Landtag Brandenburg Drucksache 6/11916 6. Wahlperiode Eingegangen: 14.08.2019 / Ausgegeben: 19.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4710 der Abgeordneten Thomas Domres (Fraktion DIE LINKE) und Anke Schwarzenberg (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/11721 Strukturstärkungsgesetz: sonstige gesetzliche und nichtgesetzliche Maßnahmen des Bundes Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Seit dem 22. Mai 2019 liegt der Landesregierung ein Eckpunktepapier der Bundesregierung zum „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ vor. Im vorgesehenen Mantelgesetz „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ werden im Punkt IV.3. weitere gesetzliche und nicht gesetzliche Maßnahmen des Bundes beschrieben. Wir fragen die Landesregierung: 1. Mit einem Umfang von bis zu 26 Milliarden Euro bis 2038 sollen weitere Maßnahmen finanziert werden. Für die nächsten fünf Jahre sind für Brandenburg ca. 1,9 Milliarden Euro vorgesehen. Nach welchen Finanzierungsgrundsätzen soll die Bereitstellung erfolgen? Zu Frage 1: Aus Sicht der Landesregierung bezieht sich die Formulierung “Finanzierungsgrundsätze ” auf den in Kapitel IV.2 aufgeführten Verteilschlüssel zur Gewährung von Finanzhilfen (Anteil Brandenburg: 25,8%). Es ist aus den Formulierungen des Eckpunkte- Papiers nicht eindeutig ersichtlich, ob der für das Investitionsgesetz verwendete Verteilschlüssel zwischen den Revieren bzw. Ländern auch für die sonstigen gesetzlichen und nicht gesetzlichen Maßnahmen des Bundes anwendbar ist. Im entsprechenden Kapitel IV.3 wird im einleitenden Text wiederum auf die “… oben genannten Finanzierungsgrundsätze ” verwiesen. Insofern geht die Landesregierung derzeit davon aus, dass die 26 Mrd. EUR für alle Braunkohlereviere mit einer Laufzeit von 20 Jahren zur Verfügung stehen. Dies entspräche rd. 1,3 Mrd. EUR p.a. und für Brandenburg somit anteilig insgesamt ca. 6,7 Mrd. EUR, mithin rd. 335,4 Mio. EUR p.a. Die seitens des Bundes für die Umsetzung prioritärer Projekte in Brandenburg benannten 1,9 Mrd. EUR für die ersten fünf Jahre sind von diesem grundsätzlichen Verteilmechanismus zunächst unabhängig zu betrachten und werden von der Landesregierung als ein erstes belastbares Zugeständnis des Bundes zur Bereitstellung von Finanzmitteln im Rahmen der sonstigen gesetzlichen und nicht gesetzlichen Maßnahmen des Bundes angesehen. 2. Welche Kriterien gelten, um eine Maßnahme als prioritäres Projekt einzuordnen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11916 - 2 - Zu Frage 2: Es liegt keine schriftliche zwischen dem Bund und den Ländern abgestimmte Definition für “prioritäre Projekte” vor. Nach dem Verständnis der Landesregierung handelt es sich hierbei um Projekte, die eine besondere und langfristige Strahl- bzw. Wirkkraft für den weiteren Strukturentwicklungsprozess in den Revieren entfalten können. Dies schlägt sich u.a. an den einzuschätzenden Struktureffekten (Arbeitsplätze, regionale Wertschöpfung etc.) nieder. Die für Brandenburg aufgeführten prioritären Projekte sind ein Ergebnis der Meldungen der Landesregierung unter Beteiligung der Ministerien und der seitens der Bundesregierung selbst erarbeiteten Vorschläge. 3. Wie erfolgte die Auswahl und wer wurde an der Auswahl beteiligt? Zu Frage 3: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Ist für die Planung der Bundesmittel ein Degressionsansatz angedacht und wenn ja wie schätzt die Landesregierung diesen Ansatz ein? Zu Frage 4: Zur Umsetzung und finanziellen Ausgestaltung der sonstigen gesetzlichen und nicht gesetzlichen Maßnahmen des Bundes liegen der Landesregierung bislang keine Informationen vor. 5. Ist für den Erhalt der Investitionen des Bundes mit Auflagen zu rechnen, wenn ja welche ? Zu Frage 5: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. 