Landtag Brandenburg Drucksache 6/11831 6. Wahlperiode Eingegangen: 29.07.2019 / Ausgegeben: 05.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4664 des Abgeordneten Thomas Jung (AfD-Fraktion) Drucksache 6/11646 Kinderhandel in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Im Zuge der Ermittlungen wegen Kinderhandels (siehe Tagesspiegel vom 21.6.19 und RBB Brandenburg Aktuell vom 20.6.19) haben sich Verdachtsmomente gegen Täter in diesem Deliktfeld ausgeweitet. Immerhin gibt es rund 1.500 Fälle von Kinderhandel und Kinderehen in Deutschland. Vorbemerkungen der Landesregierung: Die Beantwortung der Fragen 1 und 2 erfolgt auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Bei der PKS handelt es sich um eine so genannte Ausgangsstatistik, welche bundeseinheitlich durch die PKS-Richtlinien geregelt wird. Es werden hier keine Anzeigen, sondern nur hinreichend konkretisierte Delikte mit PKS-Relevanz (Fall) registriert. Für die Beantwortung können nur die der Polizei bekannt gewordenen Fälle als Grundlage genommen werden. Eine Dunkelfeldanalyse ist nicht möglich. 1. Gibt es Strafanzeigen gegen Tatverdächtige in Brandenburg oder Berlin, die etwa Kinder oder Jugendliche aus Berlin und Brandenburg zum Zwecke einer Eheschließung nach Brandenburg, etwa nach Fürstenwalde, verkauft oder gegen Gegenleistung überlassen haben (bitte aufschlüsseln nach Tatort, Delikt, Alter und Herkunft der Tatverdächtigen und Alter und Herkunft der Opfer)? 2. Gibt es weitere ähnlich gelagerte Fälle in Brandenburg (bitte aufschlüsseln nach Tatort, Delikt, Alter und Herkunft der Tatverdächtigen sowie Alter und Herkunft der Opfer)? zu den Fragen 1 und 2: Die PKS des Landes Brandenburg weist keine derartigen Fälle für Brandenburg aus. Aussagen zu Sachverhalten mit Bezug zu Berlin sind auf Grund der fehlenden Zuständigkeit nicht möglich. Bei der Justiz des Landes Brandenburg sind ebenfalls keine einschlägigen Sachverhalte bekannt geworden. 3. Was unternehmen die Brandenburger Jugendbehörden, der Innenminister, die Justiz oder die Polizei derzeit konkret gegen illegalen Kinderhandel aus dem Zuwandererbereich und speziell im Bereich zugewanderter respektive ausländischer Kinder und Jugendlicher? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11831 - 2 - zu Frage 3: Es wird auf die Kleine Anfrage Nummer 4663 der Abgeordneten Kristy Augustin , CDU-Fraktion, die im Sachzusammenhang steht und auch nach Maßnahmen der Landesregierung zum Schutz der Kinder und Jugendlichen fragt, hingewiesen. Nach dem Legalitätsprinzip werden bei Bekanntwerden derartige Fälle durch die zuständigen Strafverfolgungsorgane (Polizei und Justiz) Ermittlungen durchgeführt und die strafrechtliche Verfolgung eingeleitet. An der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg werden die zukünftigen Polizeibeamtinnen und -beamten des Landes Brandenburg für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes und für die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes qualifiziert. So werden im Studium Phänomene der grenzüberschreitenden Kriminalität in der Lehrveranstaltung „Europarecht: Europäischer Menschenrechtsschutz und das Recht der Europäischen Union“ u. a. die polizeilichen Inhalte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) behandelt und dabei auch das Thema Menschenhandel angesprochen. Auch in der Ausbildung wird grenzüberschreitende Kriminalität verpflichtend für alle Anwärterinnen und Anwärter im Lehrplan unter der Thematik „Ermächtigungen zur Bekämpfung besonderer Kriminalitätsphänomene“ und vertiefend unter der Thematik „grenzüberschreitendes Handeln“ behandelt. Im Rahmen der Weiterbildung steht allen Brandenburger Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten, deren Haupttätigkeit die Bearbeitung von Straftaten im Phänomenbereich ist, ein Seminar des BKA „Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung“ zur Verfügung, in dem Besonderheiten der Ermittlungstätigkeit vertieft werden. Im Polizeipräsidium wurden und werden Maßnahmen zum polizeilichen Opferschutz durchgeführt. Demgemäß sind derzeit 40 Bedienstete im Nebenamt als Ansprechpersonen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei sowie für die Betreuung und Vermittlung der Opfer zur Verfügung. Die Kolleginnen und Kollegen werden regelmäßig geschult. Des Weiteren arbeitet die Polizei des Landes Brandenburg seit Jahren erfolgreich mit einer Vielzahl von Opferhilfeeinrichtungen in Brandenburg zusammen, insbesondere mit dem Beratungs- und Hilfezentrum „STIBB e.V.“, welches im Bereich des präventiven und intervenierenden Kinderschutzes tätig ist. Weiter besteht eine gute Zusammenarbeit mit der Fachberatungsstelle IN VIA, welche sich insbesondere auf die Beratung von Frauen und Kindern, die von Menschenhandel betroffen sind, spezialisiert hat. Den Polizeibediensteten steht jederzeit die Handreichung „Polizeilicher Opferschutz“ mit umfangreichen Informationen - sowohl als Broschüre als auch als Download im Intranet - zur Verfügung. Es bedarf einer weiteren Sensibilisierung, um Fälle von Ausbeutung von und Handel mit Minderjährigen zu erkennen und somit eine Identifizierung potenzieller Opfer zu ermöglichen . Jede Form der Ausbeutung eines Kindes ist eine Kindeswohlgefährdung und bedarf einer differenzierten Gefährdungseinschätzung und der Einleitung von Kinderschutzmaßnahmen . Die Jugendämter handeln in Wahrnehmung der Aufgaben des Sozialgesetzbuches - SGB VIII im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Der Landgesetzgeber hat im Ersten Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe (AGKJHG) nicht vorgesehen, dass das u. a. für Jugendangelegenheiten zuständige Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) Fachaufsicht ausüben soll, sondern es besteht nur eine Rechtsaufsicht. Aktuell sind keine Fälle bekannt, die die Ausübung der Rechtsaufsicht erforderlich erscheinen lassen. Darüber hinaus unterstützt das MBJS aber die Jugendämter bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch Fortbildungsangebote , Modellprojekte sowie durch überregionale Unterstützungs- und Praxisbegleitsysteme . Zur Verbesserung der Kooperationsstrukturen beteiligter Behörden der Jugendhilfe , Schule, Polizei, Gesundheit und Justiz werden Handlungsempfehlungen entwickelt. Das Vorhalten von Kinder- und Jugendnotdiensten durch die Jugendämter und Landtag Brandenburg Drucksache 6/11831 - 3 - die Aufklärung der jungen Menschen hinsichtlich der Möglichkeit zur Selbstmeldung beim Jugendamt können in vielen Fällen die Lösungsmöglichkeiten sein, sich aus destruktiven Verhältnissen zu befreien und vor weiteren gefährdenden Einflüssen zu schützen bzw. geschützt zu werden. Minderjährige verheiratete Kinder und Jugendliche sind im Sinn des SGB VIII unbegleitet und sind unverzüglich in die Obhut des Jugendamtes zu überführen.