Landtag Brandenburg Drucksache 6/2029 5. Wahlperiode Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 653 der Abgeordneten Andrea Johlige der Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/1483 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage 653 vom 20.05.2015: Flüchtlingskinder und insbesondere die unbegleiteten Kinderflüchtlinge stellen eine besonders schutzbedürftige Gruppe unter den MigrantInnen dar. Zur Klärung der Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) und des Verfahrens, dem sie unterliegen, frage ich die Landesregierung: 1. Wie viele Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) unter 18 Jahren befinden sich aktuell in Brandenburg (bitte nach Jahrgängen und Geschlecht differenzieren)? Durch welche örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wurden diese in Obhut genommen? 2. Welche Zugangszahlen für UMF waren in Brandenburg jeweils in den Jahren 2010 bis 2014 zu verzeichnen (bitte nach Jahren und in Obhut nehmende örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe differenzieren)? 3. Welchen aufenthaltsrechtlichen Status haben wie viele der im Land befindlichen UMF (bitte die Daten nach Alter – zum einen 16-/17-Jährige und zum anderen jünger), Geschlecht und Herkunft differenzieren)? 4. Wie viele UMF befinden sich aktuell in Jugendhilfemaßnahmen (bitte nach örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, Maßnahmen und Alter der UMF 16/17-Jährige und Jüngere differenzieren)? 5. Welche Einrichtungen der Jugendhilfe bzw. sonstige Einrichtungen zur Aufnahme von UMF existieren/ existierten 2010 bis heute? 6. Wie viele UMF wurden in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils in welchen Einrichtungen untergebracht? Wie viele UMF befinden sich aktuell in welchen Einrichtungen (bitte nach Alter 16/17-Jährige und Jüngere differenzieren)? Datum des Eingangs: 10.07.2015 / Ausgegeben: 15.07.2015 2 7. Wie viele Vormünder für UMF wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2014 und wie viele Vormünder sind aktuell für UMF bestellt (die Angabe bitte nach Vormundschaft durch natürliche Personen, Vereins- und Amtsvormundschaften und nach Landkreisen/ kreisfreien Städten aufschlüsseln)? 8. Wie lange dauert in der Regel die Bestellung eines Vormunds? Gibt es aktuell UMF für die keine Vormünder bestellt sind? Wenn ja, welche Gründe liegen vor? 9. Wer trägt die Kosten für die Vormundschaften? 10. Erhalten alle unter 18-jährigen UMF Zugang zu einem qualifizierten Clearingverfahren ? Wenn nein, warum nicht? 11. Wie ist das Clearingverfahren in den einzelnen Einrichtungen organisiert? Welche Inhalte umfasst das Clearingverfahren und wie wird dieses in der Praxis umgesetzt? 12. Welche Kosten sind den örtlichen Trägern der Jugendhilfe für die Unterbringung und Betreuung, das Clearingverfahren und gewährte Hilfen entstanden ? Welche dieser Kosten wurden ihnen durch das Land oder den Bund erstattet bzw. welche Fördermittel haben sie für diese Aufgabe in Anspruch nehmen können (bitte differenzieren nach örtlichen Trägern der Jugendhilfe )? 13. Durch wen, unter wessen Beteiligung, nach welchem Verfahren und auf welcher Rechtsgrundlage werden in Brandenburg Altersfestsetzungen vorgenommen ? Wie hoch ist der Anteil der Fälle, in denen UMF nach Altersfestsetzung als Volljährige eingestuft werden? 14. Wurden in den Jahren 2010 bis 2014 länderübergreifende Umverteilungen von Brandenburg aus vorgenommen, wenn ja, wie viele (bitte nach unter 16- Jährigen und 16-/17-Jährigen aufschlüsseln)? 15. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass minderjährige Asylsuchende, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben, eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung gemäß EURichtlinie erhalten? Durch welche Einrichtungen werden diese Angebote gewährleistet , und welche Förderung haben diese Einrichtungen aus Landesmitteln in den Jahren 2010 bis 2014 erhalten? 16. Wie viele UMF haben in den Jahren 2010 bis heute Deutschland wieder verlassen ? Aus welchen Gründen? Wie viele UMF sind freiwillig ausgereist oder wurden abgeschoben? Wurden UMF in Abschiebehaft genommen? 17. Wie viele Eingaben von UMF oder ehemaligen UMF wurden an die Brandenburger Härtefallkommission gerichtet und wie viele wurden wie entschieden ? 3 18. Gab es in Brandenburg in den Jahren 2010 bis heute Dublin-II-Fälle in der Gruppe der UMF? Wenn ja, wie viele und wohin wurden sie zurückgewiesen ? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) unter 18 Jahren befinden sich aktuell in Brandenburg (bitte nach Jahrgängen und Geschlecht differenzieren)? Durch welche örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe wurden diese in Obhut genommen? Zu Frage 1: Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte um Auskunft gebeten. Mit Stand vom 31. Mai 2015 befanden sich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in folgender Anzahl in jugendhilferechtlicher Betreuung (Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII und Anschlusshilfen gem. § 27 SGB VIII, Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII, Hilfe für junge Volljährige gem. § 41 SGB VIII): Tabelle 1: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (uM) in jugendhilferechtlicher Betreuung Inobhutnahme durch Zuständigkeit für uM Inobhutnahme / Clearing / Vorläufige Maßnahmen Zuständigkeit für uM HzE / Anschlussmaßnahmen Zuständigkeit für junge Volljährige (ehem. uM) Barnim k.A k.A k.A Dahme-Spreewald 17 3 7 Elbe-Elster 0 0 0 Havelland 0 0 0 Märkisch-Oderland 0 0 0 Oberhavel 1 2 0 OberspreewaldLausitz 2 2 1 Oder-Spree 28 37 3 Ostprignitz-Ruppin 1 0 0 Potsdam-Mittelmark 0 1 0 Prignitz 0 0 0 Spree-Neiße 0 0 0 Teltow-Fläming 0 0 0 Uckermark 0 2 1 Brandenburg a.d.H. 0 0 0 Cottbus 0 0 0 Frankfurt (Oder) 0 0 0 Potsdam 2 0 0 Summe 51 47 12 4 Der Landesregierung liegen keine Daten vor, die eine statistische Auswertung nach Jahrgängen, Geschlecht oder Herkunft möglich machen. Frage 2: Welche Zugangszahlen für UMF waren in Brandenburg jeweils in den Jahren 2010 bis 2014 zu verzeichnen (bitte nach Jahren und in Obhut nehmende örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe differenzieren)? Zu Frage 2: Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte um Auskunft zur Anzahl der von ihnen vorgenommenen Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gebeten. 14 von 18 Jugendämtern haben Daten mitgeteilt. Danach waren in den Jahren 2010 bis 2014 folgende Zugangszahlen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im Zusammenhang mit Inobhutnahmen gem. § 42 SGB VIII zu verzeichnen: 5 Tabelle 2: Anzahl der Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Inobhutnahme durch Zugangszahlen 2010 2011 2012 2013 2014 Barnim k.A. Dahme-Spreewald 20 20 22 27 27 Elbe-Elster 0 0 0 0 0 Havelland 0 0 0 2 0 Märkisch-Oderland k.A. Oberhavel 6 3 3 8 4 OberspreewaldLausitz 0 0 0 0 1 Oder-Spree k.A. k.A. k.A. 68 122 Ostprignitz-Ruppin k.A. Potsdam-Mittelmark 1 0 0 0 1 Prignitz k.A. k.A. 2 0 2 Spree-Neiße 4 2 0 0 0 Teltow-Fläming 1 0 0 0 1 Uckermark 0 0 0 0 4 Brandenburg a.d.H. k.A. Cottbus 8 12 2 8 8 Frankfurt (Oder) k.A. k.A. k.A. 1 5 Potsdam 14 6 3 0 6 Summe 54 43 32 114 181 Frage 3: Welchen aufenthaltsrechtlichen Status haben wie viele der im Land befindlichen UMF (bitte die Daten nach Alter – zum einen 16-/17-Jährige und zum anderen jünger ), Geschlecht und Herkunft differenzieren)? Zu Frage 3: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass allein reisende minderjährige Flüchtlinge zunächst eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erhalten. Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden, erhalten für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung. Die im Asylverfahren anerkannten Personen erhalten eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Frage 4: Wie viele UMF befinden sich aktuell in Jugendhilfemaßnahmen (bitte nach örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, Maßnahmen und Alter der UMF 16/17-Jährige und Jüngere differenzieren)? Zu Frage 4: Siehe Antwort zu Frage 1. Frage 5: Welche Einrichtungen der Jugendhilfe bzw. sonstige Einrichtungen zur Aufnahme von UMF existieren/ existierten 2010 bis heute? 6 Zu Frage 5: Als spezialisierte Jugendhilfeeinrichtung zur Inobhutnahme und Betreuung existiert seit 1993 die Jugendhilfeeinrichtung ALREJU in Fürstenwalde/Spree des Diakonischen Werks Oderland-Spree e.V. Seit März 2015 stellen folgende Jugendhilfeeinrichtungen zusätzliche Platzkapazitäten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zur Verfügung: o Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk gAG in 15230 Frankfurt (Oder) o Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk gAG in 15890 Eisenhüttenstadt. In der Regel erfolgt die Unterbringung dieser Flüchtlinge nach dem Clearing in den allgemeinen Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung. Frage 6: Wie viele UMF wurden in den Jahren 2010 bis 2014 jeweils in welchen Einrichtungen untergebracht? Wie viele UMF befinden sich aktuell in welchen Einrichtungen (bitte nach Alter 16/17-Jährige und Jüngere differenzieren)? Zu Frage 6: In den Jahren 2010 bis 2014 verteilte sich die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf Jugendhilfeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünfte nach Angaben der Jugendämter wie folgt: Tabelle 3: Anzahl der Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen Jahr Jugendhilfeeinrichtung Gemeinschaftsunterkunft Summe 2010 85 8 93 2011 65 11 76 2012 66 10 76 2013 105 37 142 2014 120 89 209 Der Landesregierung liegen keine Daten vor, die eine statistische Auswertung nach Jahrgängen möglich machen. Frage 7: Wie viele Vormünder für UMF wurden jeweils in den Jahren 2010 bis 2014 und wie viele Vormünder sind aktuell für UMF bestellt (die Angabe bitte nach Vormundschaft durch natürliche Personen, Vereins- und Amtsvormundschaften und nach Landkreisen / kreisfreien Städten aufschlüsseln)? Zu Frage 7: Vonseiten der Gerichte liegen dazu keine statistischen Angaben vor. Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte um Auskunft gebeten. Danach wurden die Jugendämter in folgender Anzahl vom Gericht zum Vormund für UMF bestellt (Amtsvormundschaft). Die Jugendämter haben ebenfalls Zahlen zu den anderen Vormundschaftsformen benannt; es ist nicht davon auszugehen, dass ihnen alle Fälle bekannt sind, in denen natürliche Personen zum Vormund bestellt worden sind: Tabelle 4: Amtsvormundschaften der Jugendämter und anderer Stellen oder Personen Inobhutnahme durch Amtsvormünder Natürliche Vormünder Vereins-Vormünder 201 0 201 1 201 2 201 3 201 4 201 5 201 0 201 1 201 2 201 3 201 4 201 5 201 0 201 1 201 2 201 3 201 4 201 5 Barnim k.A. Dahme-Spreewald 0 0 0 0 0 6 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Elbe-Elster 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Havelland 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Märkisch-Oderland k.A. Oberhavel 0 2 1 1 0 2 0 0 0 0 0 0 6 0 2 2 1 0 OberspreewaldLausitz 0 0 0 0 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Oder-Spree 2 9 11 1 8 22 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 82 Ostprignitz-Ruppin k.A. Potsdam-Mittelmark 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Prignitz 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Spree-Neiße 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Teltow-Fläming 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Uckermark 0 0 0 0 4 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Brandenburg a.d.H. k.A. Cottbus 5 8 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Frankfurt (Oder) 0 0 0 0 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Potsdam 15 11 0 3 2 4 3 5 7 8 3 0 0 0 0 0 0 2 Summe 22 30 12 5 18 44 3 5 7 8 3 0 6 0 2 2 1 84 Frage 8: Wie lange dauert in der Regel die Bestellung eines Vormunds? Gibt es aktuell UMF für die keine Vormünder bestellt sind? Wenn ja, welche Gründe liegen vor? Zu Frage 8: Im Land Brandenburg wird nicht statistisch erfasst, wie lange die Bestellung eines Vormunds dauert. Die folgende Tabelle enthält Erfahrungswerte der Jugendämter zur Zeitdauer: Tabelle 5: Verfahrensdauer bei der Bestellung von Vormündern Inobhutnahme durch Dauer Barnim k.A. Dahme-Spreewald 1-4 Wochen Elbe-Elster k.A. Havelland ca. 3 Monate Märkisch-Oderland k.A. Oberhavel k.A. OberspreewaldLausitz 1-6 Monate Oder-Spree 1-4 Wochen Ostprignitz-Ruppin k.A. Potsdam-Mittelmark k.A. Prignitz k.A. Spree-Neiße ca. 3 Monate Teltow-Fläming 3-6 Monate Uckermark 1-2 Wochen Brandenburg a.d.H. k.A. Cottbus 1-2 Monate Frankfurt (Oder) ca. 1 Monat Potsdam 1 Woche bis zu mehreren Monaten Die Frage, ob es aktuell unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gibt, für die kein Vormund bestellt ist, und welche Gründe dafür vorliegen, kann nicht beantwortet werden, weil sich aus keinem Register ersehen lässt, ob ein Verfahrensbeteiligter zu dieser Gruppe gehört. Frage 9: Wer trägt die Kosten für die Vormundschaften? Zu Frage 9: In den Fällen, in denen das Familiengericht das Jugendamt zum Vormund bestellt (Amtsvormundschaft), werden die Kosten von den örtlichen Trägern der Jugendhilfe getragen. Soweit das Diakonische Werk Oderland-Spree e.V. bzw. eine seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als gesetzliche Vertretung eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings zum Vormund bestellt wird (Vereinsvormundschaft), refinanziert der Träger seine Kosten aus den für die Führung der Vormundschaft ihm zustehenden Gebühren aus der Justizkasse sowie ergänzend aus Eigenmitteln. 9 Frage 10: Erhalten alle unter 18-jährigen UMF Zugang zu einem qualifizierten Clearingverfahren ? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 10: Alle unter 18-jährigen, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erhalten im Land Brandenburg Zugang zu einem qualifizierten Clearingverfahren. Frage 11: Wie ist das Clearingverfahren in den einzelnen Einrichtungen organisiert? Welche Inhalte umfasst das Clearingverfahren und wie wird dieses in der Praxis umgesetzt? Zu Frage 11: Das Clearingverfahren dient der Klärung von sozialpädagogischen, schulischen, berufsbildungsbezogenen, verwaltungs- und ausländerrechtlichen sowie organisatorischen Fragen, deren Bearbeitung in einer Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter konzeptionell beschrieben ist. Sie ist als Orientierung für die konzeptionelle Ausgestaltung des Clearingverfahrens in den Einrichtungen maßgeblich. Ziel des Clearingverfahrens ist eine möglichst genaue Klärung und Erfassung der individuellen Situation des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings. Dazu gehören Abklärungen in Bezug auf die Identität und auf die Zugehörigkeit zur Gruppe der Minderjährigen oder der Erwachsenen bei nicht nachgewiesenem Alter, die Einrichtung der Vormundschaft, die Klärung, ob eine Familienzusammenführung möglich ist, bei Bedarf eine gesundheitliche und psychosoziale Versorgung, die aufenthaltsrechtliche Klärung, die Suche nach geeigneten Anschlusshilfen und damit eine Perspektiventwicklung für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling. Die Dauer des Clearingverfahrens hängt von der aktuellen Situation des Jugendlichen und seines jeweiligen Bedarfs ab. Dabei ist eine zügige Klärung zu beachten, um den jungen Menschen baldmöglichst die entsprechende Hilfe zukommen zu lassen. Das Clearingverfahren in der zu Frage 5 genannten Einrichtung ALREJU dauert etwa 10 Wochen. Frage 12: Welche Kosten sind den örtlichen Trägern der Jugendhilfe für die Unterbringung und Betreuung, das Clearingverfahren und gewährte Hilfen entstanden? Welche dieser Kosten wurden ihnen durch das Land oder den Bund erstattet bzw. welche Fördermittel haben sie für diese Aufgabe in Anspruch nehmen können (bitte differenzieren nach örtlichen Trägern der Jugendhilfe)? Zu Frage 12: Die im jeweiligen Einzelfall zuständigen örtlichen Träger der Jugendhilfe entrichten das nach den Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung gem. §§ 78a bis 78e SGB VIII festgelegte Leistungsentgelt. Der Abschluss dieser Vereinbarungen fällt in den Zuständigkeitsbereich des örtlichen Trägers der Jugendhilfe, in dessen Zuständigkeitsbereich die Einrichtung liegt. Die jeweiligen Entgeltsätze werden statistisch nicht erfasst. Die den Jugendämtern diesbezüglich entstehenden Kosten der Inobhutnahme, der Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe oder Hilfe für junge Volljährige sind erstattungsfähig gem. § 89d SGB VIII. Die 10 Kosten werden im Rahmen eines bundesweiten Kostenausgleichsverfahrens gem. § 89d Absatz 3 SGB VIII von den Bundesländern getragen, die vom Bundesverwaltungsamt bestimmt werden. Frage 13: Durch wen, unter wessen Beteiligung, nach welchem Verfahren und auf welcher Rechtsgrundlage werden in Brandenburg Altersfestsetzungen vorgenommen? Wie hoch ist der Anteil der Fälