Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 6. Wahlperiode Eingegangen: 02.08.2019 / Ausgegeben: 07.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4680 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/11670 Polizeiliche und staatsanwaltliche Ermittlungen zum Verschwinden einer kenianischen Asylbewerberin aus dem Übergangswohnheim Hohenleipisch Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Presseberichten zufolge verschwand am 7. April 2019 die kenianische Asylbewerberin R. O. aus dem Übergangswohnheim Hohenleipisch spurlos . Ab dem 11. Juni 2019 wurde durch die Polizei ein Waldgebiet durchsucht, wobei die skelettierte Leiche einer Frau gefunden wurde, die kurze Zeit später als die vermisste Person identifiziert wurde. Der Partner der Vermissten wandte sich Ende April 2019 an den Verein Opferperspektive e.V. und berichtete von seinem Verdacht, dass die verschwundene Person Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnte. Seine Erkenntnisse gab der Verein Opferperspektive am 30. April 2019 an die Polizei weiter, bspw., dass der vierjährige Sohn der Vermissten erzählt hatte, seine Mutter sei im Heim niedergeschlagen und mitgenommen worden, die Frau weder EC-Karte noch Kleidung mitgenommen habe und am Tag des Verschwindens (ein Sonntag) kein öffentlicher Nahverkehr an der Unterkunft verkehrte. Nachdem die Polizei, trotz der vorliegenden Informationen, den Fall weiterhin lediglich als Vermisstensache behandelte, erstattete der Klient mit Unterstützung der Opferperspektive am 10. Mai 2019 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Cottbus wegen des Verdachts eines Tötungsdeliktes. Bis Ende Mai wurden jedoch vor Ort auch weiterhin keine Ermittlungstätigkeiten zu einem möglichen Tötungsdelikt bekannt. Erst im Juni - also zwei Monate nach dem Verschwinden der Asylbewerberin - wurde die nähere Umgebung des Heims abgesucht. Vorbemerkungen der Landesregierung: Mit vorliegender Kleinen Anfrage werden zahlreiche Verfahrens- und Ermittlungsdetails erbeten. Zu diesen Details können vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen und der Tatsache, dass Ermittlungsdetails den Untersuchungserfolg gefährden können, nur in eingeschränkter Form Auskünfte erteilt werden. Um den Untersuchungszweck der noch laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden sowie aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Beteiligten, werden bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage weder Namen noch konkrete Inhalte von Vernehmungen bzw. Befragungen mitgeteilt. Zwischenzeitlich werden die Ermittlungen wegen eines Tötungsdeliktes geführt und bislang sind der oder die Täter unbekannt. 1. Wann hat die Polizei vom Verschwinden von R. O. auf welchem Weg Kenntnis erlangt? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 2 - 2. Welche Ermittlungsmaßnahmen der Polizei wegen dieses Vermisstenfalles wurden wann, durch wen und mit welchem Personalaufwand eingeleitet? (Bitte genaue Auflistung von Befragungen von Bewohnerinnen und Bewohnern, Beschäftigten des Trägers und des Wachschutzes des Heims und Angehörigen, Vernehmungen, Maßnahmen der Spurensicherung , Absuchen der Umgebung, Einschaltung der Öffentlichkeit usw. mit Datum!) 3. Welche Ermittlungsmaßnahmen der Polizei wurden wann, durch wen und mit welchem Personalaufwand eingeleitet, nachdem die oben geschilderten Hinweise des Vereins Opferperspektive bei der Polizei eingingen? (Bitte genaue Auflistung von Befragungen von Bewohnerinnen und Bewohnern, Beschäftigten des Trägers und des Wachschutzes des Heims und Angehörigen, Vernehmungen, Maßnahmen der Spurensicherung, Absuchen der Umgebung, Einschaltung der Öffentlichkeit usw. mit Datum!) 4. Wurde das Verschwinden nach diesen Hinweisen als mögliches Gewaltverbrechen behandelt ? Wenn nein, warum nicht? 6. Welche Ermittlungsmaßnahmen der Polizei wurden wann eingeleitet, nachdem die Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft einging? (Bitte genaue Auflistung von Befragungen von Bewohnerinnen und Bewohnern, Beschäftigten des Trägers und des Wachschutzes des Heims und Angehörigen, Vernehmungen, Maßnahmen der Spurensicherung, Absuchen der Umgebung, Einschaltung der Öffentlichkeit usw. mit Datum!) 7. Wurde das Verschwinden nach dieser Strafanzeige als mögliches Gewaltverbrechen behandelt? Wenn nein, warum nicht? 8. Wurde der vierjährige Sohn befragt? Wenn ja, wann und geschah dies durch Beamte, die auf die Befragung von Kindern spezialisiert sind? Wenn nein, warum nicht? zu den Fragen 1, 2, 3, 4, 6, 7 und 8: Der Anzeigenerstatter und Vater der Kinder von Frau O., Herr M., meldete am Mittwoch, 10.04.2019, gegen 19:45 Uhr, über den Notruf der Polizei Frau O. als vermisst. Nach erstem Erkenntnisstand soll Frau O. am Sonntag, 07.04.2019, mittags das Asylbewerberheim in Hohenleipisch aus unbekanntem Grund in Richtung Berlin verlassen haben. Über die Leitstelle des Polizeipräsidiums wurde die Aufnahme einer Vermisstenanzeige, die Ausschreibung zur Personenfahndung sowie zwecks erster Ermittlungen die Entsendung eines Funkmittels zum Asylbewerberheim veranlasst. Die am 11.04.2019 fortgeführten Ermittlungen und Befragungen der Polizei erbrachten keinen Aufschluss zum Aufenthalt der Frau O. Daran änderten die am 12. und 13.04.2019 fortgesetzten polizeilichen Maßnahmen, wie unter anderem der Versuch einer Handyortung und weitere Befragungen, nichts. Die Mordkommission der Kriminalpolizei der Polizeidirektion Süd war zeitnah in die Ermittlungen einbezogen und nahm seit dem 12.04.2019 an den mehrmals wöchentlich durchgeführten Telefonschaltkonferenzen teil. Durch sie wurde der Anzeigenerstatter am 17.04.2019 vernommen. Am 03.05.2019 erfolgte unter ihrer Beteiligung eine weitere Fallbesprechung mit verschiedenen Versionsbildungen, unter anderem auch die eines Tötungsverbrechens . Der Sohn der Vermissten wurde am 11.04. und 30.04.2019 im Beisein seines Vaters, Herrn M., und eines Dolmetschers befragt bzw. angehört. Die Befragungen erfolgten durch ausgebildete Sachbearbeiter der Kriminalpolizei in kindgerechter Weise und verliefen ohne Vorkommnisse. Sowohl die Anhörungssituationen als auch die Ergebnisse sind aktenkundig. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 3 - Ab dem 25.04.2019 wurde durch die Polizei öffentlich nach Frau O. gefahndet und um Hinweise gebeten. Am 18.04. und 30.04.2019 wurde die zuständige Staatsanwaltschaft in Cottbus unterrichtet. Nach entsprechenden Vorbereitungen kamen am 16. und 17.04.2019 Mantrailer-, Personenspür- und Leichensuchhunde in der Asylunterkunft und deren Umgebung ergebnislos zum Einsatz. Am 08.05.2019 erfolgte eine Befahrung/Absuche des Geländes . Ab dem 24.05.2019 wurde das Gelände erweitert abgesucht. Die Planung und Koordinierung von Suchmaßnahmen (Gebietserkundung, Kräfteplanung usw.) erfolgte fortlaufend . Eine Vorbesprechung mit Kräften der Einsatzhundertschaft fand am 03.06.2019 statt. Diese Suchmaßnahmen begannen am 11.06.2019. Im Ergebnis wurden am 12.06.2019 sterbliche Überreste gefunden. Die Einsatzbewältigung der Absuche erfolgte im Rahmen einer Besonderen Aufbauorganisation (BAO) der Polizeidirektion Süd. Eine zweifelsfreie Zuordnung der Fundstücke zum Vermisstenfall konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Ein Todesermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Am 25.06.2019 ging das Gutachten der Rechtsmedizin zur DNA-Analyse ein. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der rechtsmedizinischen Untersuchung (siehe Antwort auf Frage 5) bestanden keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO dafür, dass die Vermisste Opfer einer Straftat geworden sein könnte. Die Vermisste wurde als Opfer identifiziert. Die Mordkommission der Polizeidirektion Süd leitete nunmehr ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Totschlags in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Cottbus ein. Die Ermittlungen der eingerichteten Mordkommission „Muna“ dauern an. Im Rahmen eines turnusmäßigen Arbeitsgespräches am 08.05.2019 übergab die Geschäftsführerin der „Opferperspektive e.V.“, Frau Porath, im Polizeipräsidium ein Schreiben bezüglich des Verschwindens der Frau O. Darin wird von einer Körperverletzung zum Nachteil der Frau O. durch einen Heimbewohner berichtet. Ein gleichlautendes Schreiben ging als Fax am 30.04.2019 bei der zuständigen Polizeiinspektion Elbe-Elster ein. Eine den Sachverhalt betreffende Strafanzeige wurde bei der Staatsanwaltschaft Cottbus registriert . Ermittlungserkenntnisse wurden der Staatsanwaltschaft am 29.05.2019 vorgetragen, wonach weitere Aufträge zu den Ermittlungen erteilt wurden. 5. Welche Maßnahmen ergriff die Staatsanwaltschaft nach Eingang der Strafanzeige? (Bitte genaue Auflistung zur Eröffnung des Ermittlungsverfahrens, Informationen und Anweisungen an die Polizei, Gespräche oder Telefonate mit dem Klienten oder der Opferperspektive und sonstigen Aktivitäten der Staatsanwaltschaft zu diesem Fall mit Datum!) zu Frage 5: Aufgrund der am 13.05.2019 bei der Staatsanwaltschaft Cottbus eingegangenen Strafanzeige des Vereins „Opferperspektive e.V.“ vom 10.05.2019 erfolgte am 22.05.2019 mit der Kriminalpolizei in Finsterwalde die Abstimmung weiterer Ermittlungen. Nachdem die zunächst ergriffenen Maßnahmen (Spurensicherung, Befragung von Zeugen , Aufruf mit Bildveröffentlichung in der Presse usw.) keine Anhaltspunkte zum Verbleib der Vermissten erbrachten, wurde am 02.06.2019 eine Hundertschaft der Polizei angefordert , die nochmals das Umfeld des Asylbewerberheims Hohenleipisch absuchte. Diese Suche führte am 12.06.2019 in der Nähe des Heimgeländes zum Auffinden eines menschlichen Schädels, der nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung vom 19.06.2019 der Vermissten zugeordnet werden konnte. Aufgrund der andauernden Ermittlungen sieht die Landesregierung von näheren Angaben im Sinne der Fragestellung ab. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 4 - 9. Wurden Tatverdächtige ermittelt? Wenn ja, wann und sind diese befragt und/oder festgenommen worden? Wenn nein, warum nicht? Besteht aus Sicht der Landesregierung Fluchtgefahr? Wenn nein, wie wird dies begründet, wenn ja, wie wurde dieser begegnet? zu Frage 9: Das Ermittlungsverfahren wird derzeit gegen Unbekannt geführt. 10. Wann erhielt die Landesregierung durch wen Kenntnis von diesem Fall? Welche Maßnahmen wurden seitens der Landesregierung nach Kenntnisnahme wann und durch wen eigeleitet? (Bitte genaue Auflistung mit Datum!) zu Frage 10: Ein Mitglied des Vereins „Opferperspektive e.V.“ hatte mit E-Mail vom 28.05.2019 das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz über den Sachverhalt des Verschwindens der kenianischen Asylbewerberin und über die bei der Staatsanwaltschaft Cottbus diesbezüglich erstattete Strafanzeige unterrichtet und die vermeintlich zögerliche Ermittlungstätigkeit moniert. Daraufhin ist der Leitende Oberstaatsanwalt in Cottbus mit Erlass vom 17.06.2019 um einen Bericht gebeten worden. Im Ergebnis der Suchmaßnahmen wurden am 12.06.2019 sterbliche Überreste gefunden, die im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau O. gebracht werden konnten. Demgemäß wurde am 13.06.2019 diese Sachlage als meldepflichtiges Ereignis durch den Lagedienst des Polizeipräsidiums gesteuert. Kenntnis erhielten neben dem Ministerium des Innern und für Kommunales auch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen sowie die Staatskanzlei. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) erhielt am 25.06.2019 über eine Ergänzungsmeldung zur Meldung vom 13.06.2019 Kenntnis vom Sachverhalt. 