Datum des Eingangs: 13.11.2014 / Ausgegeben: 18.11.2014 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/116 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 18 des Abgeordneten Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/45 Bedrohungslage durch religiös motivierten Terrorismus in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage vom 15.10.2014 : Die extremistische Miliz Islamischer Staat (IS) versucht nach aktuellen Medienberich- ten, sogenannte „Terrorkommandos“ als Flüchtlinge getarnt mit dem Ziel nach West- europa und Deutschland zu schleusen, um dort terroristische Anschläge zu verüben. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen zudem davon aus, dass inzwischen rund 450 radikalisierte Muslime aus Deutschland in Richtung Syrien ausgereist sind, um sich dort am Kampf des IS zu beteiligen oder die Miliz zu unterstützen. Etwa 150 da- von sollen zwischenzeitlich wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein. Nach Aus- kunft des Bundesinnenministeriums steht Deutschland weiter im Fokus des religiös motivierten Terrorismus und es besteht eine abstrakt hohe Gefährdung für die innere Sicherheit. Nach Protesten gegen den Terror der extremistischen Miliz Islamischer Staat (IS) und die Unterdrückung von Kurden im Nahen Osten kam es in Hamburg und anderen deutschen Städten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und mutmaßlich salafistischen Muslimen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung ergriffen, um die Ein- schleusung von sog. „Terrorkommandos“ bzw. gewaltbereiten Islamisten in Auf- nahmeeinrichtungen für Asylsuchende und Flüchtlinge innerhalb des Landes Brandenburg zu erkennen und zu verhindern? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Bedrohungslage durch religiös motivierte Terroristen und insbesondere gewaltbereite Salafisten für die innere Sicherheit des Landes Brandenburg? 3. Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung ergriffen, um die Begehung von Straftaten durch religiös motivierte Terroristen und insbesondere gewaltberei- te Salafisten im Land Brandenburg zu verhindern? 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten der extremistischen Miliz Islamischer Staat (IS) innerhalb Bran- denburgs vor? Wie viele Personen werden der Gruppierung jeweils als Mitglied, Anhänger oder Sympathisant in Brandenburg zugerechnet? 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten der islamistischen Bewegung des Salafismus innerhalb Branden Brandenburgs vor? Wie viele Personen werden der Gruppierung jeweils als Mit- glied, Anhänger oder Sympathisant in Brandenburg zugerechnet? 6. Wie viele Personen waren innerhalb der letzten 3 Jahre und wie viele sind gegen- wärtig von der Polizei des Landes Brandenburg als „Gefährder“ und wie viele Per- sonen als „relevante Personen“ im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Islamismus“) eingestuft? 7. Findet gegenwärtig ein anlassbezogener Informationsaustausch der Sicherheits- behörden Brandenburgs mit Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer Bun- desländer zu einem oder mehreren „Gefährdern“ oder „relevanten Personen“ statt, die von der Polizei des Landes Brandenburg im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Islamismus“) als solche eingestuft wurden? 8. Wie viele von allen Landeskriminalämtern der Bundesrepublik als „Gefährder“ o- der „relevante Personen“ im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Is- lamismus“) eingestufte Personen halten sich nach den gegenwärtigen Erkenntnis- sen der Sicherheitsbehörden regelmäßig in Brandenburg auf bzw. pflegen regel- mäßige Verbindungen zu in Brandenburg aufhältigen Personen? 