Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1360 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 494 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/1081 Hohe Hürden für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide Wortlaut der Kleinen Anfrage 494 vom 10.04.2015: Einem Bericht des Vereins Mehr Demokratie e.V. vom 28. März 2015 zufolge wurde in Finsterwalde am 25. März 2015 ein Bürgerbegehren gegen den Bau einer Stadt- halle mit einem Investitionsumfang von 10,7 Mio Euro für unzulässig erklärt. Die Ar- gumentation der Stadtverwaltung lautete: Die Initiatoren hätten es in ihrer Begrün- dung versäumt, darauf hinzuweisen, dass nicht die volle Investitionssumme von der Stadt für den Bau der Stadthalle zu tragen ist, da möglicherweise noch Fördermittel fehlten. Die gesetzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Bürgerbegehren und Bür- gerentscheide sind bereits sehr hoch. So müssen die Initiatoren gemäß § 15 Kom- munalverfassung des Landes Brandenburg neben den Unterschriftslisten einen Kos- tendeckungsvorschlag machen, Fristen berücksichtigen, Vertrauenspersonen be- nennen, kein Ausschlusssachverhalt darf berührt sein und vieles mehr. Durch eine wie von der Stadtverwaltung Fürstenwalde praktizierte zusätzliche restrik- tive Auslegung dieser ohnehin schon hohen Gesetzeshürden wird Mitbestimmung den Bürgerinnen und Bürgern in Brandenburg faktisch unmöglich gemacht. Zudem sind auch nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung an die Begründung eines Bürgerbegehrens grundsätzlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Ablehnung des Bürgerbegehrens „Keine Stadthalle für Finsterwalde“ durch die Stadtverwaltung Finsterwalde? 2. Sind der Landesregierung vergleichbare Fälle bekannt, in denen Bürgerbegehren durch eine extrem enge Auslegung in Detailfragen für unzulässig erklärt wurden? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass durch solch hohe Auflagen wie im Falle der Ablehnung des Bürgerbegehrens „Keine Stadthalle für Finsterwalde“ Bürgerbegehren verhindert werden? 4. Wie bewertet die Landesregierung weitere Maßnahmen zur Stärkung der direkten Demokratie auf Kommunalebene, insbesondere a) eine Verkleinerung des Ausschlusskataloges in § 15 Absatz 3 der Kommunalverfassung Brandenburg b) die Einführung einer amtlichen Kostenschätzung der Verwaltung anstelle der hohen Hürde des Kostendeckungsvorschlages durch die Initiatoren c) Die Einführung eines Bürgerentscheides für Ortsteile einer Gemeinde in Angelegenheiten, die nur den Ortsteil betreffen? 5. Wie möchte die Landesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die bürgerschaftliche Mitwirkung in den Gemeinden zu stärken, konkret umzusetzen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommu- nales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die Ablehnung des Bürgerbegehrens „Keine Stadthalle für Finsterwalde“ durch die Stadtverwaltung Finsterwalde? zu Frage 1: Die Kommunalaufsicht über die Stadt Finsterwalde führt der Landrat des Landkreises Elbe-Elster als zuständige untere Kommunalaufsichtsbehörde (§ 110 Abs. 1 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg – BbgKVerf). Kommunalaufsicht ist Rechtsaufsicht; daher obliegt der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde lediglich eine rechtliche Bewertung. Eine darüber hinaus gehende Bewertung steht weder der Landesregierung noch der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde zu. Im Übrigen erfolgte die Entscheidung über das Bürgerbegehren durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Finsterwalde. Den Vertrauenspersonen steht es nach § 15 Abs. 2 Satz 4 BbgKVerf frei, gegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens den Rechtsweg zu beschreiten. Frage 2: Sind der Landesregierung vergleichbare Fälle bekannt, in denen Bürgerbegehren durch eine extrem enge Auslegung in Detailfragen für unzulässig erklärt wurden? zu Frage 2: Zur Auslegungspraxis kommunaler Bürgerbegehren liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Nach § 15 Abs. 2 BbgKVerf stellt die Vertretung in öffentlicher Sitzung fest, ob das Bürgerbegehren zustande gekommen ist; sie ist nach § 81 Abs. 6 Satz 2 BbgKWahlG an die Ergebnisermittlung des Wahlleiters nicht gebunden. Frage 3: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass durch solch hohe Auflagen wie im Falle der Ablehnung des Bürgerbegehrens „Keine Stadthalle für Finsterwalde“ Bürgerbegehren verhindert werden? zu Frage 3: Wie jedem Bürgerbegehren lagen auch hier die im Gesetz verankerten Anforderungen zugrunde. Darüber hinaus muss die Begründung bestimmte Anforderungen erfüllen, die bereits Verwaltungsgerichte in ihren Entscheidungen näher bezeichnet haben. So hat die Begründung alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu enthalten, so dass sich die Bürger verlässlich eine Auffassung bilden können. Das VG Minden führt in seinem Urteil vom 15.11.2012 (2 K 2607/11) aus, dass eine für die Entscheidung fehlende oder unvollständige wesentliche Tatsache dazu führen kann, dass die Begründung unzureichend ist. Des Weiteren dürfen in der Begründung keine für die Begründung entscheidenden Tatsachen unrichtig wiedergegeben werden. Frage 4: Wie bewertet die Landesregierung weitere Maßnahmen zur Stärkung der direkten Demokratie auf Kommunalebene, insbesondere a) eine Verkleinerung des Ausschlusskataloges in § 15 Absatz 3 der Kommunalverfassung Brandenburg b) die Einführung einer amtlichen Kostenschätzung der Verwaltung anstelle der hohen Hürde des Kostendeckungsvorschlages durch die Initiatoren c) Die Einführung eines Bürgerentscheides für Ortsteile einer Gemeinde in Angelegenheiten, die nur den Ortsteil betreffen? zu Frage 4: Die in der Fragestellung aufgezählten Möglichkeiten stellen nur einen Teil der Regelungen in der Kommunalverfassung zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden dar und beinhalten in § 15 viele Stellschrauben, die geprüft werden müssten. Möglich wäre darüber hinaus auch eine gesetzlich verankerte Beratungspflicht der Kommune bei der Initiierung von Bürgerbegehren oder Bürgerentscheiden oder die Einführung eines Ratsbegehrens. Sofern sich der Gesetzgeber dafür entscheidet, Maßnahmen zur Stärkung direkter Demokratie zu prüfen, ist eine Abwägung aller in Frage kommenden Möglichkeiten notwendig. Frage 5: Wie möchte die Landesregierung ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die bürgerschaftliche Mitwirkung in den Gemeinden zu stärken, konkret umzusetzen? zu Frage 5: Die Meinungsbildung der Landesregierung dazu ist noch nicht abgeschlossen.