Landtag Brandenburg Drucksache 6/11984 6. Wahlperiode Eingegangen: 04.09.2019 / Ausgegeben: 09.09.2019 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 4784 des Abgeordneten Dr. Andreas Bernig (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/11879 Eingruppierung der Sozialdienste in der Justiz. Unterteilung in Beamte und Angestellte Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Seit 24. April 2013 gibt es das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft im Land Brandenburg (Brandenburgisches Justizvollzugsgesetz - BbgJVollzG). Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe dient dem Ziel, die Straf- und Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Mit diesem Ziel steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes. Frage 1: Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass mit dem neuen Justizvollzugsgesetz höhere Anforderungen an die Sozialdienste gestellt werden, so wie auch die Anhebung des Eingangsamtes auf A 8 im AvD begründet wird? zu Frage 1: Mit dem Brandenburgischen Justizvollzugsgesetz erfährt der Justizvollzug grundlegende Veränderungen in Richtung eines noch konsequenter auf die Resozialisierung und Wiedereingliederung der Gefangenen ausgerichteten Behandlungsvollzugs. Gerade dies entspricht der klassischen Tätigkeit von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Sie beschäftigen sich mit der Prävention, der Lösung und der Beseitigung von Problemstellungen im sozialen Bereich. Ihre Aufgabe ist es, benachteiligten Personen durch Beratung, Betreuung und Unterstützung zur Seite zu stehen und ihnen eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sind auch organisatorische, verwaltende und planerische Arbeiten zu erledigen, so z.B. die genaue Dokumentation der einzelnen Fälle. Entsprechende Inhalte wurden und werden im Studium vermittelt, welches ihnen ermöglicht, auch die Anforderungen des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes zu erfüllen. Frage 2: Warum werden die Tätigkeiten des Sozialdienstes in einer Mustertätigkeitsdarstellung mit der Vergütungsgruppe E 9 bewertet, obwohl auf einer Dienstbesprechung im Ministerium mit den Sprecherinnen und Sprechern der Sozialdienste Tätigkeiten benannt wurden, die höherwertige Tätigkeiten begründen? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11984 - 2 - zu Frage 2: Bei der angesprochenen Tätigkeitsdarstellung handelt es sich um den von einer Justizvollzugsanstalt zuständigkeitshalber erarbeiteten Entwurf einer arbeitsplatzbezogenen Tätigkeitsdarstellung und -bewertung. Als tarifgerechte Eingruppierung ist dabei die Entgeltgruppe 9 Teil II Nr. 20.4 der Anlage A zum TV-L (Entgeltordnung) festgestellt worden. Auf der angesprochenen Dienstbesprechung sind keine Tätigkeiten benannt worden, die zwangsläufig eine höhere Eingruppierung von Sozialarbeitern begründen. Es wurden allerdings mögliche Tätigkeiten erörtert, die eine Höhergruppierung rechtfertigen könnten, was jedoch im Einzelfall bei Übernahme einer entsprechenden Tätigkeit zu prüfen ist. Aus den Reihen der in der genannten Besprechung anwesenden Sozialarbeiter wurde die Höherwertigkeit einiger der erwähnten Beispiele im Übrigen verneint. Frage 3: Seit 2005 soll es keine Verbeamtung der Sozialdienste mehr geben. Wodurch ist diese Entscheidung begründet und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte sie? zu Frage 3: Hintergrund für die restriktive Verbeamtungspolitik im Justizvollzug war der Landtagsbeschluss vom 20. Mai 2005 (LT-Drucksache 4/1150-B). Vor dem Hintergrund der damaligen Haushaltslage des Landes hatte der Landtag beschlossen, dass „Verbeamtungen im Land Brandenburg nur vorgenommen werden sollen, wenn Bundesrecht dies vorsieht . Im Übrigen sind zukünftig Angestellten- oder Arbeitnehmerverhältnisse zu begründen .“ Aufgrund der ihm zustehenden Organisations- und Personalhoheit steht dem Dienstherren ein weiter organisatorischer, personalwirtschaftlicher und personalpolitischer Entscheidungsspielraum zu, über die Art und Weise der Ausgestaltung der Dienstposten zu entscheiden . Dies umfasst auch die Festlegung der Anzahl und Ausgestaltung von Stellen, die für planmäßige Beamte und/oder Arbeitnehmer geschaffen werden sollen und dient allein dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben . Auch wenn die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Vollzug teilweise hoheitlich tätig werden, so besteht ihre vorrangige Aufgabe doch in der Unterstützung und Beratung der Gefangenen, also der klassischen Sozialarbeitertätigkeit. Zudem unterliegen die von ihnen vorgenommenen hoheitlichen