Landtag Brandenburg Drucksache 6/11838 6. Wahlperiode Eingegangen: 29.07.2019 / Ausgegeben: 05.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4686 der Abgeordneten Iris Schülzke (fraktionslos) Drucksache 6/11680 Rechtsfrieden für Altanschließer? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Nach dem Urteil Bundesgerichtshofes zur Altanschließerproblematik äußert sich die Landesregierung, dass dieses „Urteil die große Chance bietet, endlich Rechtsfrieden einziehen zu lassen in einer Streitfrage, die das Land über viele Jahre gespalten und beschäftigt hat. Damit bestünde selbstverständlich auch kein Anspruch auf Schadensersatz oder Staatshaftung. Das ist eine ausgesprochen wichtige Klarstellung. Die seit jeher in dieser Frage vertretene Auffassung des Landes ist damit offenkundig bestätigt.“ Dazu erklären die Vertreterverbände: "Das Urteil ist ein Skandal. Kein Betroffener wird verstehen und akzeptieren können, dass der BGH die vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig verworfene Erhebung der Altanschließerbeiträge für rechtmäßig befindet. Denn das ist der Kern des Urteils. Von diesem Urteil sind Zehntausende Menschen, die auf ihren Grundstücken in Brandenburg wohnen, direkt betroffen. Sie fragen sich jetzt: Leben wir tatsächlich unter rechtsstaatlichen Verhältnissen, wenn Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des höchsten deutschen Gerichtes, dem Wächter des Grundgesetzes, durch die Hintertür gegenstandslos gemacht werden können ? …“ 1. In welcher Höhe wurden Mittel aus dem Hilfsprogramm durch die Zweckverbände beantragt und durch das Land ausgezahlt? (Bitte einzeln auflisten!) 2. Wie genau finanziert sich das "Hilfsprogramm“? 3. Welche Teile davon sind nichtrückzahlbare Zuwendungen? 4. Aus welchen Mittel finanzieren sich diese Zuweisungen? 6. Welche konkreten Teile sind Kredite? 7. Wie, durch wen genau erfolgt die Rückzahlung der kreditierten Mittel? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11838 - 2 - zu den Fragen 1 bis 4 und 6 bis 7: Die Landesregierung verweist auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 4683 (Drucksache 6/11673) sowie auf den Evaluationsbericht zum Hilfsprogramm Abwasser für die von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2015 betroffenen kommunalen Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung (Drucksache 6/10240). 5. Wie und in welcher Höhe kommen diese Zuwendungen den Gebühren- /Beitragspflichtigen zu Gute? 8. Was passiert mit den Mitteln, die durch das Urteil des BGH zu Unrecht an Verbände ausgezahlt wurden, werden diese zurückgefordert? zu den Fragen 5 und 8: In der Folge der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 12. November 2015 zur Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) in der seit dem 1. Februar 2004 geltenden Fassung entstanden Aufgabenträgern der Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht gebührenfähige Verwaltungskosten sowie Rückzahlungsverpflichtungen, die diese zum Teil nicht aus eigenen Mitteln leisten konnten. Überdies waren sich nachteilig auf die Investitionstätigkeit der betroffenen Aufgabenträger auswirkende Liquiditätsengpässe zu besorgen. Die Maßnahmen des Hilfspakets waren erkennbar darauf gerichtet, die kommunalen Aufgabenträger in die Lage zu versetzen, die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung umsetsetzen zu können, ohne dabei ihre eigene dauernde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die ordnungsgemäße öffentliche Wasserver- und Abwasserentsorgung gefährden zu müssen. Dies kommt all denjenigen zugute, die die öffentlichen Wasserverund Abwasserentsorgungsanlagen nutzen können. Die Landesregierung sieht in der Unterstützung der von der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung betroffenen Aufgabenträger keine unrechtmäßigen Zahlungen. Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 2019 (Az. III ZR 93/18) bietet nach Auffassung der Landesregierung keine Veranlassung, die im Rahmen der Umsetzung der früheren Bundesverfassungsgerichtsentscheidung gewährten Hilfeleistungen in Frage zu stellen. 9. Wie wertet die Landesregierung das Urteil? zu Frage 9: Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt der Landesregierung noch nicht vor. Eine abschließende Bewertung des Urteils kann erst nach sorgfältiger Auswertung der Entscheidungsgründe vorgenommen werden. Der vom Bundesgerichtshof am Tag der Entscheidung herausgegebenen Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass das Gericht die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG als Klarstellung des gesetzgeberischen Willens bei Erlass der Vorgängernorm ansieht und insoweit „eine Rückwirkung der Neufassung der Vorschrift daher doch nicht vorliegt“. 10. Ist das Urteil des BGH dahingehend zu verstehen, dass Bescheide unendlich rückwirkend gestellt werden können und Bestandskraft haben könnten, wenn nicht in Widerspruch gegangen und in Folge Klage erhoben wird? zu Frage 10: Die Landesregierung weist auf die durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 5. Dezember 2013 eingeführte Verjährungsobergrenze für die Festsetzung von Beiträgen in § 19 KAG hin. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11838 - 3 - 11. Wie bewertet es die Landesregierung, im KAG gänzlich auf das Gebührenmodell umzustellen , sämtliche Beiträge zurückzuzahlen und die Betroffenen endlich mit Hilfe eines Fonds zu entschädigen, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen? zu Frage 11: Aus § 64 Abs. 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg ergibt sich für das kommunale Abgabenrecht, dass diejenigen, die durch eine öffentliche Einrichtung oder Anlage begünstigt werden, an den Kosten zu beteiligen sind. Für die Finanzierung des Investitionsaufwandes für leitungsgebundene Einrichtungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung stehen den kommunalen Aufgabenträgern unterschiedliche Finanzierungsmodelle zur Verfügung, über deren Anwendung sie im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten eigenverantwortlich entscheiden. Soweit die Frage auf eine Abschaffung der Möglichkeit, Anschlussbeiträge zu erheben, und damit auf eine Beschränkung der Handlungsoptionen für die Aufgabenträger im KAG gerichtet ist, weist die Landesregierung darauf hin, dass aufgrund der Verzahnungsvorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 5 KAG die vereinnahmten Beiträge als Abzugskapital in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden und daher zu niedrigeren Wasser- und Abwassergebühren führen, als es ohne die Beitragserhebungen der Fall gewesen wäre. Die Landesregierung weist ferner darauf hin, dass die Trinkwasser- und Abwassergebühren - anders als die Anschlussbeiträge - als Bestandteil der Betriebskosten auf die Miete umgelegt werden.