Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1458 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 513 der Abgeordneten Steeven Bretz und Dieter Dombrowski der CDU-Fraktion Drucksache 6/1112 Fledermausverluste durch den Betrieb von Windkraftanlagen Wortlaut der Kleinen Anfrage 513 vom 14.04.2015: Der Ausbau der Windenergie im Land Brandenburg mit mehr als 3.000 vorhandenen Windenergieanlagen und einer installierten Leistung von rund 4.800 MW führt auch in unserem Bundesland zu Fledermausverlusten und damit zu naturschutzfachlichen Konflikten. Ursache für die Todesfälle von Fledermäusen sind einerseits die Kollision mit Rotorblättern (Schlagopfer) und andererseits auftretende Barotraumata bei den Tieren. Die großen Luftdruckunterschiede an den Rotorblättern führen hierbei zu ei- ner Schädigung der inneren Organe bei den Fledermäusen, die auch zur Zerstörung der überlebenswichtigen Hörorgane führen können und sie somit jagdunfähig ma- chen. Besonders die hervorgerufenen Barotraumata sind ein Grund dafür, dass die offiziellen Zahlen zu Fledermausverlusten durch den Betrieb von Windkraftanlagen vermutlich weitaus höher sind. Nach einer aktuellen Untersuchung1 handelt es bei mehr als 70 Prozent der getöteten Fledermäuse um ziehende Fledermausarten, die während ihres Weges vom nordosteuropäischen Sommerquartier in ihre süd- und westeuropäischen Winterquartiere und zurück durch Windkraftanlagen ums Leben kommen. Somit hat der Windkraftausbau auch einen Einfluss auf die Fledermauspo- pulationen in den jeweiligen Herkunftsgebieten. Das Land Brandenburg hat zwar mit dem Windkrafterlass zur Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Auswei- sung von Windeignungsgebieten und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen von 2011 und den tierökologischen Abstandskriterien gewisse Vorkehrungen getrof- fen, dennoch sollten die berechtigten naturschutzfachlichen Belange ernst genom- men werden. 1 Voigt C., Lehnert L., Petersons G., Adorf F., Bach L. (2015): Wildlife and renewable energy: German politics cross migratory bats. EUROPEAN JOURNAL OF WILDLIFE RESEARCH. DOI: 10.1007/s10344-015-0903-y. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie haben sich die Fledermausverluste durch Windenergieanlagen in den letzten 15 Jahren im Land Brandenburg entwickelt? (bitte jährlich ausweisen) 2. Welche einzelnen Vorgaben zum Schutz von Fledermäusen sind bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten einerseits und beim Betrieb von Windenergieanlagen andererseits zu beachten? 3. Wer kontrolliert die in der Antwort auf Frage 2) genannten Vorgaben und in welchem zeitlichen Rhythmus erfolgen entsprechende Kontrollen? 4. Welche besonderen Vorschriften gibt es in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz hinsichtlich geeigneter Abstände zwischen Windenergieanlagen und angrenzenden Fledermausquartieren? 5. Betreiber von Windenergieanlagen können durch Auflagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid auch dazu verpflichtet werden, ein geeignetes Monitoring durchzuführen. Wie vielen Betreibern von Windkraftanlagen wurden bislang entsprechende Auflagen erteilt? 6. Inwiefern wird im Rahmen solch eines Monitorings sichergestellt, dass in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz nicht nur ein oder wenige Fledermausquartiere begutachtet, sondern sämtliche Quartiere in die gutachterlichen Betrachtungen einbezogen werden? 7. Wer kontrolliert, dass das von den Betreibern von Windenergieanlagen durchgeführte Monitoring den anerkannten Standards entspricht, um letztendlich ein realitätsgetreues Untersuchungsergebnis zu garantieren? 8. Wurden in der Vergangenheit einzelne Monitoringberichte von Anlagenbetreibern aufgrund von Mängeln beanstandet? Wenn ja, wie viele und welche Konsequenzen waren damit für den jeweiligen Betreiber verbunden? 9. Welche Maßnahmen gibt es im Land Brandenburg in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz, um das Kollisions- und Tötungsrisiko für Fledermäuse zu reduzieren? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie haben sich die Fledermausverluste durch Windenergieanlagen in den letzten 15 Jahren im Land Brandenburg entwickelt? (bitte jährlich ausweisen) Zu Frage 1: Die Staatliche Vogelschutzwarte des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Ver- braucherschutz des Landes Brandenburg trägt seit dem Jahr 2002 verfügbare Daten zu Kollisionen von Fledermäusen an Windenergieanlagen (WEA) in einer zentralen Datenbank zusammen. In Brandenburg wurden bisher 871 an WEA verunglückte Fledermäuse von 10 Arten registriert. Aufgrund des weitgehenden Fehlens flächen- hafter und systematischer Erfassungen von Anflugopfern lässt sich daraus jedoch keine nach Jahren aufgeschlüsselte, aussagekräftige Statistik ableiten. Eine Über- sicht mit ergänzenden Angaben zu Fundmeldungen aus anderen Bundesländern findet sich unter der Rubrik „Fledermäuse in Deutsch-land“ auf der Website http://www.lugv.