Landtag Brandenburg Drucksache 6/11870 6. Wahlperiode Eingegangen: 07.08.2019 / Ausgegeben: 12.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4696 des Abgeordneten Thomas Domres (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/11707 Unterstützung des Landes Brandenburg beim Erhalt und der Revitalisierung der niederdeutschen Sprache und Kultur (2014 - 2019) Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Brandenburger Platt ist in seinen vielfältigen lokalen Formen ein unverzichtbarer Bestandteil des kulturellen Erbes des Landes Brandenburg. Niederdeutsch bildet gemeinsam mit Hochdeutsch, Niedersorbisch/Wendisch und Romanes die autochthone Sprachenvielfalt des Landes Brandenburg, die gemeinsam mit einer Vielzahl gesprochener migrantischer Sprachen in einem Kontext täglich gelebter Mehrsprachigkeit im Land Brandenburg steht. Die niederdeutsche Sprache ist dabei nicht nur ein museal-folkloristisches Element Brandenburger Kultur, sondern als aktives Kommunikationsmittel zu erhalten und zu stärken. Die Regionalsprache Niederdeutsch, im Volksmund ‘Platt‘ genannt, ist eine Regionalsprache , die in der Bundesrepublik auf der Grundlage der Europäischen Charta der Regionaloder Minderheitensprachen anerkannt und für die unser Land auf der Grundlage von Artikel 7 der Charta Verpflichtungen zum Schutz und zur Pflege der Sprache übernommen hat. Mitte Februar 2018 haben die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, der Vorsitzende des Vereins für Niederdeutsch in Brandenburg e.V. und die Vertreterinnen Brandenburgs im Bundesrat für Niederdeutsch eine Vereinbarung über die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen dem Land Brandenburg und der niederdeutschen Sprachgruppe unterzeichnet. Mit der Niederdeutsch-Vereinbarung hat das Kulturministerium sowohl den Auftrag des Landtags zum Ausbau von Mehrsprachigkeit und Sprachenvielfalt in Brandenburg als auch Verpflichtungen aus der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen erfüllt. Die langjährigen Bemühungen der Landespolitik um das Niederdeutsche haben durch die Vereinbarung eine Qualität erhalten - erstmals gibt es in Brandenburg eine verbindliche Regelung zur Förderung der geschützten Regionalsprache Niederdeutsch. Davon ausgehend frage ich die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung den Verbreitungsgrad des Niederdeutschen in Brandenburg aktuell ein? Zu Frage 1: Belastbare Daten zur Verbreitung des Niederdeutschen liegen nicht vor. Zum historischen Sprachgebiet zählen im Land Brandenburg zumindest Teile aller Landkreise und kreisfreien Städte mit Ausnahme von Cottbus/Chóśebuz, Oberspreewald-Lausitz und Landtag Brandenburg Drucksache 6/11870 - 2 - Spree-Neiße. Aktuell gibt es jedoch kein geschlossenes niederdeutsches Sprachgebiet, sondern punktuell organisierte oder im lokalen Umfeld aktive Sprecherinnen und Sprecher (z.B. in Barnim, Havelland, Ostprignitz-Ruppin, Potsdam-Mittelmark, Prignitz, Teltow- Fläming, Uckermark). Laut einer Erhebung des Instituts für Deutsche Sprache und des Instituts für Niederdeutsche Sprache von 2016 sind sehr gute und gute passive Sprachkenntnisse (Verstehen) bei rund 22 Prozent, mäßige passive Sprachkenntnisse bei etwa 47 Prozent und vereinzelte bis keine passiven Sprachkenntnisse bei rund 31 Prozent der Befragten im niederdeutschen Sprachgebiet in Brandenburg vorhanden. Die Werte für aktive Sprachkenntnisse (Sprechen) liegen bei rund drei Prozent sehr guten und guten, rund neun Prozent mäßigen sowie fast neunzig Prozent vereinzelten bzw. keinen Kenntnissen . Im Hinblick auf die demografische Zusammensetzung ist davon auszugehen, dass die aktiven Sprecherinnen und Sprecher überwiegend den älteren und ältesten Generationen angehören. Mit dem Vorgenannten wird deutlich, dass Platt in Brandenburg zu den aktiv gesprochenen und insbesondere verstandenen Sprachen zählt, jedoch in seinem Bestand als aktiv genutztes Kommunikationsmittel als äußerst gefährdet angesehen werden muss. 