Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1646 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 550 des Abgeordneten Andreas Kalbitz der AfD-Fraktion Drucksache 6/1249 Verringerung der Betriebszeiten von Schleusen in Ostbrandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 550 vom 24. April 2015: Laut Presseinformationen sollen die vier Schleusen (Neue Mühle, Kummersdorf, Storkow und Wendisch-Rietz) im Osten Brandenburgs eineinhalb Stunden später öffnen und vier Stunden früher als bisher schließen, um Geld zu sparen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hatte den Schritt bereits im Februar mit feh- lendem Personal und Sparauflagen begründet. Tourismusverbände kritisieren die Entscheidung. Die Schleuse Neue Mühle z.B. sei schon jetzt das Nadelöhr zwischen Berlin und Ostbrandenburg. "Damit werden Wochenendausflüge für Berufstätige aus Berlin - unsere Hauptzielgruppe - fast unmöglich", beklagte die Geschäftsführerin Frau R. des Tourismusverbandes Seenland Oder-Spree. Das betrifft weiter entlegeneren Schleusen noch mehr, da die Schleusen Kummers- dorf, Storkow, Wendisch Rietz auch um 18 Uhr schließen. Im Sommer und Früh- herbst seien gerade abends viele Touristen auf dem Wasser unterwegs, beispielwei- se passierten im letzten Jahr ca. 35.000 Sportboote die Schleuse Neue Mühle. Die verkürzten Betriebszeiten werden sich langfristig negativ auf die Besucher- und Übernachtungszahlen auswirken und den Tourismusstandort Ostbrandenburg schwächen. Ich frage die Landesregierung: 1.) Mit welchen Auswirkungen rechnet die Landesregierung durch die Verkürzung der Betriebszeiten: a. für die Anzahl von Touristen in Ostbrandenburg? b. Nutzung der Wasserwege? c. absehbare Belastungsspitzen für den Schleusenbetrieb? 2.) Inwiefern rechnet die Landesregierung mit einem Attraktivitätsverlust des Stan- dortes für die Wassersport- und Freizeitnutzung? 3.) Wie viele Touristen nutzen die Wasserwege? 4.) In welchem Ausmaß wird die Attraktivität des Ostbrandenburger Standorts durch eine Verkürzung der Betriebszeiten verringert? 5.) Wie viele Touristen werden durch die Verkürzung voraussichtlich auf andere Re- gionen ausweichen? 6.) Mit welchen weiteren Auswirkungen rechnet die Landesregierung durch die Ver- kürzung der Betriebszeiten? 7.) Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zur Frequenz der Nutzung pro betroffene Schleuse in der Zeit von 07:00 Uhr bis 08:30 Uhr und von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr (ggf. bitte aufschlüsseln)? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Mit welchen Auswirkungen rechnet die Landesregierung durch die Verkürzung der Betriebszeiten: a. für die Anzahl von Touristen in Ostbrandenburg? b. Nutzung der Wasserwege? c. absehbare Belastungsspitzen für den Schleusenbetrieb? zu den Fragen 1a – c: In den von der Kürzung der Schleusenöffnungszeiten betroffenen Reiseregionen Se- enland Oder-Spree und Dahme-Seenland wurden vom Amt für Statistik Berlin- Brandenburg im Jahr 2014 1,13 Mio. Gäste mit 3 Mio. Übernachtungen erfasst. Wie viele davon die Wasserstraßen als Verkehrsweg nutzten, kann allenfalls aus den Schleusungszahlen abgeleitet werden: Die Schleusen Neue Mühle und Kummersdorf nutzten nach den Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin im Jahr 2014 etwa 16.000 bzw. 8.000 Wasserfahrzeuge. Die statistischen Auswertungen des WSA weisen in den zwei- bis vierstündigen Erfassungszeiträumen bis zu 2000 Boots- schleusungen aus (monatlich in der Mittagszeit), am Abend zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr wurden im Monat bis zu 81 Schleusungen gezählt. Verlässliche Schätzungen zu den konkreten zahlenmäßigen Auswirkungen der redu- zierten Betriebszeiten liegen für die Zukunft nicht vor. Die Landesregierung ist gemeinsam mit den Unternehmen und Kommunen vor Ort der Auffassung, dass die Verkürzung der Betriebszeiten die Attraktivität des Reviers erheblich beeinträchtigt, zumal der Wassertourismus über den Bootstourismus hin- aus die Attraktivität der Urlaubsregionen in Brandenburg prägt und damit ein wichti- ger Wirtschaftsfaktor ist. Frage 2: Inwiefern rechnet die Landesregierung mit einem Attraktivitätsverlust des Standortes für die Wassersport- und Freizeitnutzung? zu Frage 2: Das von der Kürzung der Schleusenöffnungszeiten