11. Welche weiteren Aktivitäten Brandenburger Behörden gab es in diesem Fall, die durch die vorstehenden Fragen nicht erfasst sind? (Bitte genaue Auflistung mit Datum!) zu Frage 11: Am 25.06.2019 wurde das zuständige Jugendamt des Landkreises Elbe Elster nach der Versorgung der Kinder durch das MBJS befragt. Das Jugendamt teilte mit, dass die Familiensituation seit April 2019 bekannt sei und umgehend Maßnahmen durch das Jugendamt zum Schutz und zur Unterstützung der Kinder eingeleitet wurden. Da der Verdacht auf ein Gewaltverbrechen an der Kindesmutter bereits im April 2019 nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde durch das Jugendamt ein familiengerichtliches Verfahren zur Klärung der elterlichen Sorge der Kindesmutter eingeleitet. Die Kinder konnten zusammen im Familienverband untergebracht werden, das Jugendamt unterstützt die Familie bei Bedarf. 12. Wo sind die Angehörigen mittlerweile untergebracht und ist gesichert, dass diese nicht mit möglichen Tatverdächtigen in Kontakt kommen? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 12: Mit Verweis auf die Vorbemerkung sind hierzu keine Auskünfte möglich. 13. Sind Polizei und Staatsanwaltschaft aus Sicht der Landesregierung in diesem Fall allen Hinweisen rechtzeitig und mit der gebotenen Gründlichkeit, die ein mögliches Tötungsdelikt erfordert, nachgegangen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 5 - zu Frage 13: Die durchgeführten Maßnahmen der Polizei sind weder vom Durchführungszeitpunkt , von ihrem Umfang noch in ihrer Intensität polizeifachlich zu beanstanden. Schon die sehr frühzeitige Einbeziehung der Mordkommission belegt, dass auch ein Verbrechen nicht von vornherein ausgeschlossen wurde und insofern öffentlich erhobene Vorwürfe, den Fall nicht ernst genommen zu haben, zurückzuweisen sind. In der Gesamtbewertung ist festzustellen, dass die veranlassten Maßnahmen der Polizeidirektion Süd bereits mit Beginn der Ermittlungen auch mögliche Ansätze zum Vorliegen eines Gewaltverbrechens mit hoher Intensität verfolgt worden sind. In Übereinstimmung mit der fachaufsichtlichen Bewertung durch die Generalstaatsanwältin des Landes Brandenburg ist die Sachbehandlung der Strafanzeige bzw. des Ermittlungsverfahrens wegen Totschlags als sachgerecht zu bewerten. Die erforderlichen Ermittlungen sind umfassend und stringent geführt worden . Entsprechende Vorwürfe, dass vorliegend im Fall einer „verschwundenen deutschen Frau“ anders ermittelt worden wäre, weist die Landesregierung entschieden zurück. 14. Welche Gründe gab es, dass erst fast zwei Monate nach dem Verschwinden der Asylbewerberin und einen Monat nach Eingang der Hinweise, die Ermittlungen intensiviert wurden? Bitte ausführlich darstellen! zu Frage 14: Die Annahme, dass die Ermittlungen zwei Monate nach dem Verschwinden der Asylbewerberin und einen Monat nach Eingang der Hinweise, intensiviert wurden, trifft nicht zu. Vielmehr sind seit der Vermisstenanzeige fortlaufend die nach dem jeweiligen Sachstand erforderlichen Maßnahmen zum Auffinden der Vermissten bzw. zur Erforschung des Sachverhalts ergriffen worden, über die allerdings aus ermittlungstaktischen Gründen sowie wegen des Persönlichkeitsschutzes Betroffener weder die Öffentlichkeit noch Dritte fortlaufend oder im Detail unterrichtet worden sind. 15. Welche Auswirkungen auf die Ermittlung von Tatverdächtigen und die Beweissicherung hat das späte Reagieren der Polizei auf die eingegangenen Hinweise aus Sicht der Landesregierung ? zu Frage 15: Die Polizei hat eingegangene Hinweise aus Sicht der Landesregierung sachgerecht und zeitnah behandelt. 16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung um sicherzustellen, dass künftig bei möglichen Gewaltverbrechen schneller umfassend ermittelt wird? zu Frage 16: Auf die Beantwortung der Frage 13 wird verwiesen. Da keine Ermittlungsdefizite festzustellen sind, bedarf es keiner entsprechenden Schlussfolgerungen. 