Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1882 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 683 der Abgeordneten Birgit Bessin und Steffen Königer der AfD-Fraktion Drucksache 6/1560 Kreisgebietsreform Wortlaut der Kleinen Anfrage 683 vom 29.05.2015: Nach Presseberichten lehnt eine große Mehrheit aller Brandenburger die geplante Kreisgebietsreform der Landesregierung ab. Betrachtet man die vorliegenden Grün- de, wird sehr leicht ersichtlich, dass es sich hierbei nicht um irgendwelche diffusen Ängste handelt, sondern sehr fundiert begründet werden kann, warum dieses Vorha- ben für die meisten Bürger unverständlich bleibt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Inwieweit sind im Vorfeld bisherige Erfahrungen, z. B. die der Kreisgebietsrefor- men der letzten Jahre, welche überwiegend eher negativ zu bewerten sind, in die Überlegungen mit eingeflossen? 2. Ein Zusammenschluss würde aller Wahrscheinlichkeit nach mehr kosten, als lang- fristig einsparen. Welches Berechnungsmodell wurde seitens der Landesregierung hier angesetzt und wie stellen sich die Ergebnisse dar? 3. Wie stellt sich die Landesregierung die positive, über Jahrzehnte bestehende Ver- änderung sehr komplexer Verwaltungsstrukturen vor? 4. Gibt es detaillierte Berechnungen über die Kompensation der mit dem Verlust der Kreisfreiheit einhergehenden Härten, und wie sehen diese aus? 5. Hat die Landesregierung Untersuchungen vorgenommen, die eine eventuelle Zer- störung der gewachsenen positiven Identität sehr vieler Menschen mit ihren „Hei- matkreisen“ zur Grundlage hatten und welche Ergebnisse sind hier zu verzeich- nen? 6. In vielen Bereichen würden Aufgaben an weit entfernte Entscheidungsträger dele- giert, die bisherige Rolle der Kommunen wäre in Gefahr. Wie kann die Landesre- gierung nach der geplanten Reform die bisherige leistungsfähige und bürgernahe Verwaltung weiter sicherstellen? 7. Welche Maßnahmen sind geplant, um der Ausdünnung der Bevölkerungsdichte, der Infrastruktur und der Grundversorgung in der Peripherie wirksam entgegenzu- treten? 8. Ist die Landesregierung unabhängig von der vorherigen Ablehnung eines Volks- entscheids in dieser Sache wirklich bereit, gegen den Widerstand und die große Mehrheit der Bevölkerung solch eine Reform durchzusetzen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommu- nales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Der Verwaltungsstrukturreform 2019 und den zugehörigen Reformgesetzen ist ein Leitbild zugrunde zu legen. Die Landesregierung hat dem Landtag einen Entwurf des Leitbildes für die Verwaltungsstrukturreform 2019 vorgelegt. Das Leitbild soll eine hohe demokratische Legitimation besitzen. Daher soll im Rahmen eines breiten öf- fentlichen Dialogs dieser Entwurf mit den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch mit möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen, Verbänden, der Wirtschaft sowie Inte- ressensvertretern diskutiert werden. Dies ist ein ergebnisoffener Prozess. Im An- schluss wird der Landtag über den Leitbildentwurf entscheiden. Frage 1: Inwieweit sind im Vorfeld bisherige Erfahrungen, z. B. die der Kreisgebietsreformen der letzten Jahre, welche überwiegend eher negativ zu bewerten sind, in die Überle- gungen mit eingeflossen? zu Frage 1: Die Landesregierung hat die Erfahrungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Meck- lenburg-Vorpommern bei der Entwicklung ihres Leitbildentwurfs, welches dem Land- tag zugeleitet wird, berücksichtigt. Frage 2: Ein Zusammenschluss würde aller Wahrscheinlichkeit nach mehr kosten, als langfris- tig einsparen. Welches Berechnungsmodell wurde seitens der Landesregierung hier angesetzt und wie stellen sich die Ergebnisse dar? zu Frage 2: Die Reform zielt nicht in erster Linie darauf ab, einzusparen. Ziel der Verwaltungs- strukturreform ist es, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Aufgabenträger und die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Unter anderem sollen zukunftsfähige Struk- turen geschaffen werden, die es ermöglichen, die Leistungen effizient, bürgernah und bürgerfreundlich zu erbringen. Die finanziellen Auswirkungen der geplanten Verwaltungsstrukturreform können aber erst konkret abgeschätzt werden, wenn die künftigen Strukturen und Aufgabenverlagerungen tatsächlich feststehen. Danach wird sich auch das Berechnungsmodell richten. Frage 3: Wie stellt sich die Landesregierung die positive, über Jahrzehnte bestehende Verän- derung sehr komplexer Verwaltungsstrukturen vor? zu Frage 3: Die Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, da die Reform zahlreiche Be- standteile umfassen soll. Diese werden unterschiedlich umzusetzen sein. Frage 4: Gibt es detaillierte Berechnungen über die Kompensation der mit dem Verlust der Kreisfreiheit einhergehenden Härten, und wie sehen diese aus? zu Frage 4: Es erschließt sich nicht, was konkret mit der Frage gemeint ist. Generell kann auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen werden. Insbesondere ist von Bedeutung ob und welche bisher kreisfreien Städte eingekreist werden sollen. Dar- über hinaus wird auf das Gutachten „Finanzwissenschaftliche Aspekte der Einkrei- sung kreisfreier Städte im Land Brandenburg“ von Frau Prof. Dr. Färber verwiesen, dass vom Ministerium des Innern und für Kommunales im Sommer 2014 eingeholt wurde und unter www.verwaltungsreform.brandenburg.de öffentlich abgerufen wer- den kann. In diesem Gutachten wird aufgezeigt, nach welcher Methode berechnet werden könnte, wie sich eine Einkreisung finanziell auswirkt. Die enthaltenen Zahlen sind aber nicht mehr aktuell. Frage 5: Hat die Landesregierung Untersuchungen vorgenommen, die eine eventuelle Zerstö- rung der gewachsenen positiven Identität sehr vieler Menschen mit ihren „Heimat- kreisen“ zur Grundlage hatten und welche Ergebnisse sind hier zu verzeichnen? zu Frage 5: Nein. Im anstehenden breiten öffentlichen Dialog wird auch dieser Aspekt zu erörtern sein. Frage 6: In vielen Bereichen würden Aufgaben an weit entfernte Entscheidungsträger dele- giert, die bisherige Rolle der Kommunen wäre in Gefahr. Wie kann die Landesregie- rung nach der geplanten Reform die bisherige leistungsfähige und bürgernahe Ver- waltung weiter sicherstellen? zu Frage 6: Eine kommunale Verwaltung ist leistungsfähig und bürgerfreundlich, wenn sie in der Lage ist, die gesellschaftlichen Probleme rechtzeitig zu erkennen, Lösungsvorschlä- ge und Interessen gegeneinander abzuwägen, Entscheidungen mit den lokalen Akt- euren vor Ort zutreffen, Entscheidungen in eigener Verantwortung umzusetzen und dabei ehrenamtliches Engagement zu aktivieren, die Wirksamkeit der umgesetzten Lösungen zu überprüfen und bei all dem wirtschaftlich und effektiv zu handeln. Die Landesregierung schlägt vor, die kommunalen Verwaltungsträger im Land zu stär- ken. Zukünftig sollen mehr Aufgaben bereits auf gemeindlicher Ebene und mehr Auf- gaben auf kreislicher Ebene erledigt werden, denn Entscheidungen auf diesen Ebe- nen haben eine größere Bürger- und Problemnähe. Auch sollen die Leistungen der öffentlichen Verwaltungen nicht nur am Sitz der Verwaltung, sondern auch in Ser- vicestellen vor Ort oder mobil angeboten werden. Front- und Backoffice-Lösungen sollen realisiert werden. Das E-Government soll im Rahmen der finanziellen Möglich- keiten ausgebaut werden. Frage 7: Welche Maßnahmen sind geplant, um der Ausdünnung der Bevölkerungsdichte, der Infrastruktur und der Grundversorgung in der Peripherie wirksam entgegenzutreten? zu Frage 7: Die Politik der Landesregierung zielt darauf ab, mit geeigneten Mitteln und Instru- menten trotz demografischen Wandels überall im Land gleichwertige Lebensverhält- nisse sicherzustellen. Dies ist ein Hauptziel der anstehenden Verwaltungsstrukturre- form 2019. Frage 8: Ist die Landesregierung unabhängig von der vorherigen Ablehnung eines Volksent- scheids in dieser Sache wirklich bereit, gegen den Widerstand und die große Mehr- heit der Bevölkerung solch eine Reform durchzusetzen? zu Frage 8: Über die Reforminhalte entscheidet der Landtag. Die Landesregierung teilt allerdings die im Abschlussbericht der Enquete- Kommission „Kommunal- und Landesverwaltung – bürgernah, effektiv und zukunfts- fest – Brandenburg 2020“ (EK 5/2) des Landtages der letzten Legislaturperiode be- schriebene Auffassung, dass ein dringender Handlungsbedarf für eine Verwaltungs- strukturreform besteht. Sie wird alle Aktivitäten unterstützen, die dazu dienen, einen möglichst breiten Konsens zu den Reforminhalten zu finden. Hierzu soll insbesonde- re der anstehende breite öffentliche Dialog zum Leitbildentwurf der Landesregierung dienen.