6. In welcher Höhe sind Eigenmittel zur Kofinanzierung der Länder bzw. der Kommunen bei den Investitionen des Bundes vorgesehen? Zu Frage 6: Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mantelgesetz "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" liegt der Landesregierung gegenwärtig noch nicht vor. Aussagen zur Höhe von möglichen Kofinanzierungsbedarfen für das Land, die aus vorgenanntem Bundesgesetz sowie ggf. weiteren Beschlussfassungen der Bundesregierung resultieren werden, sind daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. 7. Im Eckpunktepapier wird eine Bund-Länder-Vereinbarung zur „Sicherung der Strukturhilfe für die Braunkohleregionen“ vorgeschlagen. Welche Vor- und Nachteile hat eine Bund-Länder-Vereinbarung im Vergleich zu einem Staatsvertrag? Bitte bewerten hinsichtlich : langfristige Sicherung der Mittel, parlamentarische Kontrolle und Transparenz für Zivilgesellschaft und Flexibilität bei eintretenden Veränderungen sowie weiteren Kriterien? Zu Frage 7: Grundsätzlich sei angeführt, dass Staatsverträge im verfassungsrechtlich bestimmten Zuständigkeitsbereich des Landes gemäß Artikel 91 Absatz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) geschlossen werden. In der Form des Staatsvertrages sind jedenfalls alle Übereinkünfte zu schließen, die nach Artikel 91 Absatz 2 LV der Zustimmung des Landtages bedürfen, weil sie sich auf Gegenstände der Gesetzgebung beziehen oder Aufwendungen erfordern, für die Haushaltsmittel nicht vorgesehen sind. Verwaltungsabkommen (vgl. § 31 GGO) hingegen, sind alle staatsrechtlichen Übereinkünfte, die nicht nach Artikel 91 Absatz 2 LV zustimmungsbedürftig sind. Sie sind im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass sie innerstaatlich mit Mitteln des Verwaltungsrechts allein Landtag Brandenburg Drucksache 6/11916 - 3 - durch die Exekutive, z. B. durch Verwaltungsakt, -vorschrift oder mittels öffentlichrechtlichen Vertrages durchgeführt werden können. Darüber hinaus ist es möglich, ein Verwaltungsabkommen, dem erhebliche politische Bedeutung zukommt, als zustimmungsbedürftigen Staatsvertrag zu behandeln (vgl. auch Anlage 16 zu § 31 Absatz 1 GGO). Eine Qualifizierung des jeweiligen Vertrages als ggf. Verwaltungsabkommen oder Staatsvertrag ist abhängig von dem konkret ausgestalteten Vertragsinhalt sowie dem jeweils geltenden Landesrecht. Eine Bund-Länder-Vereinbarung kann ein Verwaltungsabkommen sein, das im Unterschied zu einem Staatsvertrag auch ohne parlamentarische Beteiligung geschlossen werden kann. Der Abschluss eines Staatsvertrages ist daher mit einem höheren Maß an parlamentarischer Kontrolle und an Transparenz für die Zivilgesellschaft verbunden, als der Abschluss eines Verwaltungsabkommens: Es findet eine öffentliche parlamentarische Debatte statt, die dokumentiert wird; der Landtag kann sich für oder gegen den Staatsvertrag entscheiden; im Falle der Zustimmung wird der Staatsvertrag als Anhang zu dem Vertragsgesetz im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Das Verfahren zum Abschluss eines Staatsvertrages ist wegen der Beteiligung des Parlaments langwieriger als dasjenige zum Abschluss eines Verwaltungsabkommens. Im Hinblick auf die langfristige Sicherung der Mittel unterscheiden sich ein Verwaltungsabkommen und ein Staatsvertrag in grundsätzlicher Hinsicht nicht, da beide gleichermaßen rechtlich verbindlich sind. Allerdings kann selbst eine rechtlich bindende Vereinbarung die Entscheidungsfreiheit des Parlaments nicht einschränken. Gerade langfristige Vereinbarungen enthalten daher üblicherweise Kündigungsklauseln; haushaltsrelevante Vereinbarungen stehen zudem regelmäßig unter dem Vorbehalt der Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch das Parlament. Auf eintretende Veränderungen kann grundsätzlich jederzeit durch eine einvernehmliche, von allen Vereinbarungspartnern getragene Anpassung der Vereinbarung reagiert werden. Da die Anpassung eines Staatsvertrages der erneuten parlamentarischen Beteiligung bedarf, ist sie langwieriger als die Anpassung eines Verwaltungsabkommens. 