Landtag Brandenburg Drucksache 6/11977 6. Wahlperiode Eingegangen: 30.08.2019 / Ausgegeben: 04.09.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4769 der Abgeordneten Thomas Jung (AfD-Fraktion) und Andreas Kalbitz (AfD-Fraktion) Drucksache 6/11820 Nachfrage zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nummer 4297 - Opferperspektive e.V. im Beratungsnetzwerk „Tolerantes Brandenburg“ Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Die finanziellen Zuwendungen der Landesregierung an die Opferperspektive e.V. sind innerhalb dieser Legislaturperiode um 70 Prozent auf insgesamt über 470.000 Euro pro Jahr gestiegen. Darüber hinaus teilte die Landesregierung mit, dass der Verein in der Vergangenheit Spenden nicht ordnungsgemäß als Eigenmittel ausgewiesen habe. Ferner habe es in den vergangenen Jahren durchschnittlich viermal jährlich „Arbeitsgespräche“ zwischen der Polizei und Vertretern des Vereins gegeben. Über das Kerngeschäft der Opferperspektive e.V., nämlich die Beratung von vermeintlichen Opfern rechter Gewalt, habe die Landesregierung in quantitativer Hinsicht jedoch keine Kenntnisse. Das überrascht. Denn schließlich wisse die Landesregierung aber, dass die Opferperspektive e.V. nicht rechtsberatend tätig werde, sondern „Ratsuchenden“ lediglich „rechtliche Hinweise für das Strafund Zivilverfahren sowie eine Begleitung bei Strafprozessen“ gebe. Ferner heißt es im 9. Jahresbericht des „Toleranten Brandenburgs“ auf S. 18 zur Arbeit der Opferperspektive e.V.: „In einer Internetchronik werden allen Bürgerinnen und Bürgern aufbereitete Fälle zur Verfügung gestellt und damit das Ausmaß rechtsmotivierter Gewalt sichtbar gemacht.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie erklärt die Landesregierung die deutliche Erhöhung von Fördermitteln für die Opferperspektive e.V. in dieser Legislaturperiode? 2. Woraus ergibt sich nach Kenntnis der Landesregierung der Mehrbedarf bei der Opferperspektive e.V. und warum trägt die Landesregierung die Deckung der mutmaßlich erhöhten Kosten für die Arbeit des Vereins? 3. Worin besteht der Zweck der Förderung des Vereins durch die Landesregierung? zu den Fragen 1 bis 3: Die Fragen 1 bis 3 werden auf Grund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung betrachtet es im Kontext des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ Brandenburg als ihre Aufgabe, allen Opfern rechtsextremer Straf- und Gewalttaten bestmögliche Hilfe zukommen zu lassen und die gesellschaftliche Solidarität mit Betroffenen zu fördern. Hierbei stellt die Opferperspektive e.V. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11977 - 2 - für die Landesregierung einen wichtigen Partner dar. Durch die Landesregierung werden Projekte des Vereins Opferperspektive e.V. gefördert, die das Vorhalten eines landesweit mobil und niedrigschwellig tätigen Beratungs- und Unterstützungsangebots für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie deren Angehörige und Zeug/innen zum Ziel haben. Hinzu kommen Vorhaben der gesellschaftlichen Sensibilisierung für Opferschutzbelange , die Durchführung von Maßnahmen der Prävention und Intervention zu rechter Gewalt sowie das Monitoring rechter Gewalt im Land Brandenburg. Weitere Förderungszwecke sind das Vorhalten eines landesweiten Beratungs- und Unterstützungsangebot für Betroffene von rassistisch motivierter Diskriminierung, die Informationsvermittlung über das Recht auf Gleichbehandlung sowie die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen zur gesellschaftlichen Sensibilisierung für Chancengleichheit, gegen Diskriminierung und Rassismus sowie für den Ausbau eines wirksamen Diskriminierungsschutzes im Land Brandenburg. Die Zahl rechter und hierbei insbesondere fremdenfeindlicher Gewalttaten ist seit 2015 signifikant gestiegen (vgl. „Vorstellung der Politisch motivierten Kriminalität im Land Brandenburg 2019“, Pressekonferenz