Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1787 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 655 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Prof. Dr. Michael Schierack der CDU-Fraktion Drucksache 6/1496 Beendigung der Berufsausbildung für angehende Rechtsanwaltsfachangestellte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin Wortlaut der Kleinen Anfrage 655 vom 21.05.2015: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in den Landgerichtsbezirken Cottbus, Frankfurt /Oder und Neuruppin sind zunehmend besorgt über gegebenenfalls bestehende Überlegungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, die Ausbildung für Rechtsanwaltsfachangestellte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres 2015 einzustellen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Gibt es Überlegungen über die Beendigung der Berufsausbildung für angehende Rechtsanwaltsfachangestellte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin? 2. Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 1. bestehen, wie ist der aktuelle Stand dieser Planungen? 3. Für den Fall, dass Planungen im Sinne Ziffer 1. der Anfrage bestehen, wie ist die Verwendung der bisher für die Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten zuständigen Lehrkräfte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin geplant; sind gegebenenfalls Versetzungen dieser Lehrkräfte an das Oberstufenzentrum nach Potsdam oder ein anderes Oberstufenzentrum vorgesehen? 4. Bestehen Überlegungen die Berufsschulausbildung auch für andere Berufsbilder in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin zu beenden? 5. Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie weit ist der Stand der Überlegungen? 6. Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie soll mit den Lehrkräften verfahren werden? 7. Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffern 1. und/oder Ziffer 4. Dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie soll die Berufsschulausbildung der in den Landgerichtsbezirken Cottbus, Frankfurt/Oder und Neuruppin tätigen Auszubildenden zukünftig gewährleistet werden? 8. Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 1. und/oder Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie betroffene Berufsgruppen und berufsständige Vereinigungen und Kammern an den Überlegungen und Verfahren beteiligt werden? 9. Welche weiteren Möglichkeiten und Lösungen prüft das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zur Umstrukturierung der Oberstufenzentren bis hin zur Schließung einzelner Oberstufenzentren? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Auf Bundesebene erfolgte ein komplexer Neuordnungsprozess der vier Berufe Rechtsanwaltsangestellte/r, Notarfachangestellte/r, Rechtsanwalts-und Notarfachangestellte /r und Patentanwaltsfachangestellte/r. Neben der bereits in den beruflichen Schulen spürbar angekommenen demografischen Entwicklung geht der Planungsprozess für die Oberstufenzentren (OSZ) einher mit dem Anspruch an Qualität und Quantität der Beschulung an Berufsschulen im Land Brandenburg. Dabei waren die folgenden Aspekte handlungsleitend: a) Entwicklung und Perspektive der Ausbildungszahlen im Ausbildungsberuf Rechtsanwaltsfachangestellte/r an den bisherigen drei Schulstandorten: o OSZ Ostprignitz-Ruppin: seit 2009 geringe Anzahl Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr, o OSZ Spree-Neiße II: seit 2011 geringe Anzahl Auszubildende im 1. Ausbildungsjahr o OSZ Potsdam II: stabil und zweizügig b) Vermeidung von Unterrichtsausfall durch Mehrzügigkeit und ausreichend qualifizierte Lehrkräfte, die alle Lernfelder unterrichten können (ggf. auch unterschiedliche Unterrichtsturni möglich), c) Klassenfrequenzen und Schüler-Lehrer-Relationen, d) rechtzeitige Planung, um spätere Nachbesserungen bei der Klassenbildung aufgrund zu geringer Auszubildendenzahlen zu vermeiden. Frage 1: Gibt es Überlegungen über die Beendigung der Berufsausbildung für angehende Rechtsanwaltsfachangestellte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin? Frage 2: Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 1. bestehen, wie ist der aktuelle Stand dieser Planungen? Zu den Fragen 1 und 2: Die Beschulung der Rechtsanwaltsfachangestellten soll im Land Brandenburg ab dem Schuljahr 2015/2016, beginnend mit dem 1. Ausbildungsjahr, am Oberstufenzentrum Potsdam II erfolgen. Die Beschulung des künftigen 2. und 3. Ausbildungsjahres läuft an den bisherigen Standorten Oberstufenzentrum Ostprignitz-Ruppin und Oberstufenzentrum Spree-Neiße II aus. Nur im Ausnahmefall kann es auch im 2. und 3. Ausbildungsjahr zu Umlenkungen der Auszubildenden an das Oberstufenzentrum Potsdam II kommen. Es wurde zwischen dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg gesprächsweise vereinbart, dass die Rechtsanwaltskammer die Ausbildungskanzleien und -betriebe über den Schulstandort Potsdam für die ab 2015/2016 neu zu schließenden Ausbildungsverträge informiert. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat für diesen Prozess seine Unterstützung durch Teilnahme an Gesprächen angeboten. Um möglichst kurze Wege zwischen dem Ausbildungsplatz, dem Wohnort und der Beruflichen Schule zu ermöglichen, können den Auszubildenden weiterhin grundsätzlich Alternativstandorte in anderen Bundesländern (z. B. Berlin, Sachsen, Mecklenburg -Vorpommern) aufgrund von bilateralen Vereinbarungen bzw. Gastschülerabkommen angeboten werden. Die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg wurde darüber informiert. Frage 3: Für den Fall, dass Planungen im Sinne Ziffer 1. der Anfrage bestehen, wie ist die Verwendung der bisher für die Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten zuständigen Lehrkräfte in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin geplant; sind gegebenenfalls Versetzungen dieser Lehrkräfte an das Oberstufenzentrum nach Potsdam oder ein anderes Oberstufenzentrum vorgesehen? Zu Frage 3: Im OSZ Ostprignitz-Ruppin in Neuruppin sind acht Lehrkräfte von der Schließung der Klasse für "Rechtsanwaltsfachangestellte" betroffen. Sie werden gemäß ihrer Ausbildung und Qualifikation in anderen Berufen und Bildungsgängen eingesetzt. Versetzungen an das OSZ Potsdam II sind nicht geplant. Am OSZ Spree-Neiße II in Cottbus wird der Unterricht durch zwei Lehrkräfte erteilt. Die beiden Lehrkräfte verbleiben am OSZ und werden in anderen Berufen eingesetzt . Eine Versetzung ist nicht vorgesehen. Frage 4: Bestehen Überlegungen die Berufsschulausbildung auch für andere Berufsbilder in den Oberstufenzentren Cottbus und Neuruppin zu beenden? Frage 5: Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie weit ist der Stand der Überlegungen? Zu den Fragen 4 und 5: Ja, die Beschulung ist aufgrund der geringen Ausbildungszahlen für einige Ausbildungsberufe an diesen Oberstufenzentren ab dem Schuljahr 2015/2016 auslaufend. Im OSZ Ostprignitz-Ruppin sind folgende Ausbildungsberufe betroffen: a) Ausbaufacharbeiter/in, SP: Trockenbauarbeiten (Stufe 1), b) Ausbaufacharbeiter/in, SP: Zimmerarbeiten (Stufe 1), c) Dachdecker/in, FR: Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik, d) Maurer/in und e) Zimmerer/Zimmerin. Die Auszubildenden im 1. und 2. Ausbildungsjahr (Schuljahr 2015/16) werden in den folgenden Oberstufenzentren weiterbeschult: zu a) und d) OSZ Eduard Mauerer (Hennigsdorf), zu b) und e) OSZ Gebrüder Reichstein (Brandenburg an der Havel), zu c) OSZ I Technik (Potsdam). Am OSZ Spree-Neiße II betrifft es den Ausbildungsberuf Automobilkaufmann/-frau. Die Beschulung läuft dort aus und wird beginnend mit dem 1. Ausbildungsjahr im Schuljahr 2015/2016 im OSZ Werder beschult. Frage 6: Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie soll mit den Lehrkräften verfahren werden? Zu Frage 6: Sie werden gemäß ihrer Ausbildung und Qualifikation in anderen Berufen und Bildungsgängen eingesetzt. Frage 7: Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffern 1. und/oder Ziffer 4. Dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie soll die Berufsschulausbildung der in den Landgerichtsbezirken Cottbus, Frankfurt/Oder und Neuruppin tätigen Auszubildenden zukünftig gewährleistet werden? Zu Frage 7: Die Beschulung der gegenwärtigen Auszubildenden für den Ausbildungsberuf der Rechtsanwaltsfachangestellten läuft an den bisherigen Beschulungsstandorten aus. Für die bestehenden Ausbildungsverhältnisse ergeben sich dadurch keine Veränderungen . Ab dem kommenden Schuljahr ist der Ausbildungsberuf der/des Rechtanwaltsfachangestellte /n, beginnend mit dem 1. Ausbildungsjahr, neu geordnet. Durch die künftige Konzentration der Ausbildung am OSZ Potsdam II wird der Prozess der Neuordnung konzentriert und landesweit einheitlich geführt. Für die Landgerichte gibt es dadurch einen kompetenten Ansprechpartner. Inhaltsdiskussionen werden konzentrierter geführt und die Vertretungsmöglichkeiten der Lehrkräfte untereinander werden optimiert. Die Konzentration der Ausbildung unterstützt die Qualitätssteigerung der Ausbildung sowie die Reduktion von Unterrichtsausfall. Zu den organisatorischen Gewährleistungen der Ausbildung wird auf die Antworten zu Frage 1, 2 und 4 verwiesen. Frage 8: Für den Fall, dass Überlegungen im Sinne der Ziffer 1. und/oder Ziffer 4. dieser Anfrage bestehen, frage ich an, wie betroffene Berufsgruppen und berufsständige Vereinigungen und Kammern an den Überlegungen und Verfahren beteiligt werden? Frage 9: Welche weiteren Möglichkeiten und Lösungen prüft das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zur Umstrukturierung der Oberstufenzentren bis hin zur Schließung einzelner Oberstufenzentren? Zu den Fragen 8 und 9: Eine Schließung von Oberstufenzentren prüft die Landesregierung gegenwärtig nicht, vielmehr werden die 25 Oberstufenzentren qualitativ weiterentwickelt. Durch die geringen Ausbildungszahlen in einzelnen Ausbildungsberufen wird es aber zu Strukturveränderungen innerhalb der OSZ kommen. Diese Veränderungen finden in der Schulentwicklungsplanung der Schulträger Berücksichtigung. Da die Beschulung nur in Verbindung mit betrieblichen Ausbildungsverträgen erfolgt, ist der Bedarf von der wirtschaftlichen Entwicklung und den Anstrengungen der Wirtschaft für die Fachkräftesicherung durch eigene Ausbildung geprägt. Ob die derzeitigen Prognosen zum Ausbildungsbedarf in über 200 Berufen tatsächlich aufgehen, hängt davon ab, ob alle von der Wirtschaft ausgebrachten Lehrstellen von den Jugendlichen angenommen werden bzw. die Unternehmen die Bewerberinnen und Bewerber einstellen. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs in all ihren Facetten ist erklärtes Ziel der Landesregierung . Dazu gehört die Sicherstellung eines regional ausgewogenen Angebots im Rahmen der schulischen beruflichen Bildung. Die Verantwortung zur Festlegung von Standorten für den schulischen Teil der Berufsausbildung gemäß der LandesschulbezirksverordnungFN1 leitet sich aus § 106 Absatz 1 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG)FN2 ab. Die Festlegungen in der Anlage der Landesschulbezirksverordnung stehen in Korrespondenz zu geltenden Verwaltungsvorschriften über die UnterrichtsorganisationFN3. Die