Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 6. Wahlperiode Eingegangen: 07.08.2019 / Ausgegeben: 12.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4722 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/11733 Tierschutz- und Umweltschutzverstöße in Schlachthöfen Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Brandenburgs Schlachthöfe sind seit längerem Gegenstand der Diskussion. Vor dem Hintergrund zunehmender Kritik an Tiertransporten gibt es vermehrt die Forderung nach mehr Schlachtung in Brandenburg. Gleichzeitig gibt es eine Debatte um die Standards der Schlachtung. Zum einen fallen bei der Schlachtung von Tieren bspw. erhebliche Mengen an Abwässern an und gelten u. a. als Eintragspfade für antibiotikaresistente Keime in die Umwelt. Zum anderen wurden in der jüngsten Vergangenheit tierschutzrechtliche Verstöße in einem Brandenburger Schlachthof bekannt. Hier wurden Schläge und Tritte sowie mehrere Fehlbetäubungen Video-dokumentiert. Der Fall erlangte starke öffentliche Aufmerksamkeit, insbesondere auch dadurch, dass ein Mitarbeiter des Veterinäramtes vor Ort war. Dieser Mitarbeiter soll nach Angaben des zuständigen Amtes nicht mehr für die Überwachung von Schlachtbetrieben eingesetzt werden. Unklar ist, ob und inwieweit dies ein Einzelfall ist. Im Nachbarland Niedersachsen etwa wurden kürzlich Tierquälereien in mehreren Schlachthöfen aufgedeckt. Die Landesregierung Niedersachsens setzt nun auf die Videoüberwachung der Betriebe, um künftig Tierleid zu vermindern und strengt zudem eine Initiative im Bundesrat an. Bestand und Planung: Frage 1: Wie hat sich die Zahl der brandenburgischen Schlachtbetriebe in den letzten 10 Jahren entwickelt? Bitte geben Sie die Anzahl geordnet nach Tierart für die Jahre 2008, 2013 und 2018 an. zu Frage 1: Die dem Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz (MdJEV) vorliegende Entwicklung der Anzahl an Schlachtstätten im Land Brandenburg ist in der nachstehenden Tabelle geordnet nach Tierarten dargestellt. Ab 2010 gibt es auf Grundlage des EU-Lebensmittelhygienerechts eine Zulassungspflicht auch für alle kleinen, handwerklich strukturierten Schlachtbetriebe, die daher ab diesem Zeitpunkt erst in der Landesstatistik erfasst worden sind. Insofern sind die aufgezeigten Daten für das Jahr 2008 in Bezug auf die Daten aus 2013 und 2018 nicht belastbar. Der Vergleich der Daten 2013 versus 2018 zeigt summarisch einen Anstieg der Anzahl der Schlachtstätten im Land Brandenburg in den letzten Jahren auf. Es ist anzumerken, dass ein Schlachtbetrieb eine EU-Zulassung für das Schlachten mehrerer Tierarten besitzen kann. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 - 2 - Jahr Anzahl Schlachtbetriebe in BB davon Anzahl der Schlachtbetriebe zugelassen für folgende Tierarten insgesamt Rind Schaf Pferd Schwein Ziege Geflügel Hasen- Artige Tier Farmwild 2008 25 13 9 0 14 5 6 2 5 2013 142 97 67 10 99 46 23 20 26 2018 175 103 94 20 102 71 23 6 29 Frage 2: Wie viele Schlachthöfe befinden sich im Land Brandenburg in der Planung bzw. im Genehmigungsverfahren? Bitte schlüsseln Sie auf nach Landkreis, Ort, geplante Schlachtkapazität. zu Frage 2: Es sind keine Genehmigungsverfahren nach dem Bundes- Immissionsschutzgesetz für Schlachtanlagen anhängig. Für eine Anlage in Luckenwalde, Landkreis Teltow-Fläming, mit einer Schlachtkapazität von 40 Tonnen pro Tag Lebendgewicht ist eine Genehmigung erteilt, die Anlage jedoch noch nicht in Betrieb. Tierschutzkontrollen: Frage 3: Welche und wie viele tierschutzrechtliche Kontrollen von Schlachtbetrieben sind gesetzlich vorgeschrieben (bitte rechtliche Grundlagen mit angeben)? zu Frage 3: Es ergeben sich nachfolgend aufgeführte gesetzliche Vorgaben über Häufigkeit und Umfang von Tierschutzkontrollen auf Schlachtbetrieben: Die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz schreibt vor regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit zu kontrollieren. Die Verwaltungsvorschrift „Handbuch Tierschutzüberwachung bei der Schlachtung und Tötung“, welche regelmäßig aktualisiert und per Erlass in den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern (VLÜÄ) in Kraft gesetzt wird, schreibt folgende Tierschutzkontrollen vor. Bei handwerklichen Schlachtbetrieben - in regelmäßigen Abständen und bei Verdacht auf Tierschutzmängel; zeitnah bei Wechsel des Betriebspersonals. Bei großen Schlachtbetrieben (>1000 Großvieheinheiten/Jahr [GVE/Jahr]; >150.000 Stk. Geflügel, Kaninchen/Jahr) - Ruhigstellung, Betäubung, Entblutung: risikoorientiert, mindestens arbeitstäglich, - Aufzeichnungen des Tierschutzbeauftragten über Maßnahmen zur Verbesserung des Tierschutzes: risikoorientiert nach Bedarf, mindestens monatlich. Frage 4: Wie viele Tierschutzkontrollen wurden seit 2013 in Brandenburger Schlachtbetrieben durchgeführt (bitte schlüsseln sie auf nach Ort, Betreiber, Tierart sowie unange- Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 - 3 - kündigten und angekündigten Kontrollen und markieren sie die Routinekontrollen und die anlassbezogenen Kontrollen). zu Frage 4: Die Daten, die dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) zu Tierschutzkontrollen vorliegen, die seit 2013 im Land Brandenburg durchgeführt wurden, sind in nachfolgender Tabelle dargestellt. 2013 2014 2015 2016 2017 2018 R A R A R A R A R A R A 55 5 333 1 151 9 53 7 61 8 55 3 R - Routinekontrolle, A - anlassbezogene Kontrolle Frage 5: Wie vielen Verdachtsfällen und Verstößen gingen die zuständigen Behörden in den letzten 5 Jahren nach? Welche Art von Verstößen wurde registriert und durch wen erfolgte die Meldung? zu Frage 5: Die dem MdJEV durch das LAVG vorgelegten Daten zu Verdachtsfällen und Verstößen an Schlachtbetrieben im Land Brandenburg aus den letzten fünf Jahren sind in nachfolgender Tabelle dargestellt. Diese Tabelle umfasst Verstöße, die im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen durch das amtliche Personal festgestellt wurden. Verdachtsfälle, die den VLÜÄ unabhängig von einer Kontrolle bekannt werden, führen in der Regel zu Anlasskontrollen (siehe auch Tabelle zu Frage 4). Jahr Art des Verstoßes Zahl der Verstöße 2014 Management 6 Gebäude, techn. Ausstattung 1 Pflege der Tiere 1 2015 Betäubungsgerät ohne Anzeige einer fehlerhaften Betäubung 1 fehlerhafte Betäubung 2 Management 34 Gebäude, techn. Ausstattung 6 Pflege der Tiere 1 2016 Management 4 Gebäude, techn. Ausstattung 1 2017 Betäubungsgerät nicht für Tierart geeignet 1 Management 6 Pflege der Tiere 1 2018 Management 2 Gebäude, techn. Ausstattung 1 Pflege der Tiere 1 2014 bis 2018 Bestimmungen der TSCH Schlacht VO im Zusammenhang Ruhigstellen, Betäubung, Schlachtung, Tötung 28 Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 - 4 - Frage 6: Welche konkreten Maßnahmen wurden bei festgestellten tierschutzrechtlichen Verstößen eingeleitet (bitte führen Sie die Verstöße und Maßnahmen je Betrieb mit Ort und Betreiber auf)? zu Frage 6: Im Zeitraum von 2014-2018 wurden bei tierschutzrechtlichen