Landtag Brandenburg Drucksache 6/11821 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.07.2019 / Ausgegeben: 31.07.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4657 des Abgeordneten Carsten Preuß (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/11635 Umgang mit dem Gedenkstein für die „Opfer des Faschismus“ Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Ende der 1950iger Jahre entstand durch Initiative vieler Zossener Bürger *Innen der Stadtpark. 1959 wurde der Auftrag für den Entwurf des Volksparks vergeben . Bereits 1956 konnten einige Elemente im Park realisiert werden, die in der 1959 begonnen Planung berücksichtigt wurden. Die Planungen für den Volkspark Zossen stammen u.a. auch aus der Feder von Hermann Henselmann. Sein Wirken prägte die Architektur der DDR, bekannt sind vor allem die Bauten am Frankfurter Tor/Straußberger Platz in Berlin. Prägendes Element im Zossener Stadtpark war und ist der Springbrunnen. Östlich der Springbrunnenanlage gab es einen markanten Dahliengarten. Am nördlichen Eingang, von der Kirchstraße kommend, befand sich ein üppiger Rosengarten. Eine wichtige Sichtachse bestand von der Treppenanlage an der Bahnhofstraße über den Springbrunnen zu den Gebäuden des ehemaligen Schlossareals. Um diesen Blick zu gewährleisten, fanden sich zur Blickführung an den Böschungen zum Schloss Blumenrabatten. Im Laufe der Jahre kam es fortwährend zu Veränderungen und Umgestaltungen im Park. 1968 erhielt der Park die Plastikgruppe „Bäuerinnen“ vom Berliner Künstler Siegfried Krepp. 1969 wurden im Eingangsbereich zum Stadtpark farbige Platten ausgelegt, ein prägendes Gestaltungselement , das zudem den Parkbesuchern bei regnerischem Wetter die Durchquerung besser ermöglichte. Im Jahr 1975 setzten sich ehrenamtlich aktive Bürger der Stadt dafür ein, die sich in einem so genannten Parkkomitee zusammengeschlossen hatten, dass ein Gedenkstein für die Opfer des Faschismus aufgestellt werden sollte. Trotz der damals herrschenden Materialknappheit konnte die Stadtverwaltung einen besonderen Stein zur Verfügung stellen und beauftragte einen ortsansässigen Steinmetz mit der Bearbeitung . Der Aufstellungsort im Stadtpark wurde so gewählt, dass er öffentlich wahrnehmbar und zugleich bei Gedenkveranstaltungen für größere Menschengruppen zugänglich war. 1978 wurde mit dem Bau des "Parks der Freundschaft“ der Stadtpark und die Festwiese am "Weißen Schwan" erweitert. Beide Parkteile wurden 1980 mit einer Brücke verbunden . Der Park ist - mit all seinen Bestandteilen - zu Recht seit 1982 als Gartendenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Vor einigen Jahren gab es mehrere Forschungsarbeiten, die sich mit dem Zossener Park beschäftigt haben. Die umfassendste Arbeit ist eine Masterarbeit über den Volkspark Zossen, die von der TU Berlin betreut wurde. Hinsichtlich der Bedeutung des Volksparks Zossen verweist diese Arbeit auf seine extrem hohe Originalsubstanz , die es zu erhalten und zu sanieren gilt. Leider wurde bis heute auf der Grundlage dieser Arbeiten kein Gesamtkonzept für eine denkmalgerechte Pflege und Entwicklung des Stadtparks erarbeitet. Die gartenhistorische Kategorie des Volksparks aus Landtag Brandenburg Drucksache 6/11821 - 2 - der DDR-Zeit hat Seltenheitswert. Die BUGA 2015 Havelregion warb sogar damit, dass mit dem in den 1960iger Jahren in Brandenburg entstandenen Kulturpark Marienberg eine solche Parkanlage aus der DDR in das BUGA-Konzept integriert wurde. Im BUGA- Konzept heißt es: „Als weitgehend erhaltenes Beispiel eines Freizeit- und Erholungsparks der DDR in der charakteristischen Formensprache und Materialverwendung der 70er Jahre besitzt der Kulturpark Marienberg gartenhistorischen Wert“. Denkmalgerecht saniert wurde im Zossener Stadtpark zwischenzeitlich der Eingangsbereich von der B96 aus. Leider fehlt die markante