betroffene Wassersportrevier um- fasst u.a. die Verbindungen zwischen Berlin und dem Scharmützelsee über die Stor- kower Gewässer sowie Berlin und Teupitz über die Teupitzer Gewässer. Das sind zwei Fahrgebiete, die sich zum Wasserwandern anbieten. Für Wassertouristen stellt sich nicht nur die Frage, ob die Schleusen rechtzeitig er- reicht werden können, sondern ob grundsätzlich die Möglichkeit besteht, nach Son- nenauf- und vor Sonnenuntergang die Schleusen zu nutzen. Die Verkürzung der Schleusenzeiten wird mit reduzierten Urlaubserlebnissen in Verbindung gebracht und könnte zur Folge haben, dass sich die potenziellen Nutzer in dieser Hinsicht attrakti- vere Urlaubsregionen auswählen, in denen ein Zwang zur Eile nicht besteht. Der da- raus für Brandenburg erwachsene Schaden ist zwar im Vorfeld nicht konkret bezif- ferbar, jedoch mittel- bis langfristig absehbar. Frage 3: Wie viele Touristen nutzen die Wasserwege? zu Frage 3: Siehe Antwort zu Frage 1. Frage 4: In welchem Ausmaß wird die Attraktivität des Ostbrandenburger Standorts durch ei- ne Verkürzung der Betriebszeiten verringert? zu Frage 4: Die Auswirkungen der Kürzung von Schleusenöffnungszeiten können für die be- troffenen ostbrandenburgischen Standorte nicht konkret beziffert werden, dürften aber deutlich spürbar sein. Die Einbußen an Attraktivität, die hier zu erwarten sind, werden nicht auf die Zeiten der geschlossenen Schleusen begrenzt sein, sondern mit einem allgemeinen Attraktivitätsverlust der Region einhergehen. Ferner ist zu befürchten, dass sich regionale Einschränkungen in der überregionalen Wahrnehmung auf das Land als Ganzes auswirken. Daher ist es unerheblich, dass Ostbrandenburg betroffen ist – in der Wahrnehmung der potenziellen Gäste ist das "Land Brandenburg" betroffen, was somit auch entsprechende Konsequenzen be- fürchten lässt. Frage 5: Wie viele Touristen werden durch die Verkürzung voraussichtlich auf andere Regio- nen ausweichen? Frage 6: Mit welchen weiteren Auswirkungen rechnet die Landesregierung durch die Verkür- zung der Betriebszeiten? zu den Fragen 5 und 6: Konkrete Aussagen sind nicht möglich (siehe Antwort zu Frage 4). Gleichwohl wer- den sich Folgen für die Tourismuswirtschaft in der Region ergeben. In der jüngsten Studie über die wirtschaftlichen Effekte im Wassertourismus wurde für die Gesamtregion Berlin und Brandenburg ein Jahresumsatz von rd. 200 Mio. € allein für den engen Bereich des Bootstourismus ermittelt. Zu diesem Grundumsatz hinzugerechnet werden müssen diejenigen nicht ermittelten Umsätze aus der Was- sersportbranche (z.B. Bootsservice, Bootshandel, Bootswerften) sowie dem Landtou- rismus und weiterer Branchen, die ebenfalls vom Wassertourismus profitieren (z.B. Hotels, Ferienwohnungen, Camping, Einzelhandel, Gastronomie). Damit wird klar, dass verkürzte Schleusenöffnungszeiten nicht nur den Bootstourismus treffen, son- dern auf weitere Bereiche Auswirkungen haben. Frage 7: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zur Frequenz der Nutzung pro be- troffene Schleuse in der Zeit von 07:00 Uhr bis 08:30 Uhr und von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr (ggf. bitte aufschlüsseln)? zu Frage 7: Nach den Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes Berlin zu den Schleusen Neue Mühle und Kummersdorf können für folgende Zeiträume die monatlichen Schleusungsvorgänge genannt werden: Schleuse Erfassungsmonat Zahl der monatlichen Schleusungen Neue Mühle 7:00 Uhr bis 9:00 Uhr 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr April 2014 14 57 Mai 2014 32 203 Juni 2014 82 344 Juli 2014 71 471 August 2014 89 414 September 2014 32 108 Oktober 2014 32 47 Summe 352 1640 Kummersdorf April 2014 14 10 Mai 2014 23 44 Juni 2014 64 115 Juli 2014 62 181 August 2014 37 129 September 2014 16 21 Oktober 2014 11 5 Summe 227 505 Die tägliche Frequenz der Schleusungen innerhalb der genannten Zeiträume bewegt sich für die Zeit von 7:00 Uhr bis 9:00 Uhr zwischen 0 und 24 Schleusungen an der Schleuse Neue Mühle sowie zwischen 0 und 6 Schleusungen an der Schleuse Kummersdorf. Die täglich erfassten Schleusungen für die Zeit von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr betragen zwischen 0 und 50 Schleusungen an der Schleuse Neue Mühle sowie zwischen 0 und 19 Schleusungen an der Schleuse Kummersdorf.