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung in der jetzt zu Ende gehenden Wahlperiode zur Unterstützung der niederdeutschen Sprachgruppe im Land Brandenburg ergriffen ? Zu Frage 2: Der 2014 als Dachverband der Niederdeutsch-Sprecherinnen und -sprecher im Land Brandenburg gegründete Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg e.V. wird jährlich gefördert, wodurch u.a. eine gemeinsame Selbstvertretung und Koordination der lokal organisierten Sprecherinnen und Sprecher sowie die Umsetzung verschiedener Projekte ermöglicht wird. Beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) wurde eine mindestens jährlich tagende Arbeitsgruppe Niederdeutsch eingerichtet, die der Kommunikation zwischen niederdeutscher Sprachgruppe und Landesverwaltung dient. 2018 wurde eine Grundlagenvereinbarung unterzeichnet, mit der erstmals die Eckpunkte und Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen der niederdeutschen Sprachgruppe und dem Land geregelt wurden. Bestandteil ist u.a. auch die Selbstverpflichtung des Landes zur Umsetzung der nach Artikel III der europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gezeichneten Verpflichtungen. Mit dem 2018 eingerichteten Bundesländer übergreifenden Niederdeutsch-Sekretariat arbeitet die Landesregierung von Beginn an zusammen. Gemeinsam mit den Sprecherinnen und Sprechern wurde das Pilotprojekt umgesetzt, bundesweit erstmals zweisprachige niederdeutsche Bahnhofsbeschilderungen zu realisieren und damit einen Beitrag zur Sichtbarmachung des Niederdeutschen und zur Erhöhung seines Sprachprestiges zu leisten. Gemeinsam mit der Stadt Prenzlau werden dort auch Projekte zur Einbeziehung des Niederdeutschen in bilinguale schulische Unterrichtsangebote auf vorerst ehrenamtlicher Basis in Brandenburg umgesetzt. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung wird inzwischen vermehrt auf das Niederdeutsche hingewiesen (z.B. 2019 u.a. in der gemeinsamen Pressemitteilung der Ministerinnen für Bildung, Jugend und Sport sowie Wissenschaft , Forschung und Kultur zum „Kinnerwettstrit“, in dem Grußwort des Staatssekretärs im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zur Tagung „Platt in der Pflege“, im Bericht „Brandenburg. Das Kulturland. Entwicklung 2014- 2019“). Damit soll das Bewusstsein dafür gestärkt werden, dass Platt zu Brandenburg gehört und wertvoller Teil des kulturellen Erbes ist. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11870 - 3 - 3. Welche konkreten Maßnahmen zum Erhalt des Niederdeutschen wurden in welchem Umfang finanziell gefördert? Zu Frage 3: Der Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg wird seit 2015 jährlich mit 50.000 Euro durch das MWFK gefördert. Diese Mittel werden für die Arbeit der Geschäftsstelle und verschiedene Projekte eingesetzt. Seit 2018 wird der Bundesrat für Niederdeutsch /Niederdeutsch-Sekretariat mit jährlich 5.000 Euro durch das MWFK gefördert. Die ersten umgesetzten Projekte waren 2018 die Erstellung eines Erinnerungsbuches zur Arbeit mit der niederdeutschen Sprache in der Pflege und die Durchführung einer Tagung zu Platt in der Pflege am 3. Mai 2019 in Wittstock/Dosse. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie förderte die Erstellung von Sprachlehr- und Arbeitsmaterialien für Platt in der Pflege durch den Verein für Niederdeutsch in Brandenburg mit 7.600 Euro. Zur Unterstützung und Revitalisierung der niederdeutschen Sprache hat das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Rahmen des Modellprojektes „Da biste platt… - Plattdeutsch in der Kita“ den Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg e.V. mit insgesamt 9.500 Euro im Jahr 2017 finanziell gefördert. Kern des Modellprojektes war der Besuch von ehrenamtlichen Plattsprecherinnen und Plattsprechern in Kindertageseinrichtungen in der Region, in der die niederdeutsche Sprache beheimatet ist. Durch die Übernahme der Schirmherrschaft durch die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport für den „Kinnerwettstrit“ 2018/19 wurden Schülerinnen und Schüler öffentlichkeitswirksam zur Teilnahme am Wettbewerb aufgerufen. Unter dem Motto „Tru di wat, vertell up platt!“ konnten Schülerinnen und Schüler ihre geschriebenen, gebastelten oder gezeichneten Beiträge einreichen. Darüber hinaus hat das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport den Druck der „1. Brandenburger Plattfibel“, die durch den Verein für Niederdeutsch erarbeitet wurde, mit insgesamt 7.700 Euro unterstützt. Das MWFK förderte darüber hinaus folgende Projekte: Jahr Projektträger Projekt Fördersumme 2015 Initiative Begegnungszentrum Großderschau e.V. Plattdeutsch-Festival Großderschau 1.680 € 2017 Verein der Freunde und Förderer des Dominikanerklosters Prenzlau e.V. Umsetzung der europäischen Sprachencharta – Sichtbarmachung der Regionalsprache Niederdeutsch in Prenzlau 8.650€ 2019 Verein für Niederdeutsch in Brandenburg e.V. Beteiligung Putlitzer Schüler am Vorlesewettbewerb Plattdeutsch in Sachsen -Anhalt 2.500€ 2019 Initiative Begegnungszentrum Großderschau e.V. Plattdeutscher Tag im Havelland mit Theodor Fontane 2.500€ 2019 Verein der Freunde und Förderer des Dominikanerklosters Prenzlau e.V. Plattdütsch-Eck in der Stadtbibliothek Prenzlau 8.000€ 2019 Verein der Freunde und Förderer des Dominikanerklosters Prenzlau e.V. Plattdütsch Eck: Kloenecken mit Rika; Vorbereitung Max-Lindow-Preis (Projektantrag in Bearbeitung) 2019 Verein für Niederdeutsch in Brandenburg e.V. Niederdeutsch-Exkursion zu sorbischen /wendischen Bildungs- und Kultureinrichtungen (Projektantrag in Bearbeitung) Landtag Brandenburg Drucksache 6/11870 - 4 - 4. Wie bewertet die Landesregierung insbesondere den Stand der Vermittlung der niederdeutschen Sprache in Kitas und Schulen, einschließlich außerschulischen Angeboten? Zu Frage 4: Wie in der Antwort zu Frage 1 dargestellt, gibt es in Brandenburg nur wenige aktive Sprecherinnen und Sprecher des Niederdeutschen und kein geschlossenes niederdeutsches Sprachgebiet. Diese Bedingungen erschweren auch den Erhalt und Förderung der Sprache in Kitas und Schulen. Umso erfreulich ist es, dass es in einigen Regionen gelingt, Angebote zur Einbeziehung der niederdeutschen Sprache in den Schulen zu integrieren . So gibt es in Prenzlau unterrichtliche und in Orten wie Dementhin, Putlitz und Sewekow außerunterrichtliche Angebote. Dies ist dem oft ehrenamtlichen Engagement der Vertreterinnen und Vertreter der niederdeutschen Sprachgruppe zu verdanken. Eine weitere Verbreitung bleibt aus den genannten Gründen schwierig. Das Land wird Projekte auch weiterhin unterstützen. 5. Wann wird der in Aussicht gestellte Erlass zu zweisprachigen Ortstafeln in hoch- und niederdeutscher Sprache fertiggestellt? Zu Frage 5: Für den im Entwurf vorliegenden Erlass wird im August 2019 das notwendige Anhörungsverfahren eingeleitet. Der Zeitpunkt des Erlasses der Verwaltungsvorschrift richtet sich dann nach den eingegangenen Stellungnahmen und dem Überarbeitungsbedarf . 