Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1474 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 555 des Abgeordneten Péter Vida BVB/FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/1255 Öffnungszeiten in Kindertagesstätten Wortlaut der Kleinen Anfrage 555 vom 27.04.2015: In den Sitzungen der Gemeindevertretungen in Brandenburg werden oft Fragen zum Betrieb der kommunalen Kindertagesstätten aufgeworfen. Ein strittiges Thema sind die Öffnungszeiten. Hier herrscht insbesondere ein Interessenskonflikt zwischen Eltern, die aufgrund von flexiblen Arbeitszeiten, die durch deren Arbeitgeber gefordert werden, längere Öffnungszeiten wünschen und den Gemeinden, die versuchen, durch überschaubare Öffnungszeiten die Kosten im Rahmen zu halten. Nach § 1 Abs. 1 des KitaG gewährleistet die Kindertagesbetreuung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dient dem Wohl und der Entwicklung der Kinder. Nach Diskowski/Wilms in Kindertagesstätten in Brandenburg - Kommentar, Nr. 6.5 zu § 9 ist der Maßstab jeder gefundenen Lösung die Verträglichkeit für das Wohl des Kindes ; an diesem Maßstab haben sich letztlich Flexibilitätswünsche von Eltern und Verfahrensregelungen der Kita auszurichten. Der jeweilige Bedarf richtet sich vorranging nach dem Kindeswohl. Gemäß § 12 KitaG ist vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ein Bedarfsplan aufzustellen und rechtzeitig fortzuschreiben. Laut Nr. 4.8 zu § 12 a.a.O. ist für die Herstellung eines bedarfsgerechten Angebotes die geäußerte Nachfrage nicht unbeachtlich. Die Nachfrage ist zu erfassen und unter den Gesichtspunkten der Ansprüche aus § 1 normativ zu werten. Der Bedarf für Kinder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr und für Kinder im Grundschulalter kann nach § 1 Abs. 4 KitaG auch durch Spielkreise erfüllt werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Aufgaben übernehmen die Gemeinden bei der Erstellung des Bedarfsplans? 2. Wie oft wird dieser Bedarfsplan aktualisiert? 3. Ist eine grobe Abschätzung, wie weit die Bedarfsplanung von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Kitaplätze im landesweiten Durchschnitt abweicht, möglich? Wie hoch ist sie? 4. Nach § 7 Abs. 2 KitaG berät der Kita-Ausschuss den Träger hinsichtlich bedarfsgerechter Öffnungszeiten. Wie groß muss die Anzahl oder der Anteil der Kinder mindestens sein, um darauf basierend vom Träger eine gesetzlich gebotene Erweiterung der Öffnungszeiten einzufordern? 5. Inwieweit haben Gemeinden das Recht, die Mindestbetreuungszeiten starr, also z. B. von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr fix, festzuschreiben? Ist nicht eine Flexibilität, die Mindestbetreuungszeit von 6 Stunden in den Zeitraum von z. B. 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr variierend nutzen zu können, dem Kindeswohl zuträglicher? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche Aufgaben übernehmen die Gemeinden bei der Erstellung des Bedarfsplans? Zu Frage 1: Der Bedarfsplan gemäß § 12 Abs. 3 KitaG ist Teil der allgemeinen Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII) und insofern eine nicht übertragbare Aufgabe der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Mit den Gemeinden ist das Benehmen herzustellen. Es wird davon ausgegangen, dass die Bedarfsplanung auf örtliche Planungen der Gemeinden Bezug nimmt und sie berücksichtigt. Frage 2: Wie oft wird dieser Bedarfsplan aktualisiert? Zu Frage 2: Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 KitaG ist der Bedarfsplan „rechtzeitig“ fortzuschreiben. Es ist also kein bestimmter Zeitrhythmus der Aktualisierung vorgegeben, sondern die Fortschreibung muss der Entwicklungsdynamik des Feldes angemessen sein. Bei starken Veränderungen z. B. in der Kinderzahl, in der tatsächlichen Inanspruchnahme der Einrichtungen, der Wünsche und Auswahlentscheidungen der Leistungsempfänger oder der Entwicklung der Einrichtungen, können