17. Kam es im Übergangswohnheim Hohenleipisch in der Vergangenheit bereits zu Gewaltvorfällen gegen Frauen und/oder Kinder? (Bitte genaue Auflistung der Fälle mit Datum, Art des Vorfalls, Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und Ausgang des Verfahrens) zu Frage 17: Die Beantwortung erfolgt zunächst auf Grundlage der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 1. In der Asylunterkunft in Hohenleipisch wurden folgend aufgeführte Fälle 1 Bei der PKS handelt es sich um eine so genannte Ausgangsstatistik, welche bundeseinheitlich durch die PKS-Richtlinien geregelt wird. Es werden hier keine Anzeigen , sondern nur hinreichend konkretisierte Delikte mit PKS-Relevanz (Fall) registriert. Für die Beantwortung können nur die der Polizei bekannt gewordenen Fälle als Grundlage genommen werden. Eine Dunkelfeldanalyse ist nicht möglich. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 6 - von Körperverletzungsdelikten und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung konstatiert . Für die Jahre 2014 und 2015 wurden keine Fälle in der PKS registriert. Jahr 2016: zwei Fälle der Körperverletzung mit insgesamt zwei nichtdeutschen Tatverdächtigen (TV) (ein polnischer TV, ein TV aus der Russischen Föderation); Opfer waren zwei Frauen zwischen 21 und 60 Jahren Jahr 2017: vier Fälle der Körperverletzung mit insgesamt drei nichtdeutschen TV (ein TV aus der Russischen Föderation, ein TV aus Kamerun, ein TV aus Kenia); Opfer waren drei Frauen zwischen 21 und 60 Jahren sowie ein Kind zwischen 6 und 14 Jahren (männlich) Jahr 2018: drei Fälle der Körperverletzung mit insgesamt zwei nichtdeutschen TV (ein TV aus der Russischen Föderation, ein TV aus Somalia); Opfer waren eine Frau zwischen 21 und 60 Jahren, ein Kind unter 6 Jahren (männlich) sowie drei Kinder zwischen 6 und 14 Jahren (zwei männlichen und eines weiblichen Geschlechts) Jan.-Juni 2019 2:: ein Raubüberfall in Wohnungen und ein Fall der Körperverletzung (jeweils der gleiche TV aus Kamerun); Opfer waren zwei Frauen zwischen 21 und 60 Jahren. Zum Ausgang der Verfahren liegen keine Erkenntnisse vor. Dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) sind hierzu vom zuständigen Landkreis Elbe-Elster auf Anfrage ergänzend folgende drei Fälle (die sich in den o.g. statistisch dargestellten Fällen wiederspiegeln können) mitgeteilt worden: Vorfall am 22. August 2017 Verdacht des tätlichen Angriffes (Körperverletzung) zum Nachteil eines Kindes. Im Nachhinein konnte der von der Familie anzeigte tätliche Angriff nicht bestätigt werden . Vorfall am 23. Oktober 2017 Anzeige wegen sexueller Belästigung von zwei Mädchen durch einen anderen Bewohner des Heimes. Die Anschuldigungen der Mädchen konnten durch Ermittlungen nicht bestätigt werden. In Abstimmung mit dem Jugendamt wurden die beiden Mädchen mit ihren Familien dennoch in eine andere Einrichtung umverteilt. Vorfall am 4. Januar 2019 Anzeige wegen häuslicher Gewalt. Der Ehemann wurde in eine andere Einrichtung umverteilt und ein Hausverbot ausgesprochen. Eine Statistik über Gewalthandlungen, insbesondere gegen Frauen oder Kinder, im Asylbewerberheim Hohenleipisch wird im staatsanwaltschaftlichen Geschäftsbereich nicht geführt . Der Staatsanwaltschaft Cottbus sind entsprechende Fälle auch nicht erinnerlich. Insofern liegen keine über die polizeiliche Darstellung hinausgehende Erkenntnisse vor. 2 Die unterjährige Darstellung von PKS-Daten für das Jahr 2019 wird kritisch gesehen. Gemäß einer Vereinbarung der Ständigen Konferenz der Innenminister und - senatoren von Bund und Ländern (IMK) soll eine unterjährige Veröffentlichung von PKS-Daten unterbleiben. Bei der Betrachtung unterjähriger Entwicklungen können verfahrensbedingte Verschiebungen des statistischen Erfassungszeitpunktes in der PKS zu einer Verzerrung der Kriminalitätsentwicklung führen. Das liegt insbesondere darin begründet, dass die PKS-Zahlen eines Berichtsjahres erst am Anfang des darauffolgenden Jahres endgültig feststehen und unterjährig erhobene Daten nicht valide sind. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 7 - 18. Wenn es in diesem Übergangswohnheim bereits zu Gewaltvorfällen gegen Frauen und/oder Kinder kam, welche Maßnahmen wurden ergriffen, um solche Fälle künftig zu verhindern? zu Frage 18: Bei Bekanntwerden von Straftaten in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende erfolgen seitens der Polizei grundsätzlich die Ermittlungen, individuelle Gefährdungsbewertungen und präventive Maßnahmen. Die Polizei wird bezüglich der Sicherheit in den Unterkünften gegenüber den Trägern von Gemeinschaftsunterkünften unterstützend tätig. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums sind diesbezüglich die Kommunikationswege zwischen den Landkreisen und den Trägern der einzelnen Unterkünfte mit der Polizei abgestimmt und Ansprechpartner/Kontaktbeamte bekannt. Die Polizeiinspektionen (PI) nehmen regelmäßig Kontakt mit dem Personal der Gemeinschaftsunterkünfte (Sozialarbeiter und Wachschutz) auf. Durch die Polizei Brandenburgs erfolgt auf Anfrage die Unterstützung bei der Präventionsarbeit der Betreiber von Asylbewerberheimen . Dies geschieht personell im Rahmen von Präventionsveranstaltungen oder durch Zurverfügungstellung von entsprechenden mehrsprachigen Informationsmaterialien, auch zum Thema häusliche Gewalt. Eine entsprechende Rahmenkonzeption des Polizeipräsidiums zeigt Maßnahmen und Möglichkeiten des Zusammenwirkens auf. Folgende ergänzende Informationen seien erwähnt: • Die Checkliste „Mindeststandards zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt in Flüchtlingsunterkünften“ des Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, • Das „Notfallplakat“ des ProPK, welches mit Piktogrammen zu den wichtigsten Verhaltensregeln im Notfall informiert. Neben sprachlichen Handlungsempfehlungen in Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch sind alle Notrufnummern aufgezeigt., • Das Infoblatt des BMFSFJ „Schutz in Flüchtlingsunterkünften“ mit Empfehlungen für Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunterkünften sowie ein Merkblatt der KfW Anstalt. (Inhalt: Ab sofort stehen Städten und Gemeinden Darlehen für Investitionen in den Neu- und Umbau sowie für den Erwerb von Flüchtlingsunterkünften zur ausschließlichen Nutzung durch Frauen und Kinder zur Verfügung. Darüber hinaus wird die Umsetzung baulicher Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunterkünften mit gemischter Belegung gefördert). Betreiber von Gemeinschaftsunterkünften (GU) für Geflüchtete sind verpflichtet, vor Inbetriebnahme einer GU mit der zuständigen Polizeidienststelle ein Sicherheitskonzept zu erstellen, das die Sicherheitsmaßnahmen, darunter den Einsatz von geeignetem Wachpersonal (Ziffer 1.1.4. Satz 2 des Runderlasses des MASGF vom 08.03.06 zu den Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale Betreuung nach der Erstattungsverordnung zum Landesaufnahmegesetz sind) festlegt. Zuständig für die Einhaltung der Vorgaben ist der beauftragte Dritte. Die Aufsicht erfolgt über die Kommunen (Kreise und kreisfreie Städte). Die Vorschriften zum Gewaltschutz von Frauen, die von häuslicher oder sexualisierter Gewalt in Deutschland betroffen sind, bieten auch Schutz für asylsuchende und geduldete Frauen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. In Fällen häuslicher Gewalt erfolgt auf Wunsch des Opfers eine Vermittlung an ein Frauenhaus /Frauenberatungsstelle. Mit Einverständnis des Opfers erfolgt die proaktive Datenübermittlung per Fax durch die Polizei. Im Bereich der Polizei des Landes Brandenburg gibt es ein Opferschutzkonzept nebst Handreichung „Polizeilicher Opferschutz“, welches allen Polizeibediensteten zur Verfügung steht. Es enthält Verhaltensempfehlungen für den kompetenten Umgang mit Opfern Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 8 - und informiert u. a. über Rechte von Opfern sowie Einrichtungen der Opferhilfe. Hierbei sind insbesondere die • Verhaltensempfehlungen für den Umgang mit Opfern häuslicher Gewalt, die auch den Schutz von Kindern im Blick haben, • das Merkblatt für Opfer Häusliche Gewalt und • das Merkblatt für Opfer sexualisierter Gewalt zu benennen. Die Merkblätter liegen in mehreren Sprachen vor. Für die Gemeinschaftsunterkunft Hohenleipisch ist sowohl ein von der örtlichen Polizeibehörde bestätigtes Sicherheitskonzept als auch ein Gewaltschutzkonzept vorhanden. Das Sicherheitskonzept wurde bereits im Juni 2017 auf Grund einer aktualisierten Gefährdungsanalyse angepasst. Eine der vor Ort tätigen Mitarbeiterinnen wurde ergänzend zur insoweit erfahrenen Fachkraft Kinderschutz ausgebildet. Der für die Unterbringung zuständige Landkreis Elbe-Elster gibt an, anhand der Vorfälle habe sich gezeigt, dass Meldemechanismen und Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden funktionieren. Unabhängig davon wurde durch das Sozialamt/die Stabsstelle Asyl darauf hingewirkt, dass die im Gewaltschutzkonzept des Betreibers beschriebenen Maßnahmen zur Risikominimierung - insbesondere die getrennte Unterbringung von allein reisenden Frauen/Familien und allein reisenden Männern - vor Ort auch konsequent umgesetzt wird. Die Bewohner /innen wurden sensibilisiert, die Verschließbarkeit der Räume/Häuser auch zu nutzen. Auf Grund der aktuellen Situation wurden folgende Maßnahmen durch den Betreiber in Abstimmung mit dem Sozialamt/der Stabsstelle Asyl zusätzlich installiert: • Anforderung eines Dolmetschers (englisch/französisch), der im Auftrag des Sozialamtes schon mehrmals im Wohnheim tätig war und die Gegebenheiten und die Bewohner kennt, • Anforderung psychosoziale Betreuung o Muttersprachliche und kultursensitive psychosoziale Unterstützung für Geflüchtete o 28.06.2019 psychologische Beratungsgespräche in Englisch und Französisch o 2.07.2019 psychologische Beratungsgespräche in Englisch, Französisch sowie Russisch und Arabisch Gesprächsinhalte: derzeitige Ängste und Bedürfnisse der anwesenden Heimbewohner weitere Unterstützung der Polizei bei den Ermittlungen verstärkte Maßnahmen durch den Sicherheitsdienst und die zusätzlichen Polizeistreifen o Beratungsangebot kann weiter telefonisch und per Online-Portal (Video- Chat) in Anspruch genommen werden. o zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bewohner/innen Verstärkung der Sicherheitsleistungen sowie verstärkte Sicherheitskontrollen durch die Polizei . 19. Ist in diesem Übergangswohnheim ein Gewaltschutzkonzept vorhanden? Wenn ja, wurde die Einhaltung überprüft? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 19: Im Landesaufnahmegesetz ist verankert, dass für Gemeinschaftsunterkünfte ein Gewaltschutzkonzept zu erarbeiten ist. Die Gemeinschaftsunterkunft Hohenleipisch verfügt gemäß § 8 Absatz 2 Satz 1 Landesaufnahmegesetz-Durchführungsverordnung (LAufnGDV) über ein Gewaltschutzkonzept mit Stand vom 28.02.2018, welches dem zu- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11851 - 9 - ständigen Landesamt für Soziales und Versorgung vorgelegt wurde. Für die Einhaltung bzw. Ausführung des Gewaltschutzkonzepts ist gemäß § 2 Absatz 1 Landesaufnahmegesetz (LAufnG) der zuständige Landkreis Elbe-Elster verantwortlich. Hierzu liegen der Landesregierung keine weiteren Erkenntnisse vor. 20. Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung um Frauen und Kinder künftig in Übergangswohnheimen besser zu schützen? zu Frage 20: Das Vorhalten eines Gewaltschutzkonzeptes, das gesetzlich vorgeschrieben ist, dient der Umsetzung der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, sowie der Konvention des Europarats zur „Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt“ (sog. Istanbul-Konvention). Weitere Schlussfolgerungen sind nach Einschätzung der Landesregierung - auch unter Verweis auf die in dem dieser Kleinen Anfrage zugrundeliegenden Fall noch laufenden Ermittlungen - zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angezeigt.