Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1946 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 710 der Abgeordneten Danny Eichelbaum und Björn Lakenmacher der CDU-Fraktion Drucksache 6/1616 Vorratsdatenspeicherung Wortlaut der Kleinen Anfrage 710 vom 03.06.2015 In einer Pressemitteilung vom 15.04.2015 erklärte Innenminister Karl-Heinz Schröter, dass der aktuelle Vorschlag zur Neuregelung der Mindestspeicherfrist von Verbin- dungsdaten als ausgewogener Kompromiss zwischen Sicherheitsinteressen und Da- tenschutz zu begrüßen sei: „Die Sicherheitsbehörden brauchen effektive Mittel, um gegen schwerste Kriminalität und Terror vorgehen zu können. Gleichzeitig muss eine Neuregelung der Mindestspeicherfrist selbstverständlich den Anforderungen unserer Verfassung und den strikten Vorgaben europäischer Rechtsprechung genügen. Mit einem klar definierten Katalog schwerster Straftaten, kurzen Speicherfristen und ei- nem uneingeschränkten Richtervorbehalt erscheint der jetzt gefundene Kompromiss geeignet, diese Interessen in Ausgleich zu bringen. Der wirksame Schutz vor schwe- rer Kriminalität und Terror ist eines der wichtigsten Bürgerrechte überhaupt. Und da- für braucht die Polizei die notwendigen Instrumente, zu denen auch die Vorratsda- tenspeicherung gehört. Mit Überwachungsstaat hat das gar nichts zu tun.“ Dem entgegen erklärte Justizminister Helmuth Markov in einer Pressemitteilung vom 16.04.2015: „Eine Vorratsdatenspeicherung light gibt es nicht. Die Bundesregierung will immer noch sämtliche Standort- und Telefondaten der gesamten Bevölkerung anlasslos und auf Vorrat speichern, daran ändern auch die neuen Vorschläge nichts. Dabei haben die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Ge- richtshofs klar gemacht, dass ein undifferenziertes Aufbewahren von Verbindungs- und Standortdaten aller Nutzer keinerlei rechtliche Grundlage hat. Aus diesem Grund kann ich mir auch eine Zustimmung im Bundesrat zu solch einem Vorhaben nicht vorstellen. Hier wird mit unbelegten Sicherheitsversprechen versucht einen Einstieg in die legale Massenüberwachung zu begründen. Die Überwachung durch Geheim- dienste muss jedoch abgestellt werden, stattdessen liefert sie nun einen Freibrief alle Bürger offiziell unter Generalverdacht zu stellen. Das Argument der Befürworter, dass doch gar keine Inhalte erfasst würden, ist Unsinn. Mit diesen Daten lassen sich genaue Bewegungsprofile von jedem von uns erstellen. Ist die Vorratsdatenspeiche- rung erst einmal etabliert, dann ist die Ausdehnung der Überwachung nur eine Frage der Zeit. Freiheit und Sicherheit müssen zwar in einem Gleichgewicht stehen und gegeneinander abgewogen werden. Doch hier tauschen wir unsere reale Freiheit gegen die unbewiesene Hoffnung auf mehr Sicherheit.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. In wie vielen Fällen ist es jeweils in den Jahren 2013 bis 2015 in Brandenburg in Ermangelung des Zugriffs auf Daten im Wege einer Vorratsdatenspeicherung zu einer Erschwerung bzw. einer Verhinderung der Aufklärung von Straftaten gekommen? 2. Um welche Straftaten handelte es sich bei den einzelnen Fällen konkret? 3. Welche Ermittlungen wurden auf Grundlage der vorliegenden gesetzlichen Regelungen durchgeführt? 4. Welche Ermittlungsergebnisse konnten in den einzelnen Fällen erzielt wer- den? 5. Wie bewertet die Landesregierung den Gesetzentwurf des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten? 6. Hält die Landesregierung die Vorratsdatenspeicherung für ein geeignetes und notwendiges Instrument zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung? 7. Wie bewertet die Landesregierung die sich widersprechenden Aussagen des Innenministers und des Justizministers zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten? 8. Werden die Vertreter der Landesregierung im Bundesrat einem solchen Gesetzentwurf zustimmen? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: In wie vielen Fällen ist es jeweils in den Jahren 2013 bis 2015 in Brandenburg in Er- mangelung des Zugriffs auf Daten im Wege einer Vorratsdatenspeicherung zu einer Erschwerung bzw. einer Verhinderung der Aufklärung von Straftaten gekommen? zu Frage 1: Die Anzahl der aufgrund einer fehlenden Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeklärten Straftaten kann – mangels statistischer Erhebung – nicht mitgeteilt werden. Lediglich im Jahr 2013 sind aufgrund einer Sondererhebung bei der Polizei Fälle be- kannt geworden, bei denen es in Ermangelung des Zugriffs auf Daten im Wege einer Vorratsdatenspeicherung zu einer Erschwerung der Aufklärung von Straftaten ge- kommen sein soll. Insoweit wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 3370 (Landtag Brandenburg Drucksache 5/8678) Bezug genommen. Frage 2: Um welche Straftaten handelte es sich bei den einzelnen Fällen konkret? zu Frage 2: Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. Frage 3: Welche Ermittlungen wurden auf Grundlage der vorliegenden gesetzlichen Regelungen durchgeführt? Frage 4: Welche Ermittlungsergebnisse konnten in den einzelnen Fällen erzielt werden? zu Fragen 3 und 4: Hinsichtlich der aus dem Jahr 2013 bekannt gewordenen Fälle wird auf die Beant- wortung der Fragen 3 und 4 der Kleinen Anfrage Nr. 3370 Bezug genommen. Allgemein gilt der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens, der beinhaltet, dass die Strafprozessordnung für die Durchführung des Ermittlungsver- fahrens keinen verbindlichen Ablauf vorgibt. Bei Vorliegen der jeweiligen formellen und materiellen Voraussetzungen stehen den Ermittlungsbehörden insbesondere die Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse der Strafprozessordnung zur Verfügung. Die Ermittlungsbehörden sind gehalten, die im Einzelfall erforderlichen Ermittlungsmaß- nahmen zur Erforschung des Sachverhalts vorzunehmen. Die jeweils erzielten Er- mittlungsergebnisse werden statistisch nicht erfasst. Frage 5: Wie bewertet die Landesregierung den Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten? zu Frage 5: Bei der von der Bundesregierung beabsichtigten Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten geht es um eine Abwägung gewich- tiger Rechtspositionen und Schutzgüter. Es liegt zwar im Interesse einer effizienten Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, eine Vorratsdatenspeicherung und deren Ver- wendung möglichst weitgehend zuzulassen. Allerdings bestehen elementare Grund- rechte der Bürger auf Freiheit, auf Schutz ihrer Privatsphäre und auf Schutz perso- nenbezogener Daten, in die nur eingegriffen werden darf, wenn sich der Eingriff tat- sächlich auf das absolut Notwendige beschränkt. Frage 6: Hält die Landesregierung die Vorratsdatenspeicherung für ein geeignetes und notwendiges Instrument zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung? zu Frage 6: Aus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungspraxis wird mitgeteilt, dass bei bestimm- ten Deliktsgruppen die Ermittlung der einer Person zugeordneten sog. IP-Adresse von besonderer Bedeutung ist. Mangels Speicherung der IP-Adresse könne das Endgerät regelmäßig nicht identifiziert werden. Ermittlungen auf der Grundlage von § 100g StPO seien in ihrer Effizienz beeinträchtigt, da die Daten nicht mehr oder zu kurz gespeichert seien. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Frage 5 verwiesen. Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung die sich widersprechenden Aussagen des Innenministers und des Justizministers zum Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten? zu Frage 7: Für die Landesregierung stellen die konstruktive Auseinandersetzung mit den aktuel- len politischen und gesellschaftlichen Themen und die damit einhergehende Diskus- sion von Für und Wider wesentliche Grundbausteine ihres Demokratieverständnis- ses dar. Frage 8: Werden die Vertreter der Landesregierung im Bundesrat einem solchen Gesetzentwurf zustimmen? zu Frage 8: Der Koalitionsvertrag enthält Regelungen zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat. In der Plenarsitzung am 12. Juni 2015 hat die Landesregierung den Gesetzentwurf mit Enthaltung bewertet.