Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 6. Wahlperiode Eingegangen: 07.06.2019 / Ausgegeben: 12.06.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4578 der Abgeordneten Christina Schade (AfD-Fraktion) Drucksache 6/11382 Schadinsekten im Wald und Insektenschutzprogramm - wie geht das zusammen im Wald? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Der Wald in Brandenburg hat durch Stürme, Schadinsekten , anhaltende Trockenheit und Waldbrände im vergangenen Jahr viele Schäden hinnehmen müssen. Die Forstschädlinge haben den milden Winter gut überstanden. Viele Forstfachleute betonen, dass die Auswirkungen des Jahres 2018 auf den Wald erst in diesem Jahr offen zutage treten werden. Gleichzeitig sammeln mehrere Naturschutzverbände und der Zusammenschluss der Landnutzerverbände, das Forum Natur Brandenburg, in getrennten Kampagnen Unterschriften für mehr Insektenschutz. Vorbemerkung der Landesregierung: Von Schadinsekten im Wald wird nur gesprochen, wenn es zu einer Massenvermehrung einer Insektenart kommt und durch diese Pflanzen, in diesem Fall Waldbäume, massiv geschädigt werden. Insbesondere in den großen, wenig strukturierten Kiefernreinbeständen kommt es immer wieder zu solchen Massenvermehrungen . Die Ursachen liegen in der Biologie der Arten und den sie fördernden Umweltfaktoren , wie z. B. ein üppiges Nahrungsangebot für die Larven sowie günstige Witterungsbedingungen für die Entwicklung der Art. Das Beispiel der aktuellen Massenvermehrung der Nonne zeigt dies deutlich. Die Raupen der Nonne finden mit den Kiefernnadeln ein üppiges Nahrungsangebot. Gleichzeitig fehlen natürliche Gegenspieler, wie Schlupfwespen oder Raupenfliegen. Die Gegenspieler wiederum benötigen Nektar, also blühende Pflanzen, als Nahrung, der oft nicht ausreichend vorhanden ist. Außerdem profitiert die Nonne von warmer, trockener Witterung. Frage 1: Wie prognostiziert die Landesregierung den aktuellen Befall durch Schadinsekten in den Brandenburger Wäldern nach betroffener Fläche und Hauptbaumarten sowie Art der Schadinsekten für das Jahr 2019? Bitte eine Prognose nach Regionen/Landkreisen. zu Frage 1: Der Landesbetrieb Forst Brandenburg hat verschiedene Instrumente und Monitoringverfahren zur Erfassung der Schäden und Schaderreger und Erstellung einer Prognose. Dies sind insbesondere: IT-gestützte Fachverfahren: monatlicher Waldschutzmeldedienst (typische Schäden und Schädlinge werden innerhalb eines Erfassungszeitraums durch die Revierförster erfasst), Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 2 - standardisierte Überwachungsverfahren für Kieferngroßschädlinge, artspezifische Monitoringverfahren in festgestellten Befallsgebieten, Erfassung und Auswertung relevanter Daten im IT-Fachverfahren WebOffice „Waldschutz“, Auswertung aller erfassten Daten und Erstellung von Prognosen. Das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde veröffentlicht regelmäßig im Intranet und Internet unter der Rubrik „Aktuelle Waldschutzinformationen“ die Ergebnisse und gibt Hinweise zur weiteren Überwachung. Für detaillierte Informationen wird auf den nachfolgenden Link verwiesen: https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/WS- Info%2002%202019.pdf Einmal jährlich erfolgt eine Veröffentlichung von bundesweiten Prognosen in der AFZ-Der Wald, aktuell in der Ausgabe 7/2019. In den nachfolgenden Tabellen sind der aktuelle Befall sowie die Gefährdung der wichtigsten Schadinsekten zusammengestellt. Tabelle 1 enthält die nadel- und blattfressenden Schmetterlingsraupen. Von einer Gefährdung des Waldes ist nur auszugehen, wenn die Daten die Prognose „Kahlfraß“ ergeben, d.h. der Nadelverlust bei der