9. Wie viele Bedienstete werden gegenwärtig innerhalb des Verfassungsschutzes Brandenburg ausschließlich im Phänomenbereich des religiös motivierten Extre- mismus („Islamismus“) verwendet? Sind insoweit Veränderungen geplant? Wenn ja, welche? 10. Wie viele Bedienstete werden gegenwärtig innerhalb der Polizei Brandenburg ausschließlich im Phänomenbereich des religiös motivierten Extremismus („Is- lamismus“) verwendet? Sind insoweit Veränderungen geplant? Wenn ja, welche? 11. Wie viele Islamwissenschaftler und wie viele Übersetzer der arabischen und rus- sischen Sprachgruppen sind beim Verfassungsschutz Brandenburg und wie viele bei der Polizei Brandenburg seit wann beschäftigt? Sind insoweit jeweils Verände- rungen geplant? Wenn ja, welche? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Im Hinblick auf die Beantwortung von Fragen zu konkreten Zahlen wird sich den Be- gründungen in der Beantwortung der Bundesregierung (DS 18/917 vom 25.03.2014) und der darauf bezugnehmenden Beantwortung des Thüringer Innenministeriums (DS 5/7838 vom 28.05.2014) zur Freigabe detaillierter Daten in diesem Themenzu- sammenhang angeschlossen. Demnach tritt, trotz der grundsätzlichen verfassungs- rechtlichen Pflicht Informationsansprüche zu erfüllen, nach konkreter Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter die berechtig- ten Geheimhaltungsinteressen bei der polizeilichen Gefahrenabwehr und zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen zurück. Frage 1: Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung ergriffen, um die Einschleu- sung von sog. „Terrorkommandos“ bzw. gewaltbereiten Islamisten in Aufnahmeein- richtungen für Asylsuchende und Flüchtlinge innerhalb des Landes Brandenburg zu erkennen und zu verhindern? zu Frage 1: Die Sicherheitsbehörden des Landes Brandenburg setzen neben einer intensiven Bearbeitung konkreter Sachverhalte auf eine gezielte Sensibilisierung der Mitarbeiter in den Ausländerbehörden sowie den Asylbewerber- und Übergangswohnheimen. Die dortigen Mitarbeiter wurden durch zusätzliche Sensibilisierungen in die Lage ver- setzt, verdächtige Personen und Radikalisierungserscheinungen sowie daraus ent- stehende Gefahren frühzeitig zu erkennen und an die Sicherheitsbehörden weiterzu- leiten. Hinweise auf eine Einschleusung von sog. „Terrorkommandos“ bzw. gewaltbereiten Islamisten in Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende und Flüchtlinge des Landes Brandenburg liegen der Landesregierung gegenwärtig nicht vor. Bei Auffälligkeiten, Beobachtungen und Hinweisen von Seiten der Mitarbeiter, Sozialbetreuer oder Be- wohner der Erstaufnahmeeinrichtung, die auf eine religiös motivierte Gewaltbereit- schaft einzelner Bewohner oder Besucher hindeuten, wird die Polizeibehörde durch die Leitung der ZABH informiert. Frage 2: Wie bewertet die Landesregierung die Bedrohungslage durch religiös motivierte Ter- roristen und insbesondere gewaltbereite Salafisten für die innere Sicherheit des Lan- des Brandenburg? zu Frage 2: Bisher nutzen islamistisch-terroristische Organisationen Deutschland in erster Linie als Rückzugsraum für die finanzielle und logistische Unterstützung des islamisti- schen Terrorismus sowie als Rekrutierungsraum für den globalen Jihad. Terroristi- sche Aktivitäten hier in Deutschland würden dem zuwider laufen. Gleichwohl steht die Bundesrepublik mit ihren Einrichtungen und ihren Bürgern unverändert im erklär- ten Zielspektrum internationaler jihadistischer Organisationen. Eine hohe abstrakte Gefährdung Deutschlands besteht insbesondere durch mögliche Einzeltäter oder autonom agierende Gruppen, die nicht notwendigerweise eine orga- nisatorische Anbindung an eine islamistisch-terroristische Organisation haben müs- sen. Insbesondere von Rückkehrern aus Jihadgebieten, die an Kampfhandlungen beteiligt waren, geht eine hohe abstrakte Gefährdung aus. Bisher gehen die Sicherheitsbehörden von etwa 450 Islamisten aus Deutschland aus, die sich in Syrien oder im Irak aufhalten oder aufgehalten haben. Die Zahl der Personen, von denen bekannt ist, dass sie ihren Wohnsitz im Land Brandenburg hat- ten, bevor sie ausgereist sind, befindet sich noch im niedrigen einstelligen Bereich. Konkrete Gefährdungserkenntnisse für die innere Sicherheit des Landes Branden- burg liegen den Landessicherheitsbehörden jedoch aktuell nicht vor. Frage 3: Welche Maßnahmen wurden von der Landesregierung ergriffen, um die Begehung von Straftaten durch religiös motivierte Terroristen und insbesondere gewaltbereite Salafisten im Land Brandenburg zu verhindern? zu Frage 3: Die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik und des Landes Brandenburg war bis- lang in der Lage, der Herausforderung durch gewaltbereite Salafisten und islamisti- sche Terroristen erfolgreich zu begegnen. Insbesondere der enge Informationsaus- tausch zwischen allen Sicherheitsbehörden (z. B. „Gemeinsame Terrorismusabwehr- zentrum“ (GTAZ) in Berlin) gewährleitet, dass Straftaten konsequent verfolgt werden. Präventiv ist die Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes tätig: Die Veranstal- tungsreihe „IRIS – Integration, Ausländerfeindlichkeit und islamistischer Extremis- mus“ informiert Vertreter von Justiz, Verwaltung und Öffentlichkeit über Erschei- nungsformen und Gefahren des Islamismus. Die Veranstaltungsreihe IRIS II wendete sich speziell an die Ausländerbehörden sowie Betreiber von Asylbewerberheimen. Auch auf der Website des Verfassungsschutzes wird über den Islamismus und is- lamistischen Terrorismus informiert. Frage 4: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten der extremistischen Miliz Islamischer Staat (IS) innerhalb Branden- burgs vor? Wie viele Personen werden der Gruppierung jeweils als Mitglied, Anhä- nger oder Sympathisant in Brandenburg zugerechnet? Frage 5: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Mitgliedern, Anhängern und Sympathisanten der islamistischen Bewegung des Salafismus innerhalb Branden- burgs vor? Wie viele Personen werden der Gruppierung jeweils als Mitglied, Anhä- nger oder Sympathisant in Brandenburg zugerechnet? zu Frage 4 und 5: Jihadistische Salafisten gibt es auch im Land Brandenburg. Sie sympathisieren zu- meist mit dem „Islamischen Staat“ (IS). Es handelt sich um Personen mit Migrations- hintergrund. Ihre Zahl liegt im niedrigen zweistelligen Bereich. Allerdings dürfte es ein noch aufzuklärendes Dunkelfeld geben. Ihre Unterstützungsleistung reicht von der Sammlung von Spenden und der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen über die Radikalisierung und Rekrutierung von „Kämpfern“ bis hin zum Wunsch als „Mär- tyrer“ für den IS zu sterben. Frage 6: Wie viele Personen waren innerhalb der letzten 3 Jahre und wie viele sind gegenwär- tig von der Polizei des Landes Brandenburg als „Gefährder“ und wie viele Personen als „relevante Personen“ im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Islamis- mus“) eingestuft? zu Frage 6: Von der Polizei des Landes Brandenburg sind Personen als „Gefährder“ und als „Re- levante Personen“ im Phänomenbereich des „Islamismus“ im niedrigen einstelligen Bereich eingestuft. Frage 7: Findet gegenwärtig ein anlassbezogener Informationsaustausch der Sicherheitsbe- hörden Brandenburgs mit Sicherheitsbehörden des Bundes und anderer Bundeslän- der zu einem oder mehreren „Gefährdern“ oder „relevanten Personen“ statt, die von der Polizei des Landes Brandenburg im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Islamismus“) als solche eingestuft wurden? zu Frage 7: Zu allen in Frage kommenden Personen findet ein regelmäßiger Informationsaus- tausch zwischen den Sicherheitsbehörden des Landes sowie des Bundes und der anderen Bundesländer statt. Dieser wird insbesondere über das „Gemeinsame Ter- rorismusabwehrzentrum“ (GTAZ) in Berlin gewährleistet, in dem alle deutschen Si- cherheitsbehörden vertreten sind. Darüber hinaus findet ein fall- und anlassbezoge- ner Informationsaustausch zwischen den Behörden statt. Frage 8: Wie viele von allen Landeskriminalämtern der Bundesrepublik als „Gefährder“ oder „relevante Personen“ im Bereich des religiös motivierten Extremismus („Islamismus“) eingestufte Personen halten sich nach den gegenwärtigen Erkenntnissen der Sicher- heitsbehörden regelmäßig in Brandenburg auf bzw. pflegen regelmäßige Verbindun- gen zu in Brandenburg aufhältigen Personen? zu Frage 8: Den Sicherheitsbehörden ist bekannt, dass jihadistische Islamisten bundesweit und darüber hinaus gut vernetzt sind. Es gibt zahlreiche „Kennverhältnisse“ untereinan- der. Treffen finden häufig unter konspirativen Umständen statt. Dies gilt auch für jihadistische Salafisten aus Brandenburg. Die räumliche Nähe zu Berlin spielt dabei eine besondere Rolle. Frage 9: Wie viele Bedienstete werden gegenwärtig innerhalb des Verfassungsschutzes Brandenburg ausschließlich im Phänomenbereich des religiös motivierten Extremis- mus („Islamismus“) verwendet? Sind insoweit Veränderungen geplant? Wenn ja, welche? zu Frage 9: Konkrete Angaben zum derzeitigen und gegebenenfalls geplanten künftigen Perso- naleinsatz im Bereich des Islamismus sind nicht für eine Veröffentlichung geeignet und der parlamentarischen Kontrollkommission vorbehalten. Frage 10: Wie viele Bedienstete werden gegenwärtig innerhalb der Polizei Brandenburg aus- schließlich im Phänomenbereich des religiös motivierten Extremismus („Islamismus“) verwendet? Sind insoweit Veränderungen geplant? Wenn ja, welche? zu Frage 10: In der Fachdirektion LKA des Polizeipräsidiums sind fünf Bedienstete u. a., aber nicht ausschließlich, mit der Auswertung im Phänomenbereich „Politisch motivierte Aus- länderkriminalität“ befasst und somit auch für den Bereich „Islamismus“ zuständig. In den vier Polizeidirektionen stehen jeweils zwei Ansprechpartner für diesen Phäno- menbereich zur Verfügung. Ggf. erforderlicher Veränderungsbedarf soll im Rahmen der Evaluierung der Polizeistrukturreform geprüft werden. Frage 11: Wie viele Islamwissenschaftler und wie viele Übersetzer der arabischen und russi- schen Sprachgruppen sind beim Verfassungsschutz Brandenburg und wie viele bei der Polizei Brandenburg seit wann beschäftigt? Sind insoweit jeweils Veränderungen geplant? Wenn ja, welche? zu Frage 11: In der Fachdirektion LKA des Polizeipräsidiums ist seit dem Jahr 2002 ein Islamwis- senschaftler beschäftigt, der die arabische Sprache beherrscht. Die Sichtung von Dokumenten in russischer Sprache erfolgt anlassbezogen durch befähigte Bediens- tete außerhalb der Abteilung Zentraler Staatsschutz. Ggf. erforderlicher Veränderungsbedarf ist im Rahmen der Evaluierung der Polizei- strukturreform zu prüfen. Beim Verfassungsschutz Brandenburg ist eine Islamwissenschaftlerin mit Arabisch- kenntnissen teilzeitbeschäftigt. Russische Sprachkompetenz ist ebenfalls vorhanden und wird bei Bedarf genutzt. Darüber hinaus werden bei Bedarf Übersetzungskapazi- täten des Bundesamtes für Verfassungsschutz angefragt.