große runde Blumenschale aus Waschbeton. Ebenfalls abgeschlossen wurden die Arbeiten zur Neugestaltung des Springbrunnens. Hier fällt auf, dass die Springbrunnenanlage weder in ihrer Form, noch in der Materialität dem historischen Vorbild entspricht. Zudem wurde mit den Bauarbeiten am Springbrunnen der 1975 eingeweihte Gedenkstein für die „Opfer des Faschismus“ aus dem Stadtpark entfernt. Damit wurde ein wesentlicher Bestandteil des Gartendenkmals beseitigt. Darüber hinaus wird der Gedenkstein auch in der Dokumentation "Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus " Teil II aufgeführt. Die Dokumentation wurde 2000 von der Bundesanstalt für politische Bildung herausgegeben. 2012 wurde der Gedenkstein mehrmals mit "Rechten" Parolen beschmiert. Die Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht" hat immer wieder dafür gesorgt , dass der Gedenkstein gereinigt wurde. Zu dieser Zeit eine Hochburg der rechten Gewalt und immer wieder Ort von Anschlägen. Durch das bürgerschaftliche Engagement konnte die sichtbare rechte Szene in der Stadt zurückgedrängt werden. Rechtspopulisten und Rechtsextreme verbreiten heutzutage leider wieder massiv Hetzparolen, die auf erschreckende Weise der nationalsozialistischen Propaganda gleichen. Fremdenhass, Antisemitismus und Geschichtsvergessenheit dringen vom rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft vor. Vor diesem Hintergrund ist die Entfernung des Gedenksteins von seinem angestammten Platz ein deutliches politisches Zeichen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wurde im Zuge der Sanierung / Veränderung des Zossener Stadtparks ein gartendenkmalpflegerisches Gesamtkonzept gefordert? Zu Frage 1: Diese Forderung wurde bereits 2008 im Zuge des Neubaus der Brücke über den Nottekanal und einer damit verbundenen Beeinträchtigung des Gartendenkmals erhoben . Die wichtigsten Grundlagen konnten in Zusammenarbeit mit der TU Berlin in Form der Erstellung einer gartendenkmalpflegerischen Zielstellung 2010 geschaffen werden. Vertiefende Untersuchungen und darauf aufbauende Planungen für Teilbereiche erfolgen entsprechend der Methodik in der Planung in der Gartendenkmalpflege seitdem jeweils situations- und vorhabenbezogen, wie z.B. für die Maßnahmen am Springbrunnen. 2. Warum sieht die denkmalrechtliche Erlaubnis für die Veränderung des Stadtparks einen Neubau des Springbrunnens und die Entfernung des Gedenksteins vom Originalstandort vor? Zu Frage 2: Der originale Springbrunnen konnte auf Grund erheblicher Baumängel (kein tragfähiger Baugrund bis in 3 m Tiefe) trotz intensiver Lösungssuche nicht erhalten werden . Der VVN-Gedenkstein als nachträglicher Einbau bildete keinen gestalterischen Zusammenhang mit dem Parkumfeld. Er wurde seinerzeit auf Betreiben der SED und nicht als ein Wunsch der Bevölkerung an dieser Stelle aufgestellt. Recherchen und die Bewertung der damals aktuellen Situation ergab, dass die Wahl des Standortes für das VVN- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11821 - 3 - Denkmal sich als ungünstig erwies, da hier kein wirklich würdiges Gedenken möglich war. U.a. war vor dem Stein direkt kein Gedenken möglich - für größere Menschengruppen schon gar nicht -, weil die Platzfläche zwischen dem Brunnen und dem VVN-Gedenkstein zu schmal ist. Daher wurde für den Stein ein anderer würdiger Ort gesucht und gefunden, der dem Gedenken mehr Raum gibt. 3. Liegt eine schriftliche gartendenkmalpflegerische Stellungnahme des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege zum Erlaubnisverfahren vor und wenn ja, mit welchem Inhalt? Zu Frage 3: Die fachlichen Abstimmungen wurden im Verfahren gemeinsam mit dem BLDAM, dem Planungsbüro und der Unteren Denkmalschutzbehörde vor Ort vorgenommen , um die vielfältigen denkmalfachlichen Aspekte optimal bedenken und prüfen zu können. Anschließend wurde das Benehmen formal schriftlich zur Entscheidung hergestellt. Eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme des BLDAM zum Erlaubnisverfahren war damit nicht erforderlich. 