Landtag Brandenburg Drucksache 6/11889 6. Wahlperiode Eingegangen: 09.08.2019 / Ausgegeben: 14.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4705 des Abgeordneten Michael Jungclaus (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/11716 Reaktivierung stillgelegter Eisenbahnstrecken Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Angesichts steigender Fahrgastzahlen und stetig zunehmendem Güterverkehr muss das Schienennetz ausgebaut werden. Eine Möglichkeit besteht darin, stillgelegte Eisenbahnstrecken zu reaktivieren. Die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) haben kürzlich darauf hingewiesen, dass es in den letzten Jahren bereits eine Reihe erfolgreicher Reaktivierungsbeispiele gab, der Handlungsbedarf aber gewaltig bleibe. Der Aufstellung ist zu entnehmen, dass in Brandenburg seit 1994 drei Strecken mit einer Länge von 56 km reaktiviert wurden, davon zwei Strecken im Personen- (27 km) und eine im Güterverkehr (29 km). Der VDV hat zudem eine umfangreiche Liste mit Reaktivierungsvorschlägen erarbeitet, darunter auch Strecken in Brandenburg. Stillgelegte Strecken, die mal als überflüssig galten, sollten dementsprechend für die Zukunft freigehalten und nicht entwidmet werden. Wie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 25 „Situation des Bahnverkehrs“ vom Herbst 2017 gezeigt hat, wurden zwischen 2006 und 2016 insgesamt 15 Strecken mit einer Gesamtlänge von 249 km stillgelegt. Dabei wurden 60 Haltepunkte geschlossen. Im selben Zeitraum wurden 28 Strecken mit einer Gesamtlänge von 355 km entwidmet. Insgesamt sind seit der Wiedervereinigung rund 539 km Bahnstrecken in Brandenburg stillgelegt worden wie der RBB berichtete. Die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung hat am 6. Juni 2019 im Verkehrsausschuss erklärt, eine systematische Untersuchung der Reaktivierungspotentiale habe noch nicht stattgefunden, eine Reihe der vom VDV vorgeschlagenen Maßnahmen werde aber bereits umgesetzt. 1. Wurden seit 1. Januar 2017 Strecken stillgelegt und/oder entwidmet? Wenn ja: a. Welche Strecken wurden in diesem Zeitraum stillgelegt/entwidmet? b. Wie viele Strecken-km wurden stillgelegt/entwidmet (absolut und prozentual)? c. Wie viele Haltepunkte wurden durch die Streckenstilllegungen geschlossen zu Frage 1: Folgende Strecken wurden in den letzten Jahren stillgelegt: 2017: Strecke 6888 Neugarten - Ketzin, Teilbereich Mosolf bis Ende Ketzin; 6,471 km, 70% der Gesamtstrecke 2018: Strecke 6542 Niemegk - Bad Belzig, Teilbereich BÜ B102 bis Ende Niemegk; 0,993 km, 8% der Gesamtstrecke Landtag Brandenburg Drucksache 6/11889 - 2 - 2018: Strecke 6945 Pritzwalk Putlitz, Teilbereich BÜ HP Gymnasium bis vor Laaske; 10,670 km, 64% der Gesamtstrecke; 3 Halteplätze wurden geschlossen (Kuhbier, Groß Langerwisch, Jakobsdorf) 2. Welche stillgelegten Strecken wurden seit 2006 reaktiviert? (Bitte Angabe der Streckenkm .) zu Frage 2: In Brandenburg wurden seit 2006 für den SPNV auf den Streckenabschnitten: Bad Saarow – Bad Saarow Klinikum (2011, ca. 1,0km) und Joachimsthal – Templin (2018, ca. 26,2km) SPNV-Angebote nach zwischenzeitlich nicht erfolgter Bedienung durch das Land Brandenburg bestellt. 3. Bei welchen Strecken sind aktuell Reaktivierungen geplant? (Bitte Angabe der Strecken -km, des aktuellen Umsetzungsstands und der Gründe für die Reaktivierung.) 