des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 18.03.2019). Die Angriffsdichte und die daraus folgenden notwendigen Beratungen von Opfern führten in 2015/2016 zu einer signifikanten Steigerung der Beratungsanforderungen . Der erhöhte Bedarf konnte nicht mehr mit den vorhandenen Mitteln abgedeckt werden . Daher wurden im Jahr 2017 die Mittel für Personalkosten für die Einzelfallberatung, vor allem in der Region Südbrandenburg (Cottbus sowie Landkreis Spree-Neiße) sowie für die Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen in den Handlungsfeldern präventiver Opferschutz und lokale Interventionen, aufgestockt. Für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 beschloss der Landtag darüber hinaus, die Haushaltsansätze für die Opferperspektive e.V. um jeweils 55.000 EUR zu erhöhen (u.a. Ds 6/9894-B und Ds 6/10088). Zudem ist die Antidiskriminierungsarbeit der Opferperspektive verstärkt gefördert worden. Seit 2017 ist die Opferperspektive e.V. Träger eines Bundesprojektes zum Thema Diskriminierungsschutz auf dem Arbeitsmarkt. Dieses Bundesprojekt wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales , Gesundheit, Frauen und Familie des Landes Brandenburg kofinanziert. Weitere Personalkostensteigerungen in der Legislaturperiode ergeben sich zudem aus Tarifanpassungen . 4. In welcher Höhe und von welchen juristischen Personen des Privatrechts hat die Opferperspektive e.V. ausweislich der Verwendungsnachweisprüfung seit 2014 Spenden erhalten ? (Bitte nach Haushaltsjahren aufschlüsseln.) Zu Frage 4: Gegenüber der Landesregierung sind folgende nicht zweckgebundene Spendensummen im Rahmen von Verwendungsnachweisen angegeben worden: Jahr Summe 2014 19.305,58 2015 15.582,00 2016 18.148,50 2017 20.075,00 2018 21.085,00 Daten von Spenderinnen und Spendern unterliegen dem Datenschutz, sodass der Landesregierung hierzu keine Erkenntnisse vorliegen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11977 - 3 - 5. Warum gibt es zwischen den jeweiligen Ressorts des Zuwendungsgebers und dem Verein als Zuwendungsnehmer informelle Absprachen über die Zulässigkeit der nicht fristgemäßen Abgabe von Verwendungsnachweisen? zu Frage 5: Informelle Absprachen gibt es nicht. Die Gewährung von Zuwendungen erfolgt auf der Grundlage des § 44 LHO inkl. der VV zum § 44 LHO. Gemäß Nr. sowie NR. 5.5.3 VV-LHO zu § 44 kann nach Prüfung des Einzelfalls im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens u.a. die Frist für die Vorlage des Verwendungsnachweises verändert werden. 6. Wie rechtfertigt die Landesregierung solche Absprachen mit dem Zuwendungsempfänger mit Blick von Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist? zu Frage 6: In der Gewährung von Fristverlängerungen auf Antrag vermag die Landesregierung keinen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG zu sehen. 7. Wo und mit welchen Zielsetzungen finden regelmäßig sogenannte Arbeitsgespräche zwischen der Polizei und der Opferperspektive e.V.? 8. Wer vertritt die Polizei bei diesen „Arbeitsgesprächen“? 9. Welche Themen haben diese „Arbeitsgespräche“ in der Regel zum Gegenstand und wer legt diese im Vorfeld eines Gesprächs fest? zu den Fragen 7 bis 9: Die Fragen 7 bis 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Arbeitstreffen finden in der Regel in den Räumlichkeiten des Landeskriminalamtes des Landes Brandenburg (LKA) in Eberswalde unter Beteiligung der Abteilung Zentraler Staatsschutz/Terrorismusbekämpfung statt. In einem Fall wurde aus terminlichen Gründen das Arbeitstreffen im Polizeipräsidium des Landes Brandenburg in Potsdam durchgeführt. Inhalt und Ziel dieser Treffen war/ist u. a. der gegenseitige Informationsaustausch zwischen Zivilgesellschaft und Polizei, einerseits mit dem Ziel, ein noch realeres Abbild der Politisch motivierten Kriminalität zu ermöglichen und andererseits die Beratung der Kriminalitätsopfer zu unterstützen. Dazu übermittelt das LKA regelmäßig in der