6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um die niederdeutsche Sprache auch in Verwaltungen zu verwenden? Zu Frage 6: Die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 des Artikels 10 der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen wird derzeit nicht gesehen. Es ist ein allenfalls geringer Bedarf am Gebrauch des Niederdeutschen im Verwaltungsverfahren zu erwarten. Weitere landesrechtliche Grundlagen für den Gebrauch des Niederdeutschen in Verwaltungen und Behörden existieren derzeit nicht. Aufgrund der großen Nähe und leichten passiven Erschließbarkeit des Niederdeutschen durch Hochdeutschsprecherinnen und –sprecher ist ein mündlicher Gebrauch bei entsprechend erfüllten personellen Voraussetzungen aber nicht ausgeschlossen. 7. Wie bewertet die Landesregierung die Wirksamkeit der Mitwirkung der niederdeutschen Sprachgruppe im Land Brandenburg an der Entwicklung von Zielen und Maßnahmen der Landespolitik? Zu Frage 7: Der Verein für Niederdeutsch in Brandenburg als junger Dachverband verfügt noch nicht über langjährige Erfahrungen der politischen Mitwirkung. Insofern sind gegenüber dem Land artikulierte Positionen der Sprachgruppe quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlich. Auf Arbeitsebene verfügt das Land insbesondere über die AG Niederdeutsch beim MWFK über intensive Kontakte sowohl zum Brandenburger Dachverband als auch zum länderübergreifenden Bundesrat für Niederdeutsch. Das Land unterstützt auch Vernetzungsbemühungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der niederdeutschen Sprachgruppe sowie der Sorben/Wenden, um hier Wissenstransfer und Synergien zu ermöglichen. Die Formulierung der bisher erreichten Ziele wie z.B. die Abbildung im Landeshaushalt, die Ausarbeitung der Grundlagenvereinbarung und die Entwicklung der geförderten Projekte erfolgen in enger Zusammenarbeit zwischen Land Landtag Brandenburg Drucksache 6/11870 - 5 - und Sprachgruppe. Insgesamt ist das Potenzial der Mitwirkung seitens des Brandenburger Dachverbandes aber noch nicht ausgeschöpft. Über die genannten Kommunikationswege hinaus gibt es in Brandenburg derzeit keine weiteren gesetzlich definierten Mitwirkungsrechte . 8. In welcher Form wirkt das Land Brandenburg in überregionalen, nationalen und ggf. auch internationalen Zusammenhängen mit anderen zusammen, um das Niederdeutsche in Brandenburg und darüber hinaus zu stärken? Zu Frage 8: Das Land beteiligt sich aktiv an den Bundesländern übergreifenden Gremien wie den jährlichen Bund-Länder-Referententreffen Niederdeutsch (hier war Brandenburg 2015 auch Gastgeber), dem Beratenden Ausschuss für Fragen der niederdeutschen Sprechergruppe oder den Implementierungskonferenzen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Das Land wird hierbei durch das MWFK vertreten. Mit den benachbarten Bundesländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen bestehen Arbeitskontakte. 2018 beschlossen die Landesregierungen von Sachsen -Anhalt und Brandenburg in einer gemeinsamen Kabinettsitzung eine engere Zusammenarbeit im Bereich des Niederdeutschen, was u.a. bereits zu einer ersten gemeinsamen Sitzung der beiden Landes-AGs 2019 in Magdeburg führte. Weiterhin arbeitet das Land mit dem Niederdeutsch-Sekretariat und dem Bundesrat für Niederdeutsch als Selbstorganisation der Platt-Sprecherinnen und –sprecher aus den acht Bundesländern des niederdeutschen Sprachgebietes zusammen. Seit 2018 werden für länderübergreifende Projekte auch Projektmittel zur Verfügung gestellt (vgl. Antwort zu Frage 3). 9. Wo sieht die Landesregierung besonderen Handlungsbedarf mit Blick auf die kommende Wahlperiode? Zu Frage 9: Besonderer Handlungsbedarf besteht bei der ressortübergreifenden Umsetzung der von Brandenburg für Niederdeutsch übernommenen Verpflichtungen nach Art. 7 (Grundsätze), 8 (Bildung), 9 (Justiz), 10 (Verwaltung und öffentliche Dienstleistungen), 11 (Medien) und 12 (Kultur) der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen .