Landtag Brandenburg Drucksache 6/11786 6. Wahlperiode Eingegangen: 15.07.2019 / Ausgegeben: 22.07.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4633 der Abgeordneten Roswitha Schier (CDU-Fraktion) Drucksache 6/11589 Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin- Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Im Zuge des Antrags auf eine Pflegeleistung bei der Pflegekasse wird die Pflegebedürftigkeit durch eine Begutachtung geprüft. Die Pflegekasse beauftragt hierfür den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin- Brandenburg e.V. (MDK Berlin-Brandenburg). Dieser Dienst ist nicht Teil der Landesverwaltung , er untersteht aber der Rechtsaufsicht durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Begutachtung durch den MDK Berlin- Brandenburg? 2. Sind der Landesregierung in diesem Zusammenhang Probleme bekannt? Wenn ja, welche ? 3. In welcher Form erfolgt die Rechtsaufsicht durch die Landesregierung? zu Fragen 1 bis 3: Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Gemäß § 281 Absatz 3 Satz 1 SGB V untersteht der Medizinische Dienst der Krankenversicherung der Aufsicht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes, in dem er seinen Sitz hat. § 281 Absatz 3 Satz 2 SGB V regelt, dass § 87 („Umfang der Aufsicht“) Absatz 1 Satz 2 und die §§ 88 („Prüfung und Unterrichtung“) und 89 („Aufsichtsmittel“) SGB IV sowie § 274 („Prüfung der Geschäfts -, Rechnungs- und Betriebsführung“) SGB V entsprechend gelten. Weiterhin besagt § 281 Absatz 3 Satz 3 SGB V, dass § 275 („Begutachtung und Beratung“) Absatz 5 SGB V zu beachten ist. Die Aufsicht wird damit durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) als Rechtsaufsicht ausgeübt, die sich auf die Einhaltung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger bindend ist, beschränkt. Das MASGF überprüft also ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Handelns der Versicherungsträger, mithin auch des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Zweckmäßigkeitsfra- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11786 - 2 - gen unterliegen dagegen grundsätzlich nicht der Rechtsaufsicht. Zudem ist es dem MASGF verwehrt, Weisungen zu erteilen. Stellt das MASGF als Aufsichtsbehörde einen Rechtsverstoß im Sinne einer Rechtsverletzung fest, soll es zunächst beratend darauf hinwirken, dass der Rechtsverstoß behoben wird. Erst wenn dieses Aufsichtsmittel keinen Erfolg verspricht, kann das MASGF den Versicherungsträger auch unter Einsatz von Verwaltungsvollstreckungsmitteln verpflichten, den Rechtsverstoß zu beheben. Ergänzend ist im Hinblick auf die gutachterliche Tätigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu berücksichtigen, dass die Ärztinnen und Ärzte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Eine Überprüfung der Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ist damit nur eingeschränkt möglich. Lediglich soweit das geltende Recht Vorgaben , beispielsweise für die Durchführung des Begutachtungsverfahrens, macht, kann das MASGF im Rahmen seiner rechtsaufsichtlichen Zuständigkeit wie vorbeschrieben einschreiten . Dabei hat der Bundesgesetzgeber für die Frage, ab wann welcher Pflegegrad vorliegt, in den §§ 14 f. Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) abschließend definierte Kriterien für die gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen vorgegeben. Die Kriterien dieser Bereiche wurden zuvor im Rahmen eines achtjährigen Prozesses mit fachwissenschaftlicher Expertise entwickelt, in der Begutachtungspraxis erprobt und schließlich als pflegefachlich begründetes Begutachtungsinstrument gesetzlich fixiert. Auf der Grundlage von § 17 Absatz 1 SGB XI hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen mit Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit Richtlinien zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit erlassen. Diese Begutachtungs-Richtlinien dienen den Gutachterinnen und Gutachtern als verpflichtende, bundesweit einheitliche, Grundlage für die Begutachtung. Das Begutachtungsergebnis hat gegenüber der beauftragenden Pflegekasse empfehlenden Charakter, die schlussendliche Feststellung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu einem Pflegegrad bleibt Aufgabe der jeweiligen Pflegekasse. Im Rahmen seiner rechtsaufsichtlichen Tätigkeit sind dem MASGF keine über wenige Einzelfälle hinausgehenden Probleme bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. bekannt geworden. Beispielhaft werden insoweit vereinzelte Beschwerden von Bürgerinnen bzw. Bürgern über die getroffenen ärztlichen Feststellungen oder die persönliche Wahrnehmung von einzelnen Bürgerinnen bzw. Bürgern im Hinblick auf die aus ihrer Sicht unangenehme Begutachtungssituation benannt. Insgesamt kann die Begutachtung durch den MDK als rechtskonform angesehen werden. 