Landtag Brandenburg Drucksache 6/11938 6. Wahlperiode Eingegangen: 19.08.2019 / Ausgegeben: 26.08.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4746 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/11769 Polens Pläne zur Vertiefung der Oder-Fahrrinne Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Wie die MOZ am 13. Juli 2019 berichtete, liegen in Polen seit 1. Juli Pläne für die Vertiefung der Oder-Fahrrinne zur Öffentlichkeitsbeteiligung aus, ohne dass die deutsche Seite informiert wurde. Im Kern gehe es darum, dass eine Fahrrinne für die Schifffahrt von mindestens 1,80 Meter Tiefe hergestellt werden soll, die im Oder-Abschnitt von Ratzdorf bis Küstrin zu 80 Prozent eines Jahres und von Küstrin bis Schwedt zu 90 Prozent des Jahres garantiert sein soll. Brandenburg setzt beim Hochwasserschutz als Folge des Extremhochwassers im Sommer 1997 das Programm „Sicherheit und Zukunft für die Oderregion“ mit dem Ziel der Wiederherstellung und Ertüchtigung der Hochwasserschutzanlagen an der Oder um, damit künftige Extremhochwasser mit einer 200-jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit schadlos gekehrt werden können. Für den Naturschutz stellt das Odertal mit seinem über 500 km bis zur Mündung frei-fließenden Fluss einen wichtigen Korridor mit großflächigen und hochwertigen Schutzgebieten dar. So ist die Oder Vorranggewässer für die Wiederansiedlung des Baltischen Störs. Seit 2006 erfolgen mit finanziellen Fördermitteln der öffentlichen Hand Besatzmaßnahmen, deren Erfolge (Rückkehrer zum Laichen) ab 2020 erwartet werden. Vorbemerkung der Landesregierung: Das Beteiligungsverfahren zu dem polnischen Vorhaben wurde am 31.07.2019 eröffnet (siehe Antwort zu Frage 2) und endet am 29. August 2019. Die Unterlagen sind dem Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL) mit Schreiben der zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes am 24.07.2019 zugegangen. Beteiligung der deutschen Seite 1. Hat die Landesregierung Kenntnis von den Plänen zur Vertiefung der Oder-Fahrrinne? Wenn ja, was genau sehen die Pläne vor und wie positioniert sich die Landesregierung dazu? Zu Frage 1: Die Landesregierung hat Kenntnis von den Plänen und prüft diese gerade im Rahmen eines UVP-Beteiligungsverfahrens (siehe auch Antwort zu Frage 2). Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzuwarten. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11938 - 2 - Die Planungsunterlagen sind sehr umfangreich und können in deutscher Fassung seit dem 31.07.2019 auf der Internetseite der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Magdeburg (GDWS) unter www.gdws.wsv.bund.de in der Rubrik „Wasserstraßen /Planfeststellung", Stichwort „aktuelle Planfeststellungsverfahren", Überschrift „Umweltverträglichkeitsprüfung der Republik Polen für Modernisierungsarbeiten am Grenzfluss Oder" eingesehen werden. Es wird hier auf Kapitel 2 „Beschreibung des geplanten Projektes“ des polnischen Berichtes über die Auswirkungen der Investition auf die Umwelt verwiesen. 2. Gab es eine offizielle Beteiligung der Landesregierung bzw. der Bundesregierung? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Zu Frage 2: Die Generaldirektion für Umweltschutz der Republik Polen übersandte der GDWS mit Schreiben vom 02.07.2019 die Dokumentation der Umweltauswirkungen für das Vorhaben und bat um Einleitung der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland. Diese erfolgt auf der Grundlage der §§ 58 ff. des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung . Das Beteiligungsverfahren wurde von der zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mit der öffentlichen Auslegung am 31.07.2019 eröffnet und endet am 29. August 2019. Die entsprechenden Unterlagen sind dem MLUL mit Schreiben der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Magdeburg (GDWS) vom 23.07.2019 am 24.07.2019 zugegangen. Hochwasserschutz 3. Welche Auswirkungen sind auf die umfangreich fertiggestellten Hochwasserschutzmaßnahmen und das Hochwasserrisiko zu erwarten? Wird trotz der Maßnahmen zur Vertiefung der Oder die Hochwasserneutralität gewährleistet werden, d.h. der Scheitel des Bemessungshochwassers für die Deiche wird durch die geplanten Maßnahmen nicht signifikant erhöht? zu Frage 3: Im Verfahren zu den grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen zur Maßnahme „1B.2 Etappe I und Etappe II Modernisierungsarbeiten an der Oder als Grenzfluss im Rahmen des Projekts des Hochwasserschutzes im Einzugsgebiet der Oder und Weichsel " hat sich das Land in seiner ersten Stellungnahme vom November 2018 zu den Belangen des Hochwasserschutzes u.a. wie folgt positioniert: „Die zwischen den Ländern abgestimmten grundlegenden Ziele für das Risikomanagement im Odereinzugsgebiet sind die Vermeidung neuer Risiken (im Vorfeld eines Hochwassers ) sowie die Reduktion bestehender Risiken (im Vorfeld eines Hochwassers) im Hochwasserrisikogebiet. Maßnahmen, die zu Erhöhungen der Wasserspiegellagen bei Hochwasser führen, sind daher zu vermeiden. Die geplanten Maßnahmen verändern die Fließdynamik (Veränderung Fließquerschnitt, Fließgeschwindigkeiten) und führen somit zu einer Veränderung des Hochwasserabflusses . So weisen alle im Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau - BAW (2014) betrachteten Varianten eine Erhöhung der Wasserspiegellagen im Hochwasserfall aus. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11938 - 3 - Die Auswirkungen dieser Wasserstandserhöhungen auf die verschiedenen Schutzgüter und insbesondere auf die Gefährdung von Personen- und Sachgütern fehlt in den vorliegenden Unterlagen und sollte nachgeholt werden. Ebenfalls sind die Auswirkungen auf die bestehenden Hochwasserschutzanlagen zu beschreiben, da mit den erhöhten Wasserständen ggf. die bestehenden Bemessungsgrundlagen zu überarbeiten sind.“ Ob die Bedenken in der aktualisierten Dokumentation der Umweltauswirkungen und durch die Gegenäußerung zu den im vorherigen Beteiligungsverfahren 2018 eingegangenen Stellungnahmen ausgeräumt werden konnten, kann derzeit noch nicht beantwortet werden . Die umfangreichen Unterlagen dazu liegen erst seit wenigen Tagen vor, so dass die Sichtung noch nicht abgeschlossen werden konnte. 4. Wie ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur respektive die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes eingebunden? zu Frage 4: siehe Antwort zu Frage 2, erster Absatz. 5. Welchen aktuellen Kenntnisstand zu den Oder-Ausbauplänen auf polnischer Seite hat die Landesregierung durch die zuständigen Arbeitsgruppen der deutsch-polnischen Grenzgewässerkommission und der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder ? zu Frage 5: In der Arbeitsgruppe W4 der Deutsch-Polnischen Grenzgewässerkommission informiert die polnische Seite in den jährlich stattfindenden Arbeitsgruppensitzungen über das aus Mitteln der internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) kofinanzierte Hochwasserschutzprojekt für das Einzugsgebiet der Oder und der Weichsel (POPDOW). Auch in den halbjährlich stattfindenden Sitzungen der Arbeitsgruppe G2 der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigungen (IKSO) wird in knapper Form über das Projekt berichtet. Die von der polnischen Seite zur Verfügung gestellten Informationen umfassen in der Regel die räumliche Abgrenzung der Projektgebiete , die grundsätzliche Art der Projekte und zum Teil noch ungefähre Angaben zum Zeitablauf . Der Informationsaustausch in den genannten Arbeitsgruppen ersetzt nicht die ggf. grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung. Das Hochwasserschutzprojekt POPDOW umfasst mehrere Teilmaßnahmen. Gegenstand dieses Projektes ist auch die Maßnahme „1B.2 Etappe I und Etappe II Modernisierungsarbeiten an der Oder als Grenzfluss im Rahmen des Projekts des Hochwasserschutzes im Einzugsgebiet der Oder und Weichsel". Einhaltung der Schutzziele 6. In welchem Zusammenhang stehen die Pläne zur Vertiefung der Oder mit dem von der Weltbank, der Entwicklungsbank des Europarates und der Europäischen Kommission finanzierten Odra-Vistula Flood Management Project (P147460-„1B.2 Etappe I und Etappe II Modernisierungsarbeiten an der Grenzoder“)? Was ist der aktuelle Stand beim Odra-Vistula Flood Management Project (P147460-„1B.2 Etappe I und Etappe II Modernisierungsarbeiten an der Grenzoder“)? zu Frage 6: Hierzu liegen keine Informationen vor. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11938 - 4 - 7. Was unternimmt die Landesregierung zum Schutz der FFH-Art (Anhang IV) Baltischer Stör in der Oder? Zu Frage 7: Nach Landesfischereirecht sind alle Störarten ganzjährig geschont. Für den Baltischen Stör wird unter Federführung der Gesellschaft zur Rettung des Störs e.V. ein Wiederansiedlungsprogramm durchgeführt. Das Land Brandenburg fördert das Projekt. Im Nationalparkplan und in anderen FFH-Managementplänen sind z.T. unterstützende Maßnahmen vorgesehen. 8. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um das Vorkommen des Baltischen Goldsteinbeißers in der Oder, das einzige Vorkommen in Deutschland, nachhaltig zu sichern? Zu Frage 8: Nach Landesfischereirecht ist die Art ganzjährig geschont. 9. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung dem Schutz von Deutschlands einziger sich selbst erhaltender Wandermaränenpopulation in der Oder bei? Zu Frage 9: Der Art wird ein hoher Stellenwert beigemessen. Nach Landesfischereirecht sind Wandermaränen in Fließgewässern ganzjährig geschont. 10. Was unternimmt die Landesregierung zum Schutz des Flussgebiets der Oder als ökologisches Vorranggewässer? Zu Frage 10: Wasserfachlich gibt es keine ökologischen Vorranggewässer oder Einzugsgebiete ; die Maßnahmen zum guten ökologischen Zustand nach Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sind im Bewirtschaftungsplan und Maßnahmenprogramm der Flussgebietseinheit (FGE) Oder enthalten. Die Oder wird gemäß der WRRL auf ihrem gesamten an Brandenburg grenzenden Verlauf regelmäßig anhand ihrer biologischen Komponenten überwacht - einschließlich der Fische .