Tätigkeiten weitgehend der Kontrolle und Übernahme der Verantwortung durch vorgesetzte verbeamtete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an Entscheidungen lediglich mitwirken. Hinreichende Gründe, die eine Ausnahme vom Funktionsvorbehalt nach Artikel 33 Absatz 4 GG zulassen , sind damit gegeben. Bei der dauerhaften Übernahme einer mit Führungsverantwortung und Entscheidungskompetenz versehenen Tätigkeit als Leitung einer Vollzugsabteilung war eine Verbeamtung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern auch ab dem Jahr 2005 stets möglich. Zur Steigerung der Attraktivität der Tätigkeit im Justizvollzug und zur Nachwuchsgewinnung ist jedoch beabsichtigt, zukünftig auch darüber hinaus von Verbeamtungen wieder Gebrauch zu machen, sofern Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen der Bediensteten dies zulassen. Frage 4: Wie viele Angestellten- und wie viele Beamtenstellen sind im laufenden Haushaltsplan enthalten und wie viele sind davon besetzt und was sind die Kriterien für eine Verbeamtung? Landtag Brandenburg Drucksache 6/11984 - 3 - zu Frage 4: Da sich die Kleine Anfrage 4784 mit der Situation des Sozialdienstes in den Justizvollzugsanstalten befasst, wird davon ausgegangen, dass diese Frage auf die im Einzelplan 04 Kapitel 04 050 ausgebrachten Planstellen und Stellen für diese Berufsgruppe abzielt. Im laufenden Haushalt sind 88 Planstellen für Beamtinnen und Beamte des gehobenen Dienstes und 1 Stelle für vergleichbare Tarifbeschäftigte etatisiert. Eine Trennung der Planstellen nach Laufbahnen ist zur Schaffung einer größeren Flexibilität nicht mehr erfolgt . Zum Stand 1. August 2019 waren diese Stellen besetzt mit 71 Bediensteten, darunter 34 Bediensteten des Sozialdienstes. Neben den in § 3 Absatz 2 und § 7 Beamtenstatusgesetz sowie § 3 Landesbeamtengesetz normierten Voraussetzungen einer Verbeamtung (unter anderem: Ausübung hoheitlicher Aufgaben, Verfassungstreue, Besitz der Laufbahnbefähigung) sind insbesondere die in § 9 Beamtenstatusgesetz genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu erfüllen. Frage 5: Sind das Einschließen von Gefangenen, die Begleitung in den Ausgängen und das Aussprechen von Weisungen hoheitliche Aufgaben? zu Frage 5: Das Einschließen von Gefangenen und ihre Begleitung bei Ausgängen sind hoheitliche Aufgaben, hinsichtlich des Ausspruchs von Weisungen gegenüber Gefangenen wäre dies abhängig vom Inhalt der Weisung. Frage 6: Warum sind die Sozialdienste im Beamtenbereich von A 9 bis A 11/12 bewertet, im Angestelltenbereich aber nur bis E 9? zu Frage 6: Die Eingruppierung von Tarifbeschäftigten des Sozialdienstes erfolgt auf der Grundlage von § 12 TV-L i.V.m. Teil II Ziffer 20.4 der Anlage A zum TV-L (Entgeltordnung) sowie der Protokollerklärung Nr. 1 Buchstabe d) hierzu. Danach sind Sozialarbeiter /Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung, die im Justizvollzug tätig sind, in Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 1 eingruppiert. Eine höhere Eingruppierung bis in Entgeltgruppe 12 wäre möglich, sofern die jeweiligen tarifrechtlichen Heraushebungsmerkmale erfüllt werden. Im Justizvollzug sind verbeamtete Sozialarbeiter bis zur Besoldungsgruppe A 12 beschäftigt . Im Hinblick darauf, dass derzeit eine umfassende Dienstpostenbewertung für sämtliche Dienstposten des Justizvollzuges erfolgt, kann eine abschließende Aussage, wie die einzelnen Dienstposten der Sozialarbeiter zu bewerten sind, noch nicht erfolgen. Frage 7: Worin unterscheidet sich die Stellenbewertung der einen Sozialarbeiterstelle E 10 in der JVA Wulkow von den übrigen E 9 Bewertungen der Sozialdienste? zu Frage 7: Die Unterscheidung in der Stellenbewertung liegt insbesondere darin begründet , dass das Aufgabengebiet des betroffenen Arbeitsplatzinhabers der Justizvollzugsanstalt Nord-Brandenburg Teilanstalt Neuruppin-Wulkow die Erledigung zentraler Aufgaben beinhaltet, wie zum Beispiel Koordinierungsaufgaben und die Fortschreibung von Konzeptionen . Landtag Brandenburg Drucksache 6/11984 - 4 - Frage 8: Ist es richtig, dass jede JVA ihre eigene Tätigkeitsdarstellung macht, obwohl alle nach dem gleichen Gesetz arbeiten? Worin ist das begründet? zu Frage 8: Tätigkeitsdarstellungen und -bewertungen sind vom jeweiligen Arbeitgeber - mithin den einzelnen Justizvollzugsanstalten - arbeitsplatzbezogen zu fertigen. Auch wenn die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf der Grundlage gleicher gesetzlicher Vorschriften arbeiten, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Tätigkeiten dem Einzelnen übertragen sind. Tätigkeitsdarstellungen und -bewertungen einer Anstalt können daher nicht ohne weiteres von der nächsten Anstalt übernommen werden, sondern sind im Hinblick auf § 12 TV-L dahingehend abzugleichen, ob die im „Vorstück“ beschriebenen und bewerteten Aufgaben mit dem Arbeitsplatz vor Ort identisch sind. Frage 9: Warum sind die Bewährungshelfer beim OLG höher eingruppiert als die Sozialdienste in den JVA? zu Frage 9: Das Tarifrecht bestimmt unter Teil II Ziffer 20.4 der Anlage A zum TV-L (Entgeltordnung ) eine höhere Eingruppierung für Bewährungshelfer, nämlich die Entgeltgruppe 10 Fallgruppe 2. Frage 10: Warum werden Bewährungshelfer im Zuge der Verbeamtung auf einem Dienstposten im Justizvollzug erprobt, obwohl das MdJEV in der Tätigkeitsbeschreibung für diesen Dienstposten keine Begründung für eine Verbeamtung sieht? zu Frage 10: Die Erprobung von Bewährungshelfern auf einem Dienstposten für den Sozialdienst im Justizvollzug in der laufbahnrechtlichen Probezeit gemäß § 9 Absatz 1 Laufbahnverordnung steht der bisherigen Entscheidung, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nicht zu verbeamten, nicht entgegen, da diese - wie bereits dargelegt - auch im Justizvollzug hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Frage 11: Trifft es zu, dass Anwärter nahezu das gleiche Gehalt beziehen wie studierte Sozialpädagogen (E 9 Eingangsstufe 1)? zu Frage 11: Nein. Das Entgelt aller Tarifbeschäftigten, die nach Entgeltgruppe 9 TV-L Stufe 1 vergütet werden, beträgt 2.749,89 €. Die derzeit gezahlten Anwärterbezüge für Anwärterinnen und Anwärter des allgemeinen Vollzugsdienstes bei Justizvollzugsanstalten (Laufbahn des mittleren Dienstes) betragen monatlich 1.261,81 € (Anwärtergrundbetrag) zuzüglich eines (zeitlich befristeten) Anwärtersonderzuschlags i.H.v. 630,91 €, insgesamt also 1.892,72 €. Frage 12: Alle Antragsteller haben auf ihre Anträge auf Verbeamtung bzw. Höhergruppierung den gleichen Ablehnungsbescheid bekommen. Warum wurden keine Einzelfallentscheidungen getroffen? zu Frage 12: Die Bearbeitung der einzelnen Personalangelegenheiten liegt in der Zuständigkeit der Anstaltsleitungen. Dem Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz sind keine Anhaltspunkte bekannt, die gegen die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen sprechen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/11984 - 5 - Frage 13: Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Einteilung der Sozialdienste in Angestellte und Beamte und die unterschiedlichen Eingruppierungen innerhalb der Sozialdienste und zwischen den Sozialdiensten und den Bewährungshelfern erheblich den Betriebsfrieden stört und sich negativ auf die Motivation der Bediensteten auswirkt? Wenn ja, was gedenkt sie dagegen zu unternehmen? zu Frage 13: Die Gruppen der Beamten und der Tarifbeschäftigten werden zwangsläufig nebeneinander bestehen bleiben. So wird möglicherwiese nicht jede / jeder an einer Verbeamtung interessierte Bedienstete des Sozialdienstes die Eignungskriterien (wie zum Beispiel die gesundheitliche Eignung) erfüllen und folglich nicht verbeamtet werden können . Zudem können im Falle der Einstellung von Vertretungskräften auch für verbeamtete Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nur Tarifbeschäftigte (in befristete Arbeitsverhältnisse ) eingestellt werden. Auch unterschiedliche Eingruppierungen innerhalb der Gruppe der Tarifbeschäftigten des Sozialdienstes sind, wie dargelegt, bei Ausübung unterschiedlicher Aufgaben im Hinblick auf die tarifrechtlichen Vorgaben unvermeidbar. Frage 14: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die gegenwärtige personelle Ausstattung des Justizvollzuges ausreichend ist, um die hohen Ansprüche des modernen Justizvollzugsgesetzes zu erfüllen? zu Frage 14: Die in der Antwort zu Frage 4 dargestellte Stellen- und Personalsituation verdeutlicht , dass die derzeit zur Verfügung stehenden Planstellen und Stellen nicht in Gänze besetzt sind. Grund hierfür ist die hohe Anzahl der planmäßigen Personalabgänge infolge Ruhestandes insbesondere in der Laufbahn des allgemeinen Vollzugsdienstes. Die Situation wird erschwert im Hinblick auf die bundesweit bestehenden Probleme in der Nachwuchsgewinnung für diese Berufsgruppe. Eine Kompensation der Personalabgänge durch Nachwuchskräfte wird daher nur mittelfristig gelingen, so dass aufgrund der gegenwärtigen personellen Situation nicht alle Ansprüche des Justizvollzugsgesetzes erfüllt werden können. Dem Einsatz der vorhandenen Bediensteten ist es jedoch zu verdanken, dass gleichwohl versucht wird, den Resozialisierungsgedanken des Gesetzes umzusetzen.