ersten Dekade eines Monats eine anonymisierte Auflistung von politisch rechtsmotivierten Gewaltdelikten zum vorangegangenen Monat. Das LKA seinerseits erhält vom Verein Opferperspektive e. V. im Vorfeld der Arbeitstreffen eine Aufstellung von Sachverhalten , die dort bekannt geworden sind und zu denen ein möglicher politisch motivierter Tathintergrund nicht ausgeschlossen werden kann. Das LKA prüft in Zusammenarbeit mit den Polizeidirektionen des Landes Brandenburg diese Sachverhalte auf entsprechende Relevanz bzw. Meldepflicht im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Das Ergebnis der Prüfungshandlungen wird den Vertreter/inne/n des Vereins Opferperspektive e. V. in den Arbeitstreffen dargestellt . Dies schließt auch die Mitteilung abweichender Beurteilungen der Sachverhalte ein. 10. Stehen nach Auffassung der Landesregierung solchen „Arbeitsgesprächen“ datenschutzrechtliche und/oder verfassungsrechtliche Vorschriften entgegen (bitte begründen)? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11977 - 4 - zu Frage 10: Da diesen „Arbeitsgesprächen“ grundsätzlich ein anonymisierter Informationsaustausch zugrunde liegt, bestehen aus Sicht der Landesregierung weder datenschutz - noch verfassungsrechtliche Bedenken. 11. Aus welchen Gründen hat die Landesregierung keine Kenntnisse über die Anzahl der Beratungsfälle des Vereins, wenn diese doch das Kerngeschäft des Vereins sind? zu Frage 11: Es ist unzutreffend, dass der Landesregierung keine Erkenntnisse zu der Anzahl der Beratungsfälle des Vereins Opferperspektive e.V. vorliegen. Diese werden der Landesregierung jährlich im Rahmen der Verwendungsnachweislegung übermittelt. In der Frage 5 aus der Kleinen Anfrage 4297 wurde jedoch nach Anzahl, Tatort und verwirklichten Delikten je Straftat und Kalenderjahr gefragt. Hierzu lagen und liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 12. Worin sieht die Landesregierung den Unterschied zwischen Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes und dem Geben von rechtlichen Hinweise an „Ratsuchende “ vonseiten der Opferperspektive e.V., wenn doch § 2 Abs. 1 RDG „Rechtsdienstleistung “ als jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, definiert? zu Frage 12: Nach den Maßstäben des § 2 Rechtsdienstleistungsgesetzes liegt eine Rechtsdienstleistung immer dann vor, wenn eine konkrete Subsumtion eines Falles unter die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen wird. Die Mitarbeiter/innen des Vereins Opferperspektive e.V. geben den Ratsuchenden allgemeine Informationen, beispielsweise zum Ablauf des Ermittlungs- und Strafverfahrens, zu Opferrechten, zu Möglichkeiten der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche oder zu Möglichkeiten der Finanzierung von Gerichts- und Anwaltskosten. Es erfolgt jedoch keine Prüfung und Auskunft , ob oder inwieweit diese Rechte und Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich wahrgenommen werden können. 13. Was genau muss sich der Bürger unter der „Aufbereitung“ von Fällen vermeintlicher rechter Gewalt durch die Opferperspektive e.V. vorstellen? zu Frage 13: Im 9. Jahresbericht des „Toleranten Brandenburgs“ an den Landtag heißt es: „Das fortlaufende Monitoring rechter Gewalt ergänzt das Angebot der Opferperspektive. In einer Internetchronik werden allen Bürgerinnen und Bürgern aufbereitete Vorfälle zu Verfügung gestellt und damit das Ausmaß rechtsmotivierter Gewalt sichtbar gemacht. Dafür werden verifizierte Fallmeldungen systematisiert und ausgewertet. Im März eines jeden Jahres werden die Zahlen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Jahreszahlen werden dabei um Analysen und Trends zur Entwicklung rechter Gewalt in Brandenburg vervollkommnet.“ (Ds 6/1601-B, S. 18f). Bei den aufbereiteten Fällen handelt es sich um kurze, den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen sowie mutmaßlichen Täter/innen beachtende Fallbeschreibungen.