Maßnahmen sind in der Weise haushaltswirksam als sie helfen, die Klassenfrequenzen (Richtfrequenz bei Berufsschulfachklassen beträgt 24) im Bildungsgang der Berufsschule nach Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung im Rahmen der Vorgaben zu stabilisieren. Letztendlich bilden die Haushaltsvorgaben und die Qualität der Ausbildung die Rahmenbedingungen für diesen Prozess. Das Ziel der Bedarfsanpassung für die Standorte der schulischen Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen sind die Optimierung und Stabilisierung eines regionalen Netzes beruflicher Bildungsgänge an allen Oberstufenzentren des Landes Brandenburg. FN Verordnung Festlegung der Schulbezirke für Berufe nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung im Land Brandenburg (Landesschulbezirksverordnung - LSchBzV) vom 25. Januar 2013 (GVBl.II/13, [Nr. 13]) FN Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz - BbgSchulG) in der Fassung der Be- kanntmachung vom 2. August 2002 (GVBl.I/02, [Nr. 08], S.78), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. März 2014 (GVBl.I/14, [Nr. 14]) FN Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation (VV-Unterrichtsorganisation) vom 27. März 2012 (Abl. MBJS/12, [Nr. 3], S.94) geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 29. April 2015 (Abl. MBJS/15, [Nr. 7], S.116) Aus diesem Grund wurde und wird auch weiterhin in einem fortlaufenden breiten Dialog mit den Partnern der beruflichen Bildung, den Schulleitern, den Schulträgern, den Kammern und weiteren zuständigen Stellen sowie den zuständigen Ressorts der Landesregierung der Änderungsbedarf auf Arbeitsebene mit dem Ziel, dass die wenigen noch notwendigen Anpassungen zu mittelfristig stabilen Rahmenbedingungen führen, diskutiert. So entsteht mehr Planungssicherheit für die Schulträger und zuständigen Stellen. Auch kann die Landesregierung den Lehrkräftebedarf langfristiger planen. An diesem Verfahren soll weiterhin festgehalten werden, denn es hat sich bewährt und ist von den Beteiligten anerkannt. Die Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg wurde am 13. Mai 2015 informiert, die Industrie und Handelskammern und die Handwerkskammern am 19. Mai 2015. Auf der Basis der amtlichen Schuldatenerhebungen Ende Oktober 2014 wird derzeit geprüft, ob Klassen, die nicht im Frequenzbereich der VV-Unterrichtsorganisation liegen, weitergeführt werden können oder die Jugendlichen an einen anderen Schulstandort umgelenkt werden müssen. Diese Prüfung erfolgt für alle Berufe in allen Oberstufenzentren. Dabei werden auch die Wohnorte der Jugendlichen, die Lage ihres Unternehmens und die verkehrstechnischen Anbindungen zu prüfen sein. Es besteht auch die Möglichkeit bei einem regional ausgewogenen Angebot, Auszubildenden auf Antrag eine Wahl einzuräumen, die nach § 106 Absatz 4 BbgSchulG durch das Landesschulamt oder beim Wechsel in ein benachbartes Land durch bilaterale Vereinbarung der Bildungsressorts entschieden wird. Eine Steuerung seitens der Landesregierung erfolgt neben der Landesschulbezirksverordnung durch die Beteiligung an der „Rahmenvereinbarung über die Bildung länderübergreifender Fachklassen für Schüler/Schülerinnen in anerkannten Ausbildungsberufen mit geringer Zahl Auszubildender“ mittels der Beilage nach dem Stand der Fortschreibung der „Liste der anerkannten Ausbildungsberufe, für welche länderübergreifende Fachklassen eingerichtet werden, mit Angabe der aufnehmenden Länder (Berufsschulstandorte) und Einzugsbereiche“FN4. FN Beschluss der KMK vom 26.01.1984; Stand der 26. Fortschreibung vom 26.06.2014 - gültig ab 01.08.2014; siehe http://www.kmk.org/dokumentation/veroeffentlichungen-beschluesse/bildung-schule/berufliche-bildung.html#c7156