Kiefer über 90 % liegen wird. Bei merklichem Fraß (30 bis 50 % Nadelverlust ) und starkem Fraß (Nadelverlust 50 bis 90 %) besitzt die Kiefer in der Regel eine gute Regenerationsfähigkeit. Tabelle 2 enthält das Schadholzaufkommen Januar bis März 2019, verursacht durch die wichtigsten holz- und rindenbrütenden Käfer. Eine Flächenangabe wird hier nicht erfasst. Tabelle 1 Schadinsekt betroffene (Haupt)- Baumart Fläche in ha betroffene Regionen (Oberförsterei) Entwicklung (E) bzw. Prognose (P) der Fraßgefährdung Nonne Kiefer 10.520 Potsdam, Lehnin, Dippmannsdorf , Baruth, Wünsdorf E: nicht absehbar P: merklicher bis starker Fraß, Kahlfraß auf 9.250 ha Forleule Kiefer 125.00 0 Gadow, Lehnin, Dippmannsdorf , Potsdam, Wünsdorf, Baruth, Jüterbog, Königs- Wusterhausen, Luckau, Erkner , Briesen, Herzberg, Hohenleipisch , Calau, Senftenberg , Cottbus, Drebkau E: rückläufig, vereinzelt Fraß, in Gemeinschaft mit Nonne Kiefernspanner Kiefer 44.640 Dippmannsdorf, Jüterbog, Baruth, Senftenberg, Calau E: stark rückläufig, P: lokal merklicher Fraß Kiefernspinner Kiefer 43.740 Dippmannsdorf, Drebkau, Baruth, Königs- Wusterhausen, Luckau, Jüterbog , Herzberg, Calau, Lehnin E: leicht ansteigend P: regional merklicher Fraß, Kiefernbuschhornblattwes - pe Kiefer 104.04 0 Herzberg, Hohenleipisch, Cottbus, Calau, Bundesforst Lausitz, Drebkau P: regional merklicher Fraß Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 3 - Eichenprozessionsspinner , Eichenfraßgemeinschaft Eiche 1.082 Rathenow, Brieselang, Gadow , Bad Wilsnack, Neuendorf , Neustadt, Lehnin E: rückläufig, P: merklicher bis starker Fraß Tabelle 2 Schadinsekt betroffene (Haupt)- Baumart Schadholzaufkommen (gerundet) in m³ betroffene Regionen Entwicklung Blauer Kiefernprachtkäfer Kiefer 19.500 Fichten-, Kiefernund Lärchenbestände im gesamten Land Brandenburg ansteigend Buchdrucker Fichte 66.700 ansteigend Kupferstecher Kiefer 3.000 ansteigend Lärchenborkenkäfer Lärche 3.000 ansteigend Frage 2: Wie prognostiziert die Landesregierung den aktuellen Handlungsbedarf zum Schutz der Wälder nach betroffener Fläche und Hauptbaumarten sowie Art der Schadinsekten für das Jahr 2019. Bitte eine Prognose nach Regionen/Landkreisen zu Frage 2: Aus dem monatlichen Meldedienst, der aktuellen Witterung und der Fachexpertise werden durch das Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde die Prognosen für das Schadgeschehen durch blatt- und nadelfressende Schmetterlingsraupen, Blattkäfer, holz- und rindendbrütende Käfer und pathogene Pilze für die einzelnen Oberförstereien /Regionen abgeleitet. Der Handlungsbedarf ist von den prognostizierten Fraßschäden bzw. Befall und den daraus abzuleitenden Konsequenzen für die betroffene Baumart (z. B. Regenerationsfähigkeit, Befallsdruck durch Folgeschädlinge, Komplexerkrankungen) abhängig . Aus den prognostizierten Fraßschäden bzw. Befall wurde für 2019 u. a. folgender unmittelbarer Handlungsbedarf abgeleitet: die Ausbringung eines Pflanzenschutzmittels gegen die Nonne, Kontrolle der Fichtenbestände auf frischen Borkenkäferbefall und dessen Beseitigung , Entnahme, Abfuhr oder Entrindung von Kiefern, die durch Blaue Kiefernprachtkäfer befallen sind. Frage 3: Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gegen Schadinsekten im Wald in seinen Nebenwirkungen auf Insekten insgesamt und auf geschützte Insektenarten im Detail? Frage 4: Welche Erfahrungen zur Betroffenheit geschützter Insektenarten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Schadinsekten liegen der Landesregierung vor? Zu Frage 3 und 4: Seit rund 20 Jahren werden durch das Landeskompetenzzentrum Eberswalde Untersuchungen zum Einfluss von Störungen (Einsatz von Insektiziden und Kahlfraß) auf Insekten durchgeführt. Es gibt umfangreiche Forschungsergebnisse und Veröffentlichungen dazu. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 4 - Wesentliche Ergebnisse sind: durch den Einsatz von Pflanzenschutzmittel sind langfristige Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen nicht nachweisbar, Kahlfraß bewirkt einen erheblichen Nahrungs- und Habitatverlust für die typischen Waldarten, der Lebensraumverlust wirkt über längere Zeiträume als der Insektizideinsatz, seltene und geschützte Tierarten sind aufgrund der Konkurrenz zu häufigen Arten vom Lebensraumverlust besonders betroffen, der Einfluss von Insektizidanwendungen und Kahlfraß auf die Brutvogelfauna ist gleichermaßen gering; Waldflächen ohne Fraß und Pflanzenschutzmittelbehandlung weisen 80 % Bruterfolg auf, behandelte Flächen und Fraßflächen jeweils 70 %. Frage 5: Wie hat sich der Befall durch Schadinsekten nach Art der Schadinsekten, befallene Hauptbaumarten, Fläche des Befalls und Kosten der Schädlingsbekämpfung sowie der Wiederaufforstung in den Jahren 2015 bis 2018 jährlich entwickelt? Bitte in Tabellenform nach Regionen/Landkreisen. Zu Frage 5: Von den Schadinsekten Buchdrucker und Kupferstecher sind vor allem Fichtenbestände betroffen. Kiefernborkenkäfer, Kiefernprachtkäfer und Waldgärtner befallen vornehmlich Kiefernbestände. Nonne, Forleule, Kiefernspanner, Kiefernspinner, Kiefernbuschhornblattwespe sind sogenannte Kieferngroßschädlinge. In den nachfolgenden Tabellen ist der Befall der wichtigsten Schadinsekten für die Jahre 2015 bis 2018 aufgeführt. Für die blatt- und nadelfressenden Insekten ist der Schadensumfang als Fläche dargestellt, für die holz- und rindenzerstörenden Käfer in Festmetern (Fm). 2015 Schadinsekt Befallsumfang betroffene Regionen (Oberförstereien) Fm ha Buchdrucker* 5.775 Fichten-, Kiefern- und Lärchenbestände im gesamten Land Brandenburg Kupferstecher 547 Kiefernborkenkäfer, Zwölfzähniger 645 Waldgärtner, Großer und Kleiner 1.161 Kiefernprachtkäfer, Blauer* 5.152 Lärchenborkenkäfer, Großer* 974 Nonne 70 Calau Forleule 0 Kiefernspanner 0 Kiefernspinner 52 Lehnin, Briesen, Cottbus Kiefernbuschhornblattwespen 40 Hohenleipisch Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 5 - * Die Angaben beziehen sich auf den Erfassungszeitraum 1.6.2014 bis 30.5.2015 2016 Schadinsekt Befallsumfang betroffene Regionen (Oberförstereien) Fm ha Buchdrucker* 5.427 Fichten-, Kiefern- und Lärchenbestände im gesamten Land Brandenburg Kupferstecher 1.414 Kiefernborkenkäfer, Zwölfzähniger 437 Waldgärtner, Großer und Kleiner 568 Kiefernprachtkäfer, Blauer* 7.339 Lärchenborkenkäfer, Großer* 520 Nonne 0 Forleule 0 Kiefernspanner 0 Kiefernspinner 0 Kiefernbuschhornblattwespen 23.20 4 Herzberg, Hohenleipisch, Luckau, Calau Eichenprozessionsspinner 1.051 Rathenow, Brieselang, Baruth, Bad Wilsnack, Neuruppin, Neustadt, Gadow *Die Angaben beziehen sich auf den Erfassungszeitraum 1.6.2015 bis 30.5.2016 2017 Schadinsekt Befallsumfang betroffene Regionen (Oberförstereien) Fm ha Buchdrucker* 29.476 Fichten-, Kiefern- und Lärchenbestände im gesamten Land Brandenburg Kupferstecher 1.414 Kiefernborkenkäfer, Zwölfzähniger 336 Waldgärtner, Großer und Kleiner 1.060 Kiefernprachtkäfer, Blauer* 8.919 Lärchenborkenkäfer, Großer* 480 Nonne 0 Forleule 0 Kiefernspanner 0 Kiefernspinner 0 Eichenprozessionsspinner 2.189 Gadow, Bad Wilsnack, Neustadt, Neuruppin , Rathenow, Brieselang, Baruth Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 6 - Kiefernbuschhornblattwespen 1 Hohenleipisch Eichenprozessionsspinner 832 Rathenow, Brieselang, Gadow, Bad Wilsnack, Neuendorf, Neustadt, Lehnin * Die Angaben