4. Welche denkmalpflegerischen Grundsätze wurden bei der Entscheidung beachtet? Zu Frage 4: Es wurden die denkmalpflegerischen Grundsätze berücksichtigt, wie sie in den Charten von Venedig, Florenz und Burra verankert sind (siehe Anlage). Es ging um Fragen der Substanzerhaltung und des Erscheinungsbildes sowie Bewertungen der vorgefundenen Zeitschichten. 5. Welcher Abwägungsprozess fand vor der Zustimmung zur Veränderung des Springbrunnens statt, der dazu führte, dass sowohl das Material gewechselt, als auch die Gestaltung verändert wurde? Zu Frage 5: Es wurde abgewogen zwischen den Szenarien, - dauerhaft eine Ruine (Originalsubstanz) zu erhalten, die durch Zäune vor dem Betreten geschützt werden müsste, - eine nicht nutzbare Kopie eines baulich veränderten Brunnens zu erstellen oder - einen nutzbaren Brunnen als angepasste Neugestaltung zu realisieren, der zudem die aktuellen hygienischen Anforderungen erfüllt und auch von Menschen mit Beeinträchtigungen genutzt werden kann. Die Entscheidung für Variante 3. ermöglichte die Wiedergewinnung des Charakters des Volksparks der 1950er und 60er Jahre in dieser wichtigen Parkpartie. Die neue Brunnenform berücksichtigt die Proportionen und die Materialität der Gesamtanlage. Eine aktuelle Nutzung wird ermöglicht, auch unter Beachtung von Fragen der Inklusion. 6. Welcher Abwägungsprozess fand vor der Zustimmung zur Entfernung des Gedenksteins statt? Zu Frage 6: Es wurde abgewogen zwischen der gartendenkmalpflegerischen Aufgabenstellung , den Charakter des frühen DDR-Kulturparks in dieser wichtigen Parkpartie ohne die nachträgliche Störung durch den VVN-Gedenkstein wiederzugewinnen, und der Rolle und Bedeutung des VVN-Gedenksteins an seinem originalen Standort. 7. Inwiefern wurde dabei berücksichtigt, dass die Entfernung eines Gedenksteins, der an Landtag Brandenburg Drucksache 6/11821 - 4 - die Opfer des Nationalsozialismus erinnert, aus dem öffentlichen Raum und seine Aufstellung auf einen, eher dem privaten Erinnern und Trauern vorbehaltenen Friedhof, eine eindeutige politische Aussagekraft hat? Zu Frage 7: Der neue, ebenfalls öffentliche Raum bietet einen würdigen Rahmen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ohne die störenden Aspekte, die es am alten Standort im Stadtpark gab (siehe Antwort zu Frage 2.). Ausschlaggebend für die denkmalfachliche Beratung des BLDAM sind die denkmalfachlichen Aspekte. Der Stadt Zossen war es in den Ortsterminen wichtig, den Gedenkstein im öffentlichen Raum so zu positionieren, dass der Zweck des Gedenkens (besser) erfüllt werden kann. 8. Gibt es eine ortsgeschichtliche Bedeutung des Stadtparks und wenn ja, wie wurde diese in Bezug auf die Entfernung des Gedenksteins berücksichtigt. Zu Frage 8: Die geschichtliche Bedeutung des Stadtparks ergibt sich als Zeugnis eines frühen Volksparks der DDR. Diese Bedeutung begründet die denkmalwerte Zeitschicht und wurde für die Entscheidung über die Verlagerung des Gedenksteins herangezogen. Die Zeitschichten wurden bewertet. Danach stellt der Gedenkstein eine nachträgliche, von der damaligen Parteiführung verordnete Zutat dar, welche die betreffende Parkpartie in ihrer ursprünglichen Gestaltung und Wirkung deutlich störte. Er bildete keine gestalterische Einheit mit dem Park. 9. Wie viel historische Substanz der Anlage (z.B. Brunnen und Mauer) wurde in der Neugestaltung wiederverwendet? Zu Frage 9: Bei den Mauern konnten die meisten Steine erhalten werden. Fehlstellen, insbeson-dere durch den Vandalismus der letzten Jahre verursacht, wurden durch neues Steinmaterial ergänzt. Der Brunnen wurde komplett aus neuem Material errichtet, das jedoch die Fassung der denkmalprägenden Zeitschicht der 1950er und 60er Jahre (Granit) aufgreift. 