Verstößen folgende Maßnahmen eingeleitet: 57 Empfehlungen/Belehrungen, 17 Ordnungsverfügungen und 9 OWiG-Verfahren. Die Erfassung der Daten über Kontrollen erfolgt zu statistischen Zwecken. Daher liegen keine Informationen über die konkreten Verstöße im Einzelfall vor. Umweltkontrollen: Frage 7: Wie oft, von wem und auf welche Parameter wurden die Abwässer der Schlachthöfe seit 2013 kontrolliert? Frage 8: Wie viele Verstöße gegen Umweltgesetze (z. B. Bundesimmissionsschutzgesetz) sind dadurch aufgedeckt worden? Um welche Verstöße handelte es sich dabei? zu Frage 7 und 8: Das Abwasser von Schlachthöfen wird in die öffentliche Kanalisation eingeleitet. Hierfür gelten die Maßgaben der jeweils erlassenen Schmutzwasserbeseitigungssatzung des kommunalen Aufgabenträgers. Die Überwachung der satzungsgemäßen Einleitbedingungen obliegt dem Betreiber der öffentlichen Kanalisation; etwaige Abweichungen sind im Binnenverhältnis zwischen dem gewerblichen Einleiter und dem öffentlichen Aufgabenträger zu klären. Berichtspflichten gegenüber den Behörden bestehen hierzu nicht, wie auch der Landesregierung hierüber keine Informationen vorliegen. Seit 2013 wurden bei Kontrollen nach § 52 BImSchG 32 kleinere Mängel festgestellt, die noch während der Kontrolle beseitigt wurden. Die Erfassung der Daten über Kontrollen erfolgt nur zu statistischen Zwecken und Terminkontrollen. Daher liegen keine Informationen über die konkreten Verstöße im Einzelfall vor. Frage 9: Welche konkreten Maßnahmen wurden bei festgestellten immissionsschutzrechtlichen Verstößen eingeleitet (bitte führen Sie die Verstöße und Maßnahmen je Betrieb mit Ort und Betreiber auf)? zu Frage 9: In folgenden Fällen wurden Maßnahmen ergriffen: - im Schlacht- und Lohnbetrieb Johan Nesges, Dahmetal OT Görsdorf, 23. Januar 2007 Anhörung wegen Bauens ohne Baugenehmigung. Bauarbeiten wurden nach Anhörung eingestellt, - im Märkischen Geflügelhof-Spezialitäten GmbH, Königs Wusterhausen, Teilstilllegung mit Ordnungsverfügung vom 20. Juni 2017 wegen Überschreitung der Schlachtkapazität, - im Schlachtbetrieb GmbH Perleberg, Perleberg, am 10. November 2010 Kontrolle wegen Betriebszeitüberschreitung (Lärmbelästigung), 17. November 2010 Anhörung, Bußgeldbescheid . Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 - 5 - Bewertung der Landesregierung: Frage 10: Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung in Bezug auf die Zahl der tierschutzrechtlichen Verstöße in Schlachthöfen? Welche weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung tierschutz- sowie immissionsschutzrechtlicher Belange an Schlachthöfen sind geplant? zu Frage 10: Zu den tierschutzrechtlichen Belangen: Vor dem Hintergrund der tierschutzwidrigen Vorkommnisse in den Schlachtbetrieben in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und auch in Brandenburg wurde vom MdJEV kurzfristig ein Erlass zur anlassbezogenen Kontrolle sämtlicher zugelassener Schlachtstätten für Rinder in Brandenburg in Kraft gesetzt. Die VLÜÄ der Landkreise werden darin aufgefordert , im Licht der aktuellen Vorkommnisse die ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts zu überprüfen. Die gezeigten Bilder und Missstände in den Schlachtbetrieben sind inakzeptabel und verstoßen offenkundig gegen das Tierschutzrecht. Die Verstöße werden derzeit auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft. Brandenburg setzt sich im Zuge der zukünftigen Vermeidung solcher Zustände dafür ein, dass die entsprechenden Bereiche