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.312579.de. Frage 2: Welche einzelnen Vorgaben zum Schutz von Fledermäusen sind bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten einerseits und beim Betrieb von Windenergieanlagen andererseits zu beachten? Frage 4: Welche besonderen Vorschriften gibt es in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz hinsichtlich geeigneter Abstände zwischen Windenergieanla- gen und angrenzenden Fledermausquartieren? Zu den Fragen 2 und 4: In Verfahren zur Genehmigung von Windenergieanlagen sind die artenschutzrechtli- chen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes zu beachten. In diesem Rahmen werden auch die tierökologischen Abstandskriterien (TAK) des Windkrafterlasses des MUGV vom 1.1.2011 angewandt. In der Regionalplanung sind erkennbare Konflikte mit dem Fledermausschutz dem Maßstab der Planung entsprechend zu bewältigen. Die Vorgaben der TAK sind daher entsprechend anzuwenden. Frage 3: Wer kontrolliert die in der Antwort auf Frage 2) genannten Vorgaben und in welchem zeitlichen Rhythmus erfolgen entsprechende Kontrollen? Zu Frage 3: Soweit es sich um die Kontrolle festgelegter Abschaltzeiten handelt, enthalten die Genehmigungen i.d.R. folgende Auflage: "Die Einhaltung der Abschaltzeitenregelung für Fledermäuse ist jährlich bis spätestens zum 15. November des jeweiligen Kalen- derjahres durch Vorlage von Protokollen über die Abschaltung mit Angabe zu Tem- peratur, Windgeschwindigkeit und Niederschlag nachzuweisen." Die geforderten Angaben sind in der Anlagensteuerung datentechnisch hinterlegt und können ausgelesen werden. Die Kontrolle der vorzulegenden Protokolle erfolgt durch das LUGV als zuständiger Naturschutzbehörde. Frage 5: Betreiber von Windenergieanlagen können durch Auflagen im immissionsschutz- rechtlichen Genehmigungsbescheid auch dazu verpflichtet werden, ein geeignetes Monitoring durchzuführen. Wie vielen Betreibern von Windkraftanlagen wurden bis- lang entsprechende Auflagen erteilt? Zu Frage 5: Hierüber wird keine Statistik geführt. Frage 6: Inwiefern wird im Rahmen solch eines Monitorings sichergestellt, dass in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz nicht nur ein oder wenige Fle- dermausquartiere begutachtet, sondern sämtliche Quartiere in die gutachterlichen Betrachtungen einbezogen werden? Zu Frage 6: Bereits bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten sind die zum Schutz von Fledermäusen in der Anlage 1 Nr. 9 der TAK aufgeführten Kriterien zu berücksichti- gen. Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren werden alle verfah- rensnotwendigen Informationen ermittelt. In Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz ist es somit notwendig, auch im Wege des Monitorings, die verfahrensrelevanten und betroffenen Fledermausquartiere einzubeziehen. Frage 7: Wer kontrolliert, dass das von den Betreibern von Windenergieanlagen durchgeführ- te Monitoring den anerkannten Standards entspricht, um letztendlich ein realitätsge- treues Untersuchungsergebnis zu garantieren? Zu Frage 7: Begleitend zum Monitoring werden durch den Fachgutachter Jahresberichte sowie ein zusammenfassender Abschlussbericht erstellt, die der Genehmigungsbehörde vorzulegen sind. Diese Berichte werden vom LUGV geprüft. Frage 8: Wurden in der Vergangenheit einzelne Monitoringberichte von Anlagenbetreibern aufgrund von Mängeln beanstandet? Wenn ja, wie viele und welche Konsequenzen waren damit für den jeweiligen Betreiber verbunden? Zu Frage 8: In Einzelfällen fielen bei Zwischenberichten zum Monitoring Defizite auf. Die Vorha- bensträger werden dann aufgefordert, entsprechende Nachbesserungen durchzufüh- ren. Fallzahlen liegen hierzu nicht vor. In zwei Windparks wurden vom LUGV Mängel an den Monitoringberichten festgestellt (Unterschreitung des auferlegten Untersu- chungsumfangs), hier sind noch Widerspruchsverfahren anhängig. Frage 9: Welche Maßnahmen gibt es im Land Brandenburg in Gebieten mit besonderer Be- deutung für den Fledermausschutz, um das Kollisions- und Tötungsrisiko für Fleder- mäuse zu reduzieren? Zu Frage 9: Sofern die Untersuchungen in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Fleder- mausschutz gemäß der TAK hohe Fledermausaktivitäten belegen, die zu einem hö- heren Kollisionsrisiko führen können, sind zur Verringerung des Kollisions- und Tö- tungsrisikos Abschaltzeiten erforderlich. Diese richten sich im Zeitraum von Mitte Juli bis Mitte September nach folgenden Parametern: 1. bei Windgeschwindigkeiten in Gondelhöhe unterhalb von 5,0 m/s, 2. bei einer Lufttemperatur ≥10°C im Windpark und 3. in der Zeit von 1 Stunde vor Sonnenuntergang bis 1 Stunde vor Sonnenaufgang, 4. kein Niederschlag. Die Sommermonate bilden einen Schwerpunkt der Fledermausaktivitäten und sind zugleich die windärmsten Monate des Jahres. Zeiten mit niedrigen Windgeschwin- digkeiten und damit höherer Fledermausaktivität haben dementsprechend einen ver- hältnismäßig geringen Anteil am Gesamtertrag.