8. Sollte es zu einer Bund-Länder-Vereinbarung bzw. zu einem Staatsvertrag kommen, können die Finanzhilfen zum Investitionsgesetz und die Investitionen des Bundes in einer gemeinsamen Vereinbarung bzw. Staatsvertrag geregelt und gesichert werden oder sind mehrere unterschiedliche Verträge erforderlich? Bitte erläutern. Zu Frage 8: Grundsätzlich erscheint es nicht ausgeschlossen, sowohl die Finanzhilfen als auch die sonstigen Maßnahmen des Bundes gemeinsam in einer Bund-Länder- Vereinbarung zu regeln. Dies setzt allerdings voraus, dass die Vereinbarung im Hinblick auf sämtliche in ihr zu regelnden Maßnahmen alle Anforderungen erfüllt, die gegebenenfalls in den jeweiligen Rechtsgrundlagen der Maßnahmen an eine solche Vereinbarung gestellt werden. Inwieweit das im Hinblick auf die Gegenstände des Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen der Fall ist, lässt sich allenfalls beurteilen, wenn ein konkret formulierter Entwurf vorliegt. 9. Im Gesetzentwurf werden Projektentwicklungsgesellschaften vorgeschlagen, die geordnete Wege der Projekt- und Strukturentwicklung ermöglichen sollen. Wie bewertet die Landesregierung diesen Vorschlag und wie sollen bei der Gründung einer solchen Projektentwicklungsgesellschaft die vorhandenen unterschiedlichen Lausitzstrukturen Berücksichtigung finden? Zu Frage 9: Fragen zur Gründung einer Strukturentwicklungsgesellschaft für die Lausitz Landtag Brandenburg Drucksache 6/11916 - 4 - sind derzeit noch Gegenstand interner Abstimmungsgespräche innerhalb der Landesregierung . 10. Wie kann Brandenburg sichern, dass trotz der Finanzierung besonders bedeutsamer bzw. gesamtstaatlich bedeutsamer Investitionen auch Finanzmittel für weniger bedeutsame Projekte der Länder und Kommunen bereitgestellt werden? Zu Frage 10: Die Finanzierung weniger bedeutsamer Projekte wird grundsätzlich nicht über die Strukturhilfen des Bundes, sondern im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel über landeseigene Mittel und Programme erfolgen. Mit den “Fördergrundsätzen Lausitz” ist dieser Ansatz bereits erfolgreich erprobt worden. Das Angebot ist in der Region sehr gut angenommen worden und ermöglicht die Förderung kleinteiliger Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von bis zu 50.000 EUR. Eine mögliche Verlängerung bzw. Neuauflage der “Fördergrundsätze” wird zu gegebener Zeit diskutiert und entschieden werden. 11. Gibt es seitens der Landesregierung Planungen/Vorstellungen, die Lausitz zu einem Kompetenzzentrum für Wassermanagement/Wasserqualität zu entwickeln, bzw. gibt es andere Überlegungen, die dieses Anliegen im Blick haben? Zu Frage 11: Es ist nicht vorgesehen, in der Lausitz ein Kompetenzzentrum für Wassermanagement / Wasserqualität zu entwickeln. Allerdings wurde aufgrund der Erfahrungen aus dem Dürrejahr 2018 und dem allgemeinen Klimatrend in der gemeinsamen Kabinettsitzung der Landesregierung Brandenburg und der Staatsregierung Sachsen am 11.06.2019 übereinstimmend entschieden, dass es für das Lausitzer Braunkohlenrevier ein länderübergreifendes „Wassermanagement Lausitz“ geben muss, zu dessen Umsetzung die bestehenden länderübergreifenden Strukturen unter Beteiligung der Bergbauunternehmen und des Bundes weiter zu entwickeln sind. 12. Bei den im Entwurf aufgezählten Maßnahmen insbesondere im Bereich der angewandten Forschung und Entwicklung (keine Grundlagenforschung) gibt es keinen Bezug zur Weiterentwicklung des Wassermanagements (Qualität/Quantität) in der Lausitz. Gibt es Vorstellungen/Planungen/Projekte, um diesen Bereich abzudecken? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 12: Die Landesregierung hat ein Projekt im Rahmen des geplanten „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ angemeldet, welches sich mit der Sicherung der Mindestwasserabflüsse in den Flussgebieten Spree, Schwarze Elster und Lausitzer Neiße befasst. Inhalt des mehrstufigen Projektes ist es, zunächst die Auswirkungen des Klimatrends und der ausbleibenden Wassereinleitungen aus den Tagebauen auf die Abflüsse in den Flussgebieten modelltechnisch zu prognostizieren und anhand dessen die Folgen für die Nutzungen abzuleiten. Auf dieser Basis sollen Maßnahmenvarianten geprüft und Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.