10. Wie begründet sich die Priorisierung der ursprünglichen Entwurfsplanung gegenüber der sich bis zur Unterschutzstellung im Jahr 1982 entwickelten Gestaltung des Parks? Zu Frage 10: Nicht die Entwurfsplanung, sondern der real gestaltete Park trägt den Denkmalwert. Seine Bedeutung als Volkspark der frühen DDR ist im Denkmalgutachten von 2008 beschrieben: „Nach einer ersten Parkgestaltung in der zweiten Hälfte des 19. Jh., aus der einige Gehölze bis heute erhalten geblieben sind (z.B. Platane), kam es im Zuge der neuen gesellschaftlichen Ausrichtung in der jungen DDR zu einer intensiven Umund Neugestaltung des Parks im Stil eines Volksparks. Dieser stellte für die Bevölkerung einen gartenkünstlerisch anspruchsvollen Erholungsraum dar. Bemerkenswert ist die qualitätvolle Umsetzung der Planung überwiegend durch die Bevölkerung selbst im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks. Bis heute sind zahlreiche, aus dieser Zeit stammenden Gestaltungsmittel in ihren wesentlichen Strukturen erhalten und prägen maßgeblich die Gestaltung des Stadtparks. .[…] Der Stadtpark in Zossen stellt ein charakteristisches und inzwischen im Land Brandenburg seltenes Zeugnis eines frühen Volksparks der DDR dar. Damit besitzt der Stadtpark eine stadt- und gartenhistorische Bedeutung.“ Die späteren Erweiterungen und Veränderungen, wie z.B. der westlich des Nottekanals liegende „Park der Freundschaft“ und auch der VVN-Gedenkstein gehören somit nicht zum Denkmal bzw. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11821 - 5 - denkmalwertbegründenden Bestand. 11. Schließlich wurde der Park mit allen seinen Bestandteilen unter Schutz gestellt und worin besteht jetzt, mit der Neugestaltung des Stadtparks, der Denkmalwert als Gartendenkmal der DDR Zeit? Zu Frage 11: Der Park wurde nach einer Bewertung aller Zeitschichten in den o.g. Bestandteilen unter Schutz gestellt. Störende Elemente waren zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung Bestandteil des Parks, begründen jedoch nicht den Denkmalwert und können , je nach der Konzeption der Kommune auch entfernt werden. Dabei wurde von der Kommune darauf geachtet, dass der VVN-Stein einen entsprechend angemessenen Standort bekommt, um das Gedenken zu ermöglichen. Die Unterschutzstellung von 1982 wies keine Denkmalbegründung auf. Eine notwendige kritische Hinterfragung der fachlichen Einbeziehung des zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 7 Jahre alten Gedenksteins in das Denkmal Stadtpark war unter der Herrschaft der SED nicht möglich. Die Denkmalpräzisierung von 2008 misst dem Stein innerhalb des Gartendenkmals als Dokument eines frühen DDR-Volksparks keine Bedeutung bei. Die gartendenkmalpflegerischen Arbeiten im Stadtpark beinhalten nur in fachlich begründeten Ausnahmefällen Neugestaltungen , z.B. beim Brunnenbecken. Insgesamt stellt der Stadtpark in seinem aktuellen Zustand keine Neugestaltung dar. 12. Wurden andere Standorte im Stadtpark zur Aufstellung des Gedenksteins geprüft? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 12: Nein, da die Aufstellung eines Gedenksteins im Stadtpark eine zusätzliche Beeinträchtigung für die Substanz und das Erscheinungsbild darstellt, welche nicht der denkmalpflegerischen Aufgabenstellung entspricht. 13. Welche Auflagen wurden für den neuen Standort formuliert? Zu Frage 13: Folgende Auflagen wurden von der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises formuliert: - Der Gedenkstein darf bei seiner Umsetzung auf den Friedhof der Stadt Zossen nicht beschädigt werden. - Die Gestaltung der Ablagefläche für Kränze vor dem Gedenkstein ist vorab mit den Denkmalbehörden abzustimmen. 14. Wurden diese Auflagen eingehalten? Zu Frage 14: Diese Auflagen wurden eingehalten. Anlage/n: 1. Anlage