Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1499 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 531 der Abgeordneten Heide Schinowsky der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/1190 Transparenz und Sicherheit bei Rückstellungen für Folgeschäden der Braun- kohletagebaue Wortlaut der Kleinen Anfrage 351 vom 20.04.2015: Noch weit über das Ende des Tagebaus in der Lausitz wird die Bewältigung der Fol- gen des Braunkohlenbergbaus auch die nachfolgenden Generationen beschäftigen. Der Tagebaubetrieb ist mit schwerwiegenden ökologischen, sozialen und wirtschaft- lichen Eingriffen in Natur und Kulturlandschaft verbunden, die auch noch lange Zeit nach der Beendigung der Bergbautätigkeiten Schäden und die damit verbundenen Kosten verursachen. Es stellt sich von daher die Frage, wie bzw. ob sichergestellt ist, dass der Verursa- cher für die durch den Braunkohletagebau verursachten Schäden auch aufkommt, damit diese Kosten nicht von der Gesellschaft bzw. den Steuerzahler/innen über- nommen werden müssen. Das Forum Sozial-Ökologische Marktwirtschaft (FÖS) be- tont in einem Gutachten zu den Kostenrisiken für die Gesellschaft durch die Braun- kohletagebaue (April 2014), dass die Betreiber für sog „Ewigkeitskosten“ wie die dauerhaft anfallende Sümpfungen oder unerwartete Schadensereignisse in der Re- gel nicht aufkommen. Über die genaue Höhe, Grundlage und Bei der Bildung der Rückstellungen besteht ein erhebliches Transparenzproblem, was eine Bewertung erschwert. Die bergbau- treibenden Unternehmen müssen nicht veröffentlichen, welche Folgekosten in wel- chen Zeiträumen sie kalkulieren. In den Geschäftsberichten der Vattenfall AG lässt sich weder die genaue Höhe der bergbaubedingten Rückstellungen für die Bilanzjah- re 2013 und 2014 erkennen, noch welche Verpflichtungen den Rückstellungen je- weils gegenüberstehen, welcher Erfüllungszeitraum im Einzelnen vorgesehen ist und inwiefern sich die Rückstellungen in Zuführungen, Inanspruchnahme und Auflösun- gen im Zeitverlauf zusammensetzen - und wodurch sie bedingt sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche bergbaubedingten Rückstellung in welcher Höhe und für welchen Zeitraum nimmt das bergbautreibende Unternehmen vor? 2. Unterliegen die Rückstellungen der Bergbaubetreibenden in der Lausitz zur Absicherung von Schäden einer Zweckbindung? 3. Wie hoch sind die Rückstellungen des Bergbaubetreibenden Vattenfall Europe Mining AG für die Schadensregulierung der Bergbaufolgeschäden und die Renaturierung der ausgekohlten Tagebaue und wie haben sich die Rückstellungen in den letzten Jahren entwickelt? 4. Wie wurde die Höhe der Rückstellungen festgelegt und auf Grundlage welcher Datengrundlage, Studien, Schätzungen oder sonstiger Annahmen werden diese berechnet? 5. Welche Haftungsregeln bestehen im Falle einer Unternehmensinnsolvenz oder einer Unternehmensveräußerung? 6. Ist die Vattenfall SE auch nach der jüngsten Umstrukturierung des Konzerns noch zahlungspflichtig, wenn bei einer Insolvenz der Vattenfall GmbH das Kapital nicht mehr ausreicht, um die Rückstellungen zu bedienen? 7. Wie sehen die Haftungsregelungen im Falle einer Unternehmensinsolvenz oder von Umstrukturierungen aus? Kann die Landesregierung ausschließen, dass Rückstellungen für den Rückbau von Braunkohletagebaue von der VEM AG in Risikobranchen, wie z.B. in die Nuklearwirtschaft oder die fossile Energiewirtschaft investiert wurden und somit bei einer Umsetzung der Energiewende nicht mehr werthaltig sind? 8. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, in welche Bereiche die Vattenfall AG die Rückstellungen investiert hat? 9. Gibt es behördliche Auflagen zur Bildung von bergbaulichen Rückstellungen für die Vattenfall AG? Wenn ja, welche? 10. Welche Zuführung zu den bergbaulichen Rückstellungen gab es in den Berichtsjahren 2010, 2011, 2012, 2013, 2014? Wurden die Zuführungen aufgrund der sich abzeichnenden erhöhten Kostenbelastung durch den aktiven Tagebau, der wesentlich auch zur steigenden Sulfatbelastung ebenso wie zur Verockerung der Spree, erhöht? Oder wurden ergänzende Rückstellungen behördlich zur Auflage gemacht? Plant die Landesregierung, hier in Zukunft tätig zu werden? 11. Ist nach Ansicht der Landesregierung die Höhe der Rückstellungen plausibel und nachvollziehbar oder besteht darüber hinausgehender Bedarf? 