in den Schlachtbetrieben per Videokamera überwacht werden müssen und fordert die Bundesregierung dazu auf, dies entsprechend rechtlich zu verankern. Sicherzustellen ist die ausreichende Überwachung der sensiblen Bereiche des Zutriebs, der Betäubung und der Tötung in den Schlachtbetrieben. Voraussetzung für einen korrekten und tierschutzgerechten Umgang mit den Tieren auf Schlachthöfen sind regelmäßige Schulungen und die Sensibilisierungen des Schlachthofpersonals. Die Schlachtbetriebe haben ihre eigenen Qualitätsmanagementsysteme so zu gestalten, dass Arbeitsschritte und Routinen einen tierschutzgerechten Umgang mit den Tieren gewährleisten. Diese sind regelmäßig zu überprüfen und anzupassen. Aus tierschutzrechtlicher und -fachlicher Sicht erfolgt auf Bund-Länder-Ebene eine intensive Diskussion bezüglich der Stärkung der amtlichen Tierschutzkontrollen in Schlachthöfen. Brandenburg beteiligt sich aktiv bei der Erstellung eines einheitlichen Maßnahmenpakets zur Stärkung der Tierschutzkontrollen in Schlachthöfen. Dies umfasst die Entwicklung von einheitlichen Standards der behördlichen Kontrollen, Kontrollumfang und Festlegung von Kontrollinhalten, der Aus- und Weiterbildung des amtlichen Personals sowie der Weiterbildung der Mitarbeiter an Schlachthöfen. Die Einführung der Videoüberwachung der Schlachthöfe auf Basis rechtlicher Grundlagen, die gegenwärtig diskutiert werden, wird befürwortet. Gleichzeitig bringt sich Brandenburg aktiv ein, um die betriebliche Eigenverantwortung der Schlachthofbetreiber zu fördern und einzufordern. Es geht insbesondere um einheitliche Bewertungsstandards für die betrieblichen Eigenkontrollen. Brandenburg unterstützt alle Aspekte, die sich positiv auf die Stärkung des Tierschutzes in den Schlachtstätten auswirken. Zu den immissionsschutzrechtlichen Belangen: Es sind keine weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Belange erforderlich, da die vorhanden Instrumente einen effizienten Vollzug ermöglichen. Frage 11: Welche Risiken/Gefahren sieht die Landesregierung für Grund- und Oberflächenwässer durch potentiell belastete Abwässer aus Schlachthöfen und wie begegnet sie diesen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11876 - 6 - zu Frage 11: Die zur Abwasserbehandlung eingesetzten Verfahren entsprechen dem Stand der Technik. Bei einem ordnungsgemäßen Zustand und Betrieb von Kanalisationen und Kläranlagen misst die Landesregierung den Abwässern aus Schlachthöfen keine zusätzlichen Risiken oder Gefahren zu. Frage 12: Unterstützt die Landesregierung die Bundesratsinitiative Niedersachsens zur Einführung einer kameragestützten Überwachung als einen Teil von Maßnahmen zur besseren Durchsetzung tierschutzrechtlicher Belange in Schlachthöfen? Ist die Einführung einer verbindlichen Videoüberwachung von Schlachthöfen auch in Brandenburg geplant? Wenn ja: Wann wird die Überwachung eingeführt? zu Frage 12: Wie in der Antwort zu Frage 10 bereits beschrieben, unterstützt die Landesregierung die Einführung einer kameragestützten Überwachung als einen Teil von Maßnahmen zur besseren Durchsetzung tierschutzrechtlicher Belange in Schlachthöfen vollumfänglich . In dieser Sache müssen rechtliche Grundlagen unter Beachtung des Datenschutzes geschaffen werden. Gegenwärtig findet dazu ein intensiver Fachaustausch auf Bund-Länder-Ebene statt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann deshalb kein Termin genannt werden, wann die Videoüberwachung in Brandenburg eingeführt wird.