Datum des Eingangs: 20.04.2015 / Ausgegeben: 27.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1197 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 435 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/935 Klagebefugnis Ortsbeirat gegen Bürgermeister Wortlaut der Kleinen Anfrage 435 vom 24.03.2015: Nach der Brandenburger Kommunalverfassung sind die Ortsbeiräte Einrichtungen der Gemeinde mit Organstatus. Für bestimmte Aufgaben müssen die Verwaltung und auch die Gemeindevertretung den Ortsbeirat vorher anhören. Wie allgemein be- kannt, findet das an vielen Stellen im Land Brandenburg vielfach nicht statt. Nunmehr haben es zahlreiche Ortsbeiräte und Ortsbürgermeister satt und beabsichtigen, sich gegen die Bevormundung und Übergehung der Ortsbeiräte zur Wehr zu setzen. Aus diesem Grunde stellt sich die Frage, ob Ortsbeiräte einen Organstatus haben, der es ihnen erlaubt, Organklage gegen die Gemeindevertretung und/oder den Hauptver- waltungsbeamten bzw. die Gemeinde zu führen. Wie bekannt, dürfen die Gemeinde- vertretungen und auch Teile von den Gemeindevertretungen, wie z. B. Fraktionen Organklagen führen. Die Frage, ob Ortsbeiräte dies dürfen, ist aber offen und bisher in der Breite nicht bekannt. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1. Haben Ortsbeiräte einen Organstatus, wie Fraktionen oder die Gemeindevertre- tung? 2. Können Ortsbeiräte gegen die Nichtbeachtung ihrer Beschlüsse vor dem Verwal- tungsgericht gegen die Gemeindevertretung bzw. den Hauptverwaltungsbeamten klagen? 3. Dürfen Ortsbürgermeister, so es denn keine Ortsbeiräte gibt, gegen die Nichtbe- achtung ihrer Beschlüsse vor dem Verwaltungsgericht gegen die Gemeindevertre- tung bzw. den Hauptverwaltungsbeamten klagen? 4 Müssen Ortsbeiräte eine Organklage gegen die Verwaltung formal als Beschluss des Ortsbeirates beschließen? Wenn ja, welche Formvoraussetzungen sind daran gebunden? a) Können auch Teile eines Ortsbeirates (eine Minderheit innerhalb des entspre- chenden Ortsbeirates) alleine eine organklage führen? 5. Wer trägt die Kosten eines Organstreits zwischen Ortsbeirat und Gemeindevertre- tung bzw. Ortsbeirat und Hauptverwaltungsbeamten Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommu- nales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Haben Ortsbeiräte einen Organstatus, wie Fraktionen oder die Gemeindevertretung? zu Frage 1: Da Ortsbeirat bzw. Ortsvorsteher auf Grund der Rechtsvorschriften der § 45 ff. BbgKVerf Aufgaben der Gemeinde wahrnehmen, sind sie Willensbildungsorgane. Sie sind aber kein Letztentscheidungsorgan, denn Entscheidungen von Ortsbeirat bzw. Ortsvorsteher können nach § 46 Abs. 6 Satz 2 BbgKVerf durch die Gemeinde- vertretung überstimmt werden. Eine Entscheidung der Brandenburger Verwaltungs- gerichtsbarkeit, die ihnen in bestimmten Fallkonstellationen einen Organstatus zuer- kennen würde, liegt soweit bekannt noch nicht vor. Frage 2: Können Ortsbeiräte gegen die Nichtbeachtung ihrer Beschlüsse vor dem Verwal- tungsgericht gegen die Gemeindevertretung bzw. den Hauptverwaltungsbeamten klagen? zu Frage 2: Vieles spricht dafür, dass der Ortsbeirat nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig ist und gegen eine Verletzung innerorganschaftlicher Anhörungs- und etwaiger Ent- scheidungsrechte gegenüber der Gemeindevertretung im Klagewege vorgehen und seine Rechte im Kommunalverfassungsstreitverfahren geltend machen kann. Sofern die Anhörungs- und Beteiligungsrechte des Ortsbeirates jedoch gewahrt wur- den, ist das jeweils zuständige Gemeindeorgan nicht verpflichtet, der Stellungnahme des Ortsbeirates zu folgen. Ob eine Klagebefugnis gegen die Nichtbeachtung eines Beschlusses des Ortsbeirates gegeben ist, bleibt einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Frage 3: Dürfen Ortsbürgermeister, so es denn keine Ortsbeiräte gibt, gegen die Nichtbeach- tung ihrer Beschlüsse vor dem Verwaltungsgericht gegen die Gemeindevertretung bzw. den Hauptverwaltungsbeamten klagen? zu Frage 3: Zunächst ist festzustellen, dass die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg einen Ortsbürgermeister nicht kennt. Es wird davon ausgegangen, dass sich die Fra- ge auf das Recht des Ortsvorstehers bezieht. Soweit kein Ortsbeirat zu wählen ist, nimmt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf der Ortsvorsteher die dem Ortsbeirat obliegenden Aufgaben mit Ausnahme der diesem durch Hauptsatzung oder Gebietsänderungsvertrag nach § 46 Abs. 3 BbgKVerf ein- geräumten Befugnisse wahr. Dies würde dafür sprechen, dass der Ortsvorsteher in- soweit auch Beteiligter eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens sein könnte. Sofern die Anhörungs- und Beteiligungsrechte jedoch gewahrt wurden, ist wie in der Antwort zu Frage 2 bereits dargestellt, das jeweils zuständige Gemeindeorgan ist nicht verpflichtet, der Stellungnahme zu folgen. Ob eine Klagebefugnis gegen die Nichtbeachtung eines Beschlusses gegeben ist, bleibt ebenfalls einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Frage 4: Müssen Ortsbeiräte eine Organklage gegen die Verwaltung formal als Beschluss des Ortsbeirates beschließen? Wenn ja, welche Formvoraussetzungen sind daran ge- bunden? zu Frage 4: Es spricht viel dafür, dass ein formeller Beschluss notwendig ist. Eine abschließende Beurteilung bleibt einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Frage 4 a: Können auch Teile eines Ortsbeirates (eine Minderheit innerhalb des entsprechen- den Ortsbeirates) alleine eine Organklage führen? zu Frage 4 a: Es sind nach hiesiger Auffassung keine subjektiven Rechte ersichtlich, aus denen ein einzelnes Mitglied des Ortsbeirates eine Klagebefugnis herleiten könnte. Frage 5: Wer trägt die Kosten eines Organstreits zwischen Ortsbeirat und Gemeindevertre- tung bzw. Ortsbeirat und Hauptverwaltungsbeamten zu Frage 5: Im Ergebnis trägt die Kosten grundsätzlich die Gemeinde. Eine Beurteilung im Ein- zelfall ist jedoch erforderlich. So besteht z. B. keine Kostentragungspflicht der Ge- meinde, wenn der Rechtsstreit mutwillig geführt wird. Das ist im Hinblick auf den Klä- ger insbesondere der Fall, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegrün- det ist.