kurzfristige Aktualisierungen oder kurze Rhythmen erforderlich sein; sind diese Bedingungen eher stabil, können eine Überprüfung und Aktualisierungsnotwendigkeit erst nach mehreren Jahren angemessen sein. Frage 3: Ist eine grobe Abschätzung, wie weit die Bedarfsplanung von der tatsächlichen Inanspruchnahme der Kitaplätze im landesweiten Durchschnitt abweicht, möglich? Wie hoch ist sie? Zu Frage 3: Es gibt keine Anzeigepflicht der Bedarfsplanung beim zuständigen Ressort der Landesregierung . Eine Abfrage veröffentlichter Pläne oder eine systematische Auswertung von Plänen erfolgt nicht. Frage 4: Nach § 7 Abs. 2 KitaG berät der Kita-Ausschuss den Träger hinsichtlich bedarfsgerechter Öffnungszeiten. Wie groß muss die Anzahl oder der Anteil der Kinder mindestens sein, um darauf basierend vom Träger eine gesetzlich gebotene Erweiterung der Öffnungszeiten einzufordern? Zu Frage 4: Weder ein bestimmter Anteil von Kindern noch eine bestimmte Kinderzahl sind festgelegt , um die Dauer und die Lage von Öffnungszeiten zu bestimmen. Von Landesseite wird auf solche Festlegungen verzichtet, weil sie stark von den jeweiligen Gegebenheiten abhängen. Zudem ist das Dreiecksverhältnis zwischen dem Angebot des Trägers, dem Wunsch von Eltern und der Leistungsverpflichtung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe komplex: Der Anspruch des Kindes und seiner Eltern richtet sich gegen den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe; dieser kann die Träger von Einrichtungen durch die (Nicht-)Aufnahme in den Bedarfsplan zur Bereitstellung eines entsprechenden Angebots motivieren. Letztlich bleibt die Entscheidung über die Öffnungszeiten dem Träger überlassen, der Kita-Ausschuss berät ihn dabei. Bei der Festlegung der täglichen (wie der jährlichen) Öffnungszeiten ist zu beachten, dass eine Verlängerung der täglichen Öffnungszeit die Personalausstattung in den Kernzeiten ausdünnt. Es ist also, unter vorrangiger Beachtung des Kindeswohls, ein Ausgleich zwischen verschiedenen Wünschen und Interessen zu finden. Mit der Mindestpersonalausstattung gemäß KitaG und KitaPersV sind besondere Öffnungszeiten in der Regel nicht abzudecken. Wenn ein solcher Bedarf vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe als unabweisbar angesehen wird, wäre für eine entsprechende Verstärkung zu sorgen. Wenn nur für einzelne Kinder ein besonderer zeitlicher Betreuungsbedarf artikuliert wird, sind aus pädagogischen wie arbeitsorganisatorischen Gründen Angebotsformen, wie z. B. ergänzende Kindertagespflege , vorzugswürdig. Frage 5: Inwieweit haben Gemeinden das Recht, die Mindestbetreuungszeiten starr, also z. B. von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr fix, festzuschreiben? Ist nicht eine Flexibilität, die Mindestbetreuungszeit von 6 Stunden in den Zeitraum von z. B. 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr variierend nutzen zu können, dem Kindeswohl zuträglicher? Zu Frage 5: Die in der Antwort zu Frage 4 angesprochene Abwägung verschiedener Wünsche und Interessen – unter vorrangiger Beachtung des Kindeswohls – betrifft auch die Lage der Betreuungszeiten. Eine allgemeine, starre und einseitige Festlegung der Betreuungszeit entspricht nicht den Vorgaben des KitaG. Auf der anderen Seite gibt es Grenzen der Flexibilität, wenn nicht die Erfüllung des pädagogischen Auftrags leiden soll. Die bedarfsgerechte und qualitätsvolle Erfüllung des Erziehungs-, Bildungs -, Betreuungs- und Versorgungsauftrags muss die Lebensrealität von Familien und deren Zeitrhythmen ebenso bei der Gestaltung der pädagogischen Arbeit be- rücksichtigen wie Beständigkeit, Verlässlichkeit und Kontinuität im Gruppengeschehen . Nach den Erfahrungen sind einerseits mehr Flexibilität und Bedürfnisgerechtigkeit möglich als es eingeübte Handlungsroutinen in der Regel zulassen, und es sind andererseits nicht alle Anpassungen an Elternwünsche mit dem Auftrag von Kindertagesbetreuung vereinbar.