4. Welche Strecken in Brandenburg kommen aus Sicht der Landesregierung zusätzlich zu den bereits vorgesehenen Strecken für eine Reaktivierung in Frage? (Bitte priorisierte Liste mit Angabe der Strecken-km, Zustand der Strecke, Eigentumsverhältnissen, Verkehrsprognosen .) zu Fragen 3 und 4: In Brandenburg ist die Reaktivierung des SPNV-Angebotes auf der Dresdner Bahn (etwa 4,0km) als Direkteinbindung nach Berlin geplant. Weiterhin werden im Rahmen des Projektes i2030 die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines SPNV-Angebotes auf den Streckenabschnitten Abzw Schönwalde - Landesgrenze Berlin/Brandenburg (Stammstrecke Heidekrautbahn , ca. 7,7km), Hennigsdorf - Landesgrenze Berlin/Brandenburg (Prignitzexpress/Kremmener Bahn, ca. 1,8 km) und Düppel - Potsdam Griebnitzsee (Potsdamer Stammbahn, ca. 6,2km) beplant und geprüft. Außerhalb des i2030-Projektes ist die Verlängerung der RB 35 von Bad Saarow Klinikum nach Bad Saarow Süd (ca. 1,4 km) vorgesehen. 5. Gibt es eine grobe Abschätzung der Kosten, die bei einer Ertüchtigung pro km anfallen? Von welchen Kosten geht die Landesregierung etwa bei der Reaktivierung der Heidekrautbahn aus? zu Frage 5: Ein allgemeingültiger Ansatz für eine Kostenabschätzung ist ohne die erforderlichen Planungen nicht möglich. Zwar lassen sich Kosten aus bereits vorliegenden Planungen anderer, vergleichbarer Streckenabschnitte hochrechnen, weisen jedoch aufgrund der nicht untersetzten Ansätze eine sehr hohe Ungenauigkeit auf und können somit nicht als Entscheidungskriterium dienen. Für die Stammstrecke der Heidekrautbahn liegt aktuell eine im Vorfeld durch die NEB erstellte Vorentwurfsplanung im Bereich zwischen Berlin- Wilhelmsruh und dem Abzweig Schönwalde vor, die einen Stundentakt berücksichtigt. Der beabsichtigte Halbstundentakt wird in den nachfolgenden Planungsphasen dieses Abschnittes sowie in den weiteren, noch zu planenden Abschnitten Abzweig Schönwalde - Basdorf (NEB) Berlin-Wilhelmsruh - Berlin-Schönholz - Berlin-Gesundbrunnen (DB Netz AG) Landtag Brandenburg Drucksache 6/11889 - 3 - Anpassungen im übrigen NEB-Netz (NEB) berücksichtigt. In Summe rechnet die Landesregierung mit über 100 Mio. € Investitionskosten für das Projekt , davon ca. 30 Mio. € in Brandenburg. 6. Mit welchen Maßnahmen stellt die Landesregierung sicher, dass es nicht zur Entwidmung stillgelegter Strecken kommt? zu Frage 6: Die Landesregierung setzt eine hohe Priorität für die Sicherstellung eines bedarfsgerechten SPNV-Angebotes an. Dazu gehört insbesondere ein verantwortungsvoller Umgang mit der Möglichkeit einer Freistellung gewidmeter Eisenbahnverkehrsflächen von Bahnbetriebszwecken nach §23 AEG. Im Vorfeld eines Freistellungsantrages nach §23 AEG erfolgt i.d.R. eine Stilllegung der Eisenbahnbetriebsanlagen nach erfolglosem Abgabeverfahren gemäß §11 AEG, bei dem sich potentielle Interessenten auf den Weiterbetrieb der Bahnanlagen bewerben können. Besteht kein Interesse potentieller Betreiber, kann der Antrag des Betreibers auf Stilllegung nicht abschlägig beschieden werden. Die Fläche bleibt jedoch als gewidmete Eisenbahnbetriebsfläche erhalten, bis ein entsprechender Antrag des Eigentümers auf Freistellung von Bahnbetriebszwecken positiv beschieden wird.