Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/1976 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 722 der Abgeordneten Sven Petke und Rainer Genilke der CDU-Fraktion Drucksache 6/1639 Geschwindigkeitsüberwachung mit Section Control Wortlaut der Kleinen Anfrage 722 vom 09.06.2015 : Im Rahmen eines Pilotprojektes plant das Land Niedersachsen eine Anlage zur „Abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung“ (Section Control) auf einer 2,1 Kilometer langen Strecke entlang der Bundesstraße 6 zwischen Gleidingen und Laatzen einzurichten. Bei dem System wird am Ende und am Anfang eines Straßenabschnittes ein Messgerät aufgestellt. Beim Ein- und Ausfahren in den Abschnitt erfolgt jeweils eine Messung, anhand derer dann die Durchschnittsgeschwindigkeit errechnet wird. Neben den positiven Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, wo ein Rückgang der Verkehrstoten zu verzeichnen war, stehen auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und der Verkehrsgerichtstag in Goslar der Nutzung von Section Control positiv gegenüber. Allerdings gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, da bereits Daten von Kraftfahrzeugen erfasst und zumindest vorübergehend gespeichert werden , auch ohne dass eine Geschwindigkeitsübertretung vorliegt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung das System Section Control im Hinblick auf die Verkehrssicherheit? 2. Wie bewertet die Landesregierung das System Section Control im Hinblick auf den Datenschutz? 3. Wie werden bei Section Control welche Daten erfasst? 4. Werden die erhobenen Daten automatisch und vollständig gelöscht, sofern der jeweilige Autofahrer keine Verkehrsverstöße begangen hat? 5. Können die erhobenen Daten auch zur Erstellung von Bewegungsprofilen verwendet werden? 6. Plant die Landesregierung die Einführung von Section Control? Welche Argumente sprechen aus Sicht der Landesregierung für und gegen die Einführung des Systems in Brandenburg? 7. Wie bewertet die Landesregierung Section Control im Vergleich zu den bereits bestehenden Formen der Geschwindigkeitsüberwachung? 8. Welche einmaligen und laufenden Kosten entstehen durch die Installation einer Section Control-Anlage? 9. Wie positionieren sich die anderen Bundesländer zu Section Control? 10. Ist der Landesregierung bekannt, welche Erfahrungen andere europäische Länder mit der Einführung von Section Control gemacht haben? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung das System Section Control im Hinblick auf die Verkehrssicherheit? Frage 2: Wie bewertet die Landesregierung das System Section Control im Hinblick auf den Datenschutz? zu den Fragen 1 und 2: Die Landesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 1 a) und b) der Kleinen Anfrage Nr. 2851 des Abgeordneten Klaus Bochow, Fraktion der SPD, vom 28. April 2009 (Landtagsdrucksache 4/7623). Frage 3: Wie werden bei Section Control welche Daten erfasst? zu Frage 3: Nach den vorliegenden Erkenntnissen zu dem Pilotprojekt in Niedersachsen werden folgende Daten erfasst: - Bei Einfahrt in die Messstrecke wird das Fahrzeug von einer ersten Kamera - in der Heckansicht und mit amtlichem Kennzeichen - fotografiert und das Datum und die Einfahrtzeit registriert. Diese Daten werden verschlüsselt zwischengespeichert. - Am Ende der Messstrecke wird das Fahrzeug von einer zweiten Kamera - ebenfalls in der Heckansicht und mit amtlichem Kennzeichen - erneut fotografiert und das Datum und die Ausfahrtzeit registriert. Mittels einer Weg-Zeit-Berechnung wird die durchschnittliche Geschwindigkeit ermittelt. - Liegt eine Geschwindigkeitsüberschreitung vor, wird das Fahrzeug mit einer dritten Kamera - von vorn mit der das Fahrzeug führenden Person und amtlichem Kennzeichen - fotografiert und die Daten in eine Verstoßdatei überführt. Frage 4: Werden die erhobenen Daten automatisch und vollständig gelöscht, sofern der jeweilige Autofahrer keine Verkehrsverstöße begangen hat? zu Frage 4: Eine gesetzliche Grundlage müsste die Datenerhebung sowie deren Speicherung und Nutzung - bezogen auf die Erforderlichkeit der Aufgabenerfüllung (Geschwindigkeitsüberwachung und Ahndung dabei festgestellter Verstöße) - regeln, mit einer strikten Zweckbindung zur ausschließlichen Verwendung für die Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsverstößen versehen sein und Löschvorschriften für „Nicht-Trefferfälle“ und „Trefferfälle“ enthalten. Für „Nicht-Trefferfälle“ wäre deren sofortige automatisierte und vollständige Löschung und für „Trefferfälle“ deren Löschung nach erfolgter Verfolgung und Ahndung vorzusehen. Frage 5: Können die erhobenen Daten auch zur Erstellung von Bewegungsprofilen verwendet werden? zu Frage 5: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Die strikte Zweckbindung der Daten würde die Erstellung von Bewegungsprofilen ausschließen. Frage 6: Plant die Landesregierung die Einführung von Section Control? Welche Argumente sprechen aus Sicht der Landesregierung für und gegen die Einführung des Systems in Brandenburg? Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung Section Control im Vergleich zu den bereits bestehenden Formen der Geschwindigkeitsüberwachung? zu den Fragen 6 und 7: Konkrete Planungen der Landesregierung gibt es nicht. Für das Messsystem spricht, dass es im Gegensatz zu derzeit eingesetzter, punktuell wirkender Geschwindigkeitsüberwachungstechnik in einem gesamten Streckenabschnitt wirkt, wodurch die Verkehrssicherheit in Gefahrenbereichen, z. B. Unfallhäufungslinien oder Baustellenbereiche erhöht wird. Darüber hinaus ist bei dieser Messmethode ein punktuelles Reagieren der das jeweilige Fahrzeug führenden Personen (Absenken der Geschwindigkeit an einer Messstelle, anschließend wieder Erhöhung der Geschwindigkeit) auszuschließen. Section Control wird als gerechtere Methode der Geschwindigkeitsüberwachung von Verkehrsteilnehmern akzeptiert, da jede Fahrzeuggeschwindigkeit gemessen wird und nur die durchschnittliche Überschreitung verfolgt wird, damit können kurzzeitig unbeabsichtigte Geschwindigkeitsüberschreitungen ausgeglichen werden. Darüber hinaus kann Section Control ver- schiedene zulässige Höchstgeschwindigkeiten und Fahrzeugarten in der Überwachung berücksichtigen. Vor einer Einführung des Systems sind rechtliche, technische und finanzielle Fragen bundeseinheitlich zu klären. Frage 8: Welche einmaligen und laufenden Kosten entstehen durch die Installation einer Section Control-Anlage? zu Frage 8: Die Kosten einer Anlage für eine Landstraße (beidseitig) bzw. für eine zweispurige Autobahn in eine Richtung liegen bei ca. 240.000 €. Dazu kommen Kosten für Infrastrukturleistungen (Bauleistungen, Energieversorgung) zur Standortertüchtigung, deren Höhe von der jeweils zu erschließenden Messtrecke abhängen. Zu laufenden Kosten liegen keine Erkenntnisse vor. Frage 9: Wie positionieren sich die anderen Bundesländer zu Section Control? zu Frage 9: Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) sieht das Pilotprojekt in Niedersachsen als Pilotprojekt für alle Länder an und lässt sich zu den Ergebnissen zur Frühjahrs-IMK 2017 berichten. Der Schleswig-Holsteinische Verkehrsminister hat sich bei Erfolg des Projektes für eine Einführung ausgesprochen. Bereits 2009 hat sich das Land Nordrhein-Westfalen positioniert und kann sich den Einsatz von Section Control an Unfallbrennpunkten vorstellen. Erkenntnisse zur Positionierung anderer Bundesländern zu Section Control liegen nicht vor. Frage 10: Ist der Landesregierung bekannt, welche Erfahrungen andere europäische Länder mit der Einführung von Section Control gemacht haben? zu Frage 10: In den Niederlanden wurden nach Installation des Systems an einer Autobahn im Jahr 2002 nur noch 0,5 Prozent Geschwindigkeitsübertretungen registriert. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank dort um 47 Prozent. In Österreich sind seit dem Jahr 2003 Anlagen in Tunneln und auf alpinen Abschnitten im Einsatz. Seit dem liegt die Zahl der Geschwindigkeitsverstöße unter einem Prozent. Auch in Großbritannien werden diese Anlagen eingesetzt. Auf einer 21 Kilometer langen Strecke der Autobahn A614 haben sie dazu beigetragen, dass seit Projektbeginn im Frühjahr 2012 die Anzahl der Unfälle um etwa die Hälfte gesenkt und kein Todesfall mehr registriert wurde. In Italien wurden bis Anfang 2009 bereits 26 Prozent des Autobahnnetzes mit Section Control überwacht. Die durchschnittliche Geschwindigkeit ging um 15 Prozent (16 km/h) zurück, auf den kontrollierten Abschnitten sank die Zahl der Verkehrstoten um 50 Prozent. Auch in der Schweiz wird Section Control eingesetzt. Dortige Erfahrungen sind hier nicht bekannt.