12. Wie ist gesichert, dass die Gelder auch dann zur Verfügung stehen, wenn sie – teils erst Jahrzehnte nach der Rückstellungsbildung – tatsächlich benötigt werden? 13. Hat der Bergbautreibende die alleinige Verfügungsmacht über die angesammelten Rückstellungsmittel oder übt die Landesregierung hier eine Kontrollfunktion aus? Ist der Landesregierung bekannt, wie die Rückstellungen verwendet wurden? 14. Liegt der Landesregierung eine ökologische Gesamtbilanz des Braunkohlebergbaus vor, der auch die Ewigkeitskosten der Braunkohle abschätzt? 15. Plant die Landesregierung Maßnahmen, um das gesellschaftliche Kostenrisiko durch zu geringe oder zum Erfüllungszeitpunkt nicht verfügbare Rückstellungen zu minimieren? 16. Welche Position hat die Landesregierung bezüglich der Bildung eines „Ewigkeitslasten-Fonds“, in dem die Rückstellungen eingezahlt und damit (inkl. Zinsen) gesichert werden sollen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche bergbaubedingten Rückstellung in welcher Höhe und für welchen Zeitraum nimmt das bergbautreibende Unternehmen vor? zu Frage 1: Bergbaubedingte Rückstellungen werden für die zukünftigen, aus dem Braunkohlebergbau resultierenden Verpflichtungen gebildet, insbesondere für Maßnahmen zur Restraumgestaltung und zur Rekultivierung, für wasserwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen, für den Rückbau technischer Anlagen und für Entschädigungsleistungen. Gemäß dem Prüfbericht für das Geschäftsjahr 2014 hat die Vattenfall Europe Mining AG zum Bilanzstichtag 31.12.2014 bergbaubedingte Rückstellungen in Höhe von 1.105,9 Mio. Euro gebildet. Frage 2: Unterliegen die Rückstellungen der Bergbaubetreibenden in der Lausitz zur Absicherung von Schäden einer Zweckbindung? zu Frage 2: Bei den Rückstellungen gemäß § 253 Handelsgesetzbuch (HGB) handelt es sich um Passivposten in der Bilanz des Unternehmens, die nach den handelsrechtlichen Vorgaben für zukünftige Verbindlichkeiten zu bilden sind. Bei bilanziellen Rückstellungen behält das Unternehmen grundsätzlich freien Zugriff auf diese Vermögensmasse. Frage 3: Wie hoch sind die Rückstellungen des Bergbaubetreibenden Vattenfall Europe Mining AG für die Schadensregulierung der Bergbaufolgeschäden und die Renaturierung der ausgekohlten Tagebaue und wie haben sich die Rückstellungen in den letzten Jahren entwickelt? zu Frage 3: Die bergbaubedingten Rückstellungen haben sich ausweislich der Prüfberichte in den Jahren 2010 bis 2014 wie folgt entwickelt Geschäftsjahr Bergbaubedingte Rückstellungen in Mio. € 2010 877,4 2011 955,6 2012 980,7 2013 998,2 2014 1.105,9 Frage 4: Wie wurde die Höhe der Rückstellungen festgelegt und auf Grundlage welcher Datengrundlage, Studien, Schätzungen oder sonstiger Annahmen werden diese berechnet? zu Frage 4: Gemäß § 253 HGB erfolgt die Bewertung der Rückstellungen mit dem nach vernünf- tiger kaufmännischer Beurteilung erforderlichen Erfüllungsbetrag. Bei der jährlich stattfindenden Überprüfung der gebildeten Rückstellungen durch einen externen Wirtschaftsprüfer werden neue Erkenntnisse und aktuelle Preisentwicklungen be- rücksichtigt. Die Einzelheiten der Berechnung der Rückstellungen bei der Vattenfall Europe Mining AG sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 5: Welche Haftungsregeln bestehen im Falle einer Unternehmensinsolvenz oder einer Unternehmensveräußerung? zu Frage 5: Im Falle einer Insolvenz gelten die Vorschriften der Insolvenzordnung. Die Haftung im Falle der Unternehmensveräußerung bestimmt sich danach, in welchem Umfang eine Übernahme der Pflichten durch den Erwerber erfolgt. Sie ist Gegenstand der unternehmerischen Verkaufsvereinbarung. Frage 6: Ist die Vattenfall SE auch nach der jüngsten Umstrukturierung des Konzerns noch zahlungspflichtig, wenn bei einer Insolvenz der Vattenfall GmbH das Kapital nicht mehr ausreicht, um die Rückstellungen zu bedienen? zu Frage 6: Durch die Landesregierung wird kein Insolvenzrisiko bei der Vattenfall GmbH gesehen. Insofern ergibt sich auch keine Notwendigkeit für die Prüfung einer möglichen Zahlungsverpflichtung durch die Vattenfall AB. Frage 7: Wie sehen die Haftungsregelungen im Falle einer Unternehmensinsolvenz oder von Umstrukturierungen aus? Kann die Landesregierung ausschließen, dass Rückstellungen für den Rückbau von Braunkohletagebaue von der VEM AG in Risikobranchen, wie z.B. in die Nuklearwirtschaft oder die fossile Energiewirtschaft investiert wurden und somit bei einer Umsetzung der Energiewende nicht mehr werthaltig sind? zu Frage 7: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Frage 8: Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, in welche Bereiche die Vattenfall AG die Rückstellungen investiert hat? zu Frage 8: Der Landesregierung liegen hierzu keine Kenntnisse vor. Frage 9: Gibt es behördliche Auflagen zur Bildung von bergbaulichen Rückstellungen für die Vattenfall AG? Wenn ja, welche? zu Frage 9: Das Bundesberggesetz enthält keine gesetzliche Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen, so dass diesbezüglich keine behördlichen Auflagen gegenüber der Vattenfall Europe Mining AG festgelegt wurden. Frage 10: Welche Zuführung zu den bergbaulichen Rückstellungen gab es in den Berichtsjahren 2010, 2011, 2012, 2013, 2014? Wurden die Zuführungen aufgrund der sich abzeichnenden erhöhten Kostenbelastung durch den aktiven Tagebau, der wesentlich auch zur steigenden Sulfatbelastung ebenso wie zur Verockerung der Spree, erhöht? Oder wurden ergänzende Rückstellungen behördlich zur Auflage gemacht? Plant die Landesregierung, hier in Zukunft tätig zu werden? zu Frage 10: Ausweislich der Geschäftsberichte sind in den Jahren 2010 bis 2014 folgende Zuführungen erfolgt: Geschäftsjahr Zuführungen bergbaubedingter Rückstellungen in Mio. € 2010 55,8 2011 122,2 2012 68,8 2013 94,8 2014 230,9 Der Landesregierung sind die Gründe für die Zuführungen im Einzelnen nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Frage 11: Ist nach Ansicht der Landesregierung die Höhe der Rückstellungen plausibel und nachvollziehbar oder besteht darüber hinausgehender Bedarf? zu Frage 11: Die Angemessenheit der Höhe der gebildeten Rückstellungen wird mit dem Bericht des Wirtschaftsprüfers zum Jahresabschluss und Lagebericht bestätigt. Die Landesregierung selbst kann hierzu keine Einschätzung treffen. Frage 12: Wie ist gesichert, dass die Gelder auch dann zur Verfügung stehen, wenn sie – teils erst Jahrzehnte nach der Rückstellungsbildung – tatsächlich benötigt werden? zu Frage 12: Wie in der Antwort zu Frage 4 dargestellt, werden die Rückstellungen im Hinblick auf die zukünftigen Verbindlichkeiten gebildet, so dass zu dem Zeitpunkt, in dem die Verbindlichkeit fällig wird, der Erfüllungsbetrag vorliegt. Frage 13: Hat der Bergbautreibende die alleinige Verfügungsmacht über die angesammelten Rückstellungsmittel oder übt die Landesregierung hier eine Kontrollfunktion aus? Ist der Landesregierung bekannt, wie die Rückstellungen verwendet wurden? zu Frage 13: Die Rückstellungen unterliegen nicht der Kontrolle der Landesregierung. Allerdings dürfen Rückstellungen gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB nur aufgelöst werden, so- weit der Grund hierfür entfallen ist. Zur konkreten Verwendung der Rückstellungen liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Frage 14: Liegt der Landesregierung eine ökologische Gesamtbilanz des Braunkohlebergbaus vor, der auch die Ewigkeitskosten der Braunkohle abschätzt? zu Frage 14: Der Landesregierung sind verschiedene Ausarbeitungen, die sich mit dieser Thema- tik auseinandersetzen, bekannt, so auch die Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. im Auftrag von Greenpeace, 2014: Kostenrisiken für die Gesell- schaft durch den deutschen Braunkohletagebau. Die Landesregierung teilt die Ein- schätzung, dass der Braunkohlebergbau in Deutschland Ewigkeitskosten verursacht, nicht. Durch die Gestaltung einer Bergbaufolgelandschaft, durch wasserwirtschaftli- che Ausgleichsmaßnahmen und weitere Wiedernutzbarmachungs- und Rekultivie- rungsarbeiten werden die sogenannten Ewigkeitsfolgen vermieden. Frage 15: Plant die Landesregierung Maßnahmen, um das gesellschaftliche Kostenrisiko durch zu geringe oder zum Erfüllungszeitpunkt nicht verfügbare Rückstellungen zu minimieren? Frage 16: Welche Position hat die Landesregierung bezüglich der Bildung eines „Ewigkeitslasten-Fonds“, in dem die Rückstellungen eingezahlt und damit (inkl. Zinsen) gesichert werden sollen? zu den Fragen 15 und 16: Der Landesregierung liegen keine Informationen vor, die vermuten lassen, dass die bergbaubedingten Rückstellungen nicht ausreichend bemessen sein könnten oder dass der Erfüllungsbetrag zum Zeitpunkt, in dem die Verbindlichkeit fällig wird, nicht zur Verfügung stehen könnte. Insofern sind auch keine Maßnahmen geplant. Im Üb- rigen siehe Antwort zu Frage 14.