beziehen sich auf den Erfassungszeitraum 1.6.2016 bis 30.5.2017 Schadensumfang 2017 Schadinsekt Schadensumfang betroffene Regionen (Oberförstereien ) Fm ha Buchdrucker* 27.560 Fichten-, Kiefern- und Lärchenbestände im gesamten Land Brandenburg Kupferstecher 2.758 Kiefernborkenkäfer, Zwölfzähniger 5.254 Waldgärtner, Großer und Kleiner 6.258 Kiefernprachtkäfer, Blauer* 7.398 Lärchenborkenkäfer, Großer* 439 Nonne 2.000 Dippmannsdorf, Potsdam, Baruth, Lehnin Forleule 5.054 Lehnin, Potsdam, Wünsdorf, Baruth, Jüterbog, Königs-Wusterhausen, Luckau, Herzberg, Hohenleipisch, Calau, Drebkau, Kiefernspanner 0 Kiefernspinner 506 Potsdam, Baruth, Dippmannsdorf Kiefernbuschhornblattwespen 40 Hohenleipisch Eichenprozessionsspinner 838 Rathenow, Brieselang, Gadow, Bad Wilsnack, Neuendorf, Neustadt, Lehnin *Die Angaben beziehen sich auf den Erfassungszeitraum 1.6.2017 bis 30.5.2018 In der nachfolgenden Tabelle sind die Kosten der Befliegung dargestellt sowie die Oberförstereien , die von der PSM-Maßnahme betroffen waren. Jahr Kosten in € Oberförstereien 2015 327.071 Bad Wilsnack, Calau, Cottbus, Gadow, Lehnin, Neuruppin, Neustadt , Rathenow 2016 287.957 Bad Wilsnack, Baruth, Brieselang, Hohenleipisch, Herzberg, Neuruppin , Neustadt, Rathenow 2017 21.935 Brieselang, Neuruppin, Neustadt, Rathenow 2018 82.088 Calau, Dippmannsdorf, Lehnin, Rathenow Landtag Brandenburg Drucksache 6/11569 - 7 - Zu den Kosten für Wiederaufforstungsmaßnahmen auf Schadflächen liegen der Landesregierung keine Angaben vor. Frage 6: Auf welchen gesetzlichen Grundlagen und durch welche Maßnahmen erfolgt der Schutz der Wälder vor Schadinsekten? Zu Frage 6: Der Schutz der Wälder vor Schadinsekten erfolgt auf folgender gesetzlicher Grundlage: Waldgesetz des Landes Brandenburg (LWaldG, hier insbesondere §19). Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz-PflSchG), hier insbesondere § 18. Die Maßnahmen sind abhängig von den erwarteten Schäden (siehe hierzu auch Antwort zu Frage 2). Zur Vorbeugung von Schäden werden insbesondere Maßnahmen ergriffen, die einen gut strukturierten, mehrstufigen Mischwald schaffen. Frage 7: Auf welchen gesetzlichen Grundlagen und durch welche Maßnahmen erfolgt der Schutz der Wälder vor Schadinsekten in Schutzgebieten? Zu Frage 7: Beim Schutz der Wälder vor Schadinsekten in Schutzgebieten sind zu beachten : Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz- BNatSchG), hier insbesondere § 34 FFH-Verträglichkeit sowie die Regeln der jeweiligen Schutzgebietsverordnungen, Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG) sowie die Regeln der jeweiligen Wasserschutzgebietsverordnungen . Die Maßnahmen sind abhängig von den gesetzlichen Vorgaben (z. B. Regelungen in den Schutzgebietsverordnungen) und den erwarteten Schäden. Frage 8: Ist das Regierungshandeln zum Schutz der Wälder vor Schadinsekten von der Eigentumsform der Wälder beeinflusst? Wenn ja, in welcher Weise? Zu Frage 8: Nein. Frage 9: Wer muss die Bekämpfung von Schadinsekten im Wald beantragen und die Kosten tragen? (bitte aufteilen nach Eigentumsarten) Zu Frage 9: Der Schutz des Waldes obliegt dem Waldbesitzer. Für Maßnahmen zum Schutz des Waldes aus der Luft sind umfangreiche logistische Vorbereitungen und Abstimmungen mit anderen Behörden erforderlich, die ein einzelner Waldbesitzer in der Regel nicht leisten kann. In diesem Fall wird der Landesbetrieb Forst Brandenburg für den Waldbesitzer tätig und beantragt die erforderlichen Genehmigungen. Dem Waldbesitzer wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über die Durchführung der Maßnahme angeboten. Die Kosten für die Maßnahme trägt, unabhängig von der Eigentumsform, der Waldbesi tzer .