserhaushaltsgesetz des Bundes (WHG) fünf Meter breite Gewässerrandstreifen mit wenigen Grundanforderungen an die Landnutzung. Laut WHG sind aber auch nach der Novellierung im vergangenen Jahr weder die Düngung, noch der Einsatz von Pestiziden eingeschränkt. Den Ländern wird im WHG eingeräumt, breitere Gewässerrandstreifen und wirksame Schutzbestimmungen rechtlich festzusetzen. Diese Regelung zu den Gewässerrandstreifen sind besonders bedeutsam, um die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) erreichen zu können. Diese sehen vor, dass die Oberflächengewässer spätestens bis zum Jahr 2027 einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen sollen. Die letzte Novellierung des Brandenburger Wassergesetzes sieht die Einrichtung von Gewässerrandstreifen an Brandenburger Oberflächengewässern lediglich mittels Rechtsverordnung vor. In Gewässern oder Gewässerabschnitten in gutem chemischen und ökologischen Zustand dürfen trotz EU-Verschlechterungsverbot weiterhin Düngemittel wie Gülle und auch Pestizide nahe der Böschungsoberkante ausgebracht werden. Die Bestimmungen für Gewässerrandstreifen durch Rechtsverordnung erfordern komplexe, zeitlich und personell aufwendige Verordnungsgebungsverfahren. Zusätzlich soll vor Beginn solcher Verfahren noch geprüft werden, ob der Zweck von Gewässerrandstreifen durch freiwillige Vereinbarungen mit den Grundstückseigentümern oder Nutzern erreicht werden kann. Damit müssen zwei komplexe Verfahrensstufen eingehalten werden, bevor eine Verordnung rechtskräftig wird. Vorbemerkung der Landesregierung: Maßgebliche Grundlagen zur Umsetzung der WRRL im Land Brandenburg sind die veröffentlichten Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme für die Flussgebietseinheiten Elbe und Oder. Diese umfassen nur die berichtspflichtigen Gewässer, d. h. Fließgewässer ab einer Einzugsgebietsgröße von 10 km² sowie Seen mit einer Wasserfläche größer 50 ha. Wie der Zustand zu bewerten ist, regelt die Oberflächengewässerverordnung (OGewV). So ist der Zustand von der Beschaffenheit verschiedener Parameter abhängig, die in vorgeschriebenen Verfahren einzeln bewertet und gewichtet werden. Maßgebend sind primär die biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten, Phytobenthos sowie Fische und die benthische wirbellose Landtag Brandenburg Drucksache 6/11483 - 2 - Fauna. Die am schlechtesten bewertete Biokomponente bestimmt dabei letztendlich die ökologische Zustandsklasse des Gewässers. Unterstützend herangezogen werden hydromorphologische und physikalisch-chemische Qualitätskomponenten wie Gewässerstruktur , Wasserhaushalt, Durchgängigkeit, Sauerstoffhaushalt, Salzgehalt, pH-Wert, Wassertemperatur und Nährstoffe. Die vorgenannten Dokumente einschließlich der Karten zu Gebietskulissen sowie die Bewertungsverfahren sind im Internet auf den Seiten von MLUL, der Flussgebietsgemeinschaften und LAWA verfügbar. In Brandenburg befinden sich derzeit nur wenige berichtspflichtige Gewässer in einem guten oder sehr guten Zustand. Die Gewässer im mäßigen bis schlechten Zustand mit der Verpflichtung gemäß WRRL Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen, weisen hauptsächlich strukturelle Defizite und zu hohe Nährstoffeinträge auf. Mit der Einrichtung von Gewässerrandstreifen kann diesen Hauptbelastungen wirksam entgegnet werden, denn sie schaffen Raum für eine notwendige natürliche Entwicklung der Gewässer, sind Pufferzonen gegen den Eintrag von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln und bewirken einen Erosionsschutz gegen schädliche Bodeneinträge. Frage 1: Wieviel Prozent der oberirdischen Gewässer in Brandenburg befinden sich nach letztem Kenntnisstand in schlechtem Zustand i. S. d. § 27 WHG und welche Länge (in km) von Gewässerrandstreifen mit strengeren Schutzbestimmungen sind demnach jeweils nötig (Bitte um Auflistung nach Landkreisen sowie gesamt)? zu Frage 1: Brandenburg hat ein Fließgewässernetz von fast 32.000 km Länge und mehr als 3000 Seen. Eine Bewertung des Zustands erfolgt nur für berichtspflichtige Gewässer, d.h. landesweit 1.364 Fließgewässerabschnitte sowie 190 Seen. Nachfolgend sind die Anteile aller berichtspflichtigen Gewässer im mäßigen bis schlechten Zustand aufgelistet, für die in den letzten aktualisierten Bewirtschaftungsplänen 2015 der Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) und der Koordinierten Flussgebietseinheit Oder (KFGE Oder) im brandenburgischen Anteil als Maßnahme die Einrichtung von Gewässerrandstreifen gemeldet wurde. Bei der Ausweisung der Maßnahmen wurden nur direkt am Gewässer liegende erosionsgefährdete Flächen berücksichtigt. (-) bedeutet keine Meldung Landkreis Fließgewässer „nicht gut“ (%) Seen „nicht gut“ (%) Fließgewässer mit Randstreifen nach Maßnahmenprogramm WRRL (km) Seeufer mit Randstreifen nach Maßnahmenprogramm WRRL (km) Barnim 98,9 87,5 302 11 Brandenburg an der Havel 87,1 100 25 8 Cottbus 100 - 81 - Dahme-Spreewald 98,1 90,9 462 - Elbe-Elster 100 - 189 - Frankfurt (Oder) 100 - 45 - Havelland 95,3 100 430 - Märkisch-Oderland 92,5 62,5 278 - Oberhavel 98 72,2 433 - Oberspreewald-Lausitz 100 - 83 - Landtag Brandenburg Drucksache 6/11483 - 3 - Landkreis Fließgewässer „nicht gut“ (%) Seen „nicht gut“ (%) Fließgewässer mit Randstreifen nach Maßnahmenprogramm WRRL (km) Seeufer mit Randstreifen nach Maßnahmenprogramm WRRL (km) Oder-Spree 90,2 100 313 54 Ostprignitz-Ruppin 93,3 92,3 419 60 Potsdam 100 100 24 6 Potsdam-Mittelmark 79,7 85,7 182 - Prignitz 85,5 100 350 8 Spree-Neiße 100 100 119 - Teltow-Fläming 97,2 100 238 9 Uckermark 97,1 82,9 545 95 gesamt km: 4.518 gesamt km: 251 Frage 2: Welche Maßnahmen des wasserrechtlichen Vollzuges und welche wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren wurden für die Einhaltung des Verschlechterungsverbotes seit Inkrafttreten der Wassergesetzesnovelle und im Jahr zuvor umgesetzt (Bitte um Auflistung nach Landkreisen)? zu Frage 2: Für den wasserrechtlichen Vollzug sind die Unteren Wasserbehörden in den Landkreisen bzw. die Obere Wasserbehörde im Landesamt für Umwelt (LfU) zuständig. Das Verschlechterungsverbot ist grundsätzlich bei allen Entscheidungen zu beachten, die geeignet sind, sich auf den Gewässerzustand auszuwirken. Anzahl und Inhalt aller wasserrechtlichen Verfahren werden statistisch nicht erfasst. Frage 3: Welche Modelle im Rahmen des Kooperationsansatzes zur Einhaltung des Verschlechterungsverbotes fanden seit Inkrafttreten der Wassergesetznovelle Anwendung? Wie viele Kilometer Gewässerrandstreifen konnten dadurch neu ausgewiesen werden? Welcher Schutz wurde bisher auf diesen Gewässerrandstreifen erzielt? Auf wie vielen dieser Gewässerrandstreifen wurde die Ausbringung von Düngemitteln und Pestiziden beschränkt (Bitte um Auflistung nach Landkreisen sowie gesamt)? zu Frage 3: Der Kooperationsansatz zur Schaffung von Gewässerrandstreifen wird derzeit erstmals in zwei Pilotgebieten am Rudower See und am Vielitzsee erprobt. Ein aktueller Sachstand wird für den 50. Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (ALUL) am 29.5.2019 vorbereitet. Über den gesetzlich bestehenden Gewässerrandstreifen gemäß § 38 WHG hinaus gibt es keine Festsetzungen. In den Pilotgebieten werden im Rahmen der Kooperation die Grunddienstbarkeit oder Zustimmungserklärung zu Nutzungseinschränkungen bzw. freiwilligem Nutzungsverzicht oder der Flächentausch angeboten. Frage 4: Wie viele pflanzenschutzrechtliche Verstöße und wie viele Verstöße gegen die Düngeverordnung wurden seit Inkrafttreten der Wassergesetzesnovelle und im Jahr zuvor durch das Land erfasst. Wie viele pflanzenschutzrechtliche Verstöße und wie viele Verstöße gegen die Düngeverordnung standen in direktem Zusammenhang mit Gewässerrandstreifen (Bitte jeweils um Auflistung nach Landkreisen)? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11483 - 4 - zu Frage 4: Pflanzenschutzrechtliche Verstöße oder Verstöße gegen die Düngeverordnung werden im Rahmen der Cross-Compliance- und Fachrechtskontrollen geprüft. Die Kontrollen erfolgen für den Bereich Pflanzenschutz im Landesamt für Ländliche Entwicklung , Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) und bezüglich der Düngung in den Fachämtern der jeweiligen Landkreise. Bezogen auf die gesetzlich im Außenbereich festgelegten 5 m Gewässerrandstreifen wurden im Bereich Düngung bei den im Jahr 2017 und 2018 durchgeführten Kontrollen keine Verstöße durch die Vollzugsbehörden festgestellt. Im Bereich Pflanzenschutz wurden im Rahmen der Kontrollen des Pflanzenschutzdienstes im Jahr 2017 in einem Fall und im Jahr 2018 in zwei Fällen Verstöße gegen die pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen (Abstandsauflagen zum Schutz von Gewässern) festgestellt . Frage 5: Im Land Brandenburg gibt es weit über 10.000 km berichtspflichtige Gewässer. Wie viele Verfahren zum Erlassen von Rechtsverordnungen zur Festsetzung wichtiger Gewässerrandstreifen wurden seit Erlass der Wassergesetzesnovelle in welchen Landkreisen umgesetzt? zu Frage 5: Gemäß Brandenburgischem Wassergesetz (BbgWG) hat vor der Festsetzung eines Gewässerrandstreifens durch Rechtsverordnung die Kooperation mit Grundstückseigentümern oder Nutzern Vorrang. Diese werden, wie in Antwort zu Frage 3 dargelegt, anhand verschiedener Umsetzungsangebote zur kooperativen Einrichtung von Gewässerrandstreifen zuerst in den Pilotgebieten und dann darüber hinaus entwickelt. Erst wenn Kooperationen erfolglos bleiben, sind Festsetzungen von Gewässerrandstreifen durch Rechtsverordnung zu prüfen. Frage 6: Wie viele Gewässerrandstreifen befinden sich in Landesbesitz, wie hat sich dies seit der Novelle des Wassergesetzes entwickelt. zu Frage 6: Derzeit verfügt die Landesgewässerverwaltung über ein zur Umsetzung der WRRL gewidmetes Landeseigentum von ca. 3.500 ha. In Arbeit befindliche Anträge an das Ministerium der Finanzen (MdF) zur Bereitstellung von Flächen des Preußeneigentums (geplanter Tausch mit lagerichtigen BVVG-Flächen) sowie aus dem Sondervermögen „Grundstücksfonds Brandenburg“ (BBG-Flächen) umfassen ca. 4.000 ha. Darüber hinaus hat das Land Eigentum an Preußenflächen (ca. 2.500 ha) und Flächen des Grundstücksfonds Brandenburg (ca. 15.000 - 20.000 ha). Der überwiegende Teil dieser Flächen liegt nicht lagerichtig als Randstreifen entlang von Gewässern und kann nur im Rahmen von wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren bzw. Bodenordnungs-/Flurbereinigungsverfahren oder in Verhandlungen mit Eigentümern und Landnutzern lagerichtig getauscht werden.