4. Wie bewertet die Landesregierung die Einstufungen in die Pflegegrade? zu Frage 4: Mit den seit dem 1. Januar 2017 geltenden Einstufungen in Pflegegrade konnte die bisherige Fokussierung des SGB XI auf somatische Pflegebedarfe überwunden werden. Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen einschließlich Menschen mit demenziellen Erkrankungen erhalten seitdem einen besseren Zugang zu den Leistungen der Pflegeversicherung. Insoweit begrüßt die Landesregierung die Einstufungen in die Pflegegrade. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11786 - 3 - 5. Wie viele Widerspruchsverfahren bei der Pflegekasse, bzw. anhängige Gerichtsverfahren sind der Landesregierung in diesem Zusammenhang bekannt? (Mit der Bitte um Auflistung für den Zeitraum 2016-2019.) zu Frage 5: Das MASGF erfasst aufgrund der Ausgestaltung seiner Aufsichtsaufgabe keine systematischen Daten über Widersprüche und Gerichtsverfahren. Es kann sich gleichwohl durch die landesunmittelbaren Pflegekassen insoweit berichten lassen. Denn die Aufsichtsbehörde kann sich im Rahmen ihrer rechtsaufsichtlichen Tätigkeit auch durch die Versicherungsträger unterrichten sowie Unterlagen vorlegen lassen kann (§ 88 Absatz 2 SGB IV). Diese Befugnis des MASGF bezieht sich qua Aufsichtszuständigkeit jedoch ausschließlich auf diejenigen Pflegekassen, deren Zuständigkeitsbereich sich auf das Land Brandenburg erstreckt, die sogenannten landesunmittelbaren Pflegekassen (§ 90 Absatz 2 und 3 SGB V i.V.m. § 46 Absatz 6 Satz 1 SGB XI). Dies sind die AOK Nordost - Die Gesundheitskasse , die IKK Brandenburg und Berlin sowie die Brandenburgische BKK. Das Ergebnis der Unterrichtung kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden: 2016 2017 2018 2019 Anzahl Widersprüche 3.084 3.161 2.949 1.207 Anzahl Klagen 184 115 154 15 6. Wie lange dauert der Versand der Bescheide an die Antragssteller nach erfolgter Begutachtung ? (Mit der Bitte um Unterscheidung nach ambulanten und stationären Bereich.) 7. Wie schnell erfolgt die Begutachtung/ Einstufung in den Pflegegrad z.B. bei akuten Erkrankungen oder bei Personen mit einer Demenzerkrankung, wo innerhalb kürzester Zeit der Verlust von Fähigkeiten und Selbstständigkeit droht? zu Frage 6 und 7: Die Fragen werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß § 18 Absatz 3 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) hat die Pflegekasse grundsätzlich binnen 25 Arbeitstagen über den Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit zu entscheiden und dies der antragstellenden Person mitzuteilen. Befindet sich die antragstellende Person in einem Krankenhaus, einer stationären Rehabilitationseinrichtung bzw. einem Hospiz oder wird ambulant palliativ versorgt, muss die Begutachtung und Entscheidung binnen 1 Woche erfolgen (§ 18 Absatz 3 Satz 3 und 4 SGB XI). Wenn sich die antragstellende Person in häuslicher Umgebung aufhält, ohne palliativ versorgt zu werden, und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person angekündigt oder mit dem Arbeitgeber der pflegenden Person eine Familienpflegezeit vereinbart wurde, gilt eine Bearbeitungszeit von 2 Wochen (§ 18 Absatz 3 Satz 5 SGB XI). Eine Unterscheidung nach Krankheitsbildern oder Diagnosen sieht der Gesetzgeber insoweit nicht vor, weshalb diese auch nicht erfolgt. Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus ist es zudem in Einzelfällen möglich, individuelle Absprachen zwischen den Pflegekassen und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg zu treffen, um sehr kurzfristige Begutachtungen im Hausbesuch zu realisieren. Unter Bezugnahme auf § 88 Absatz 2 SGB IV liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, wonach sowohl die landesunmittelbaren Pflegekassen als auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg die zeitlichen Vorgaben des Gesetzgebers zur Begutachtung und Entscheidung über Anträge auf Feststellung von Pflegebedürftigkeit regelhaft einhalten. Beispielhaft betrug beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg im 1. Quartal 2019 die durchschnittliche Bearbeitungs- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11786 - 4 - dauer bei Anträgen, die binnen 25 Arbeitstagen zu bescheiden sind, 12,63 Arbeitstage. Bei Anträgen, über die binnen verkürzter Frist zu entscheiden ist, betrug die durchschnittliche Bearbeitungsdauer 1,39 Tage. Die landesunmittelbaren Pflegekassen treffen in der Regel die Entscheidung über den jeweiligen Antrag nach erfolgter Begutachtung binnen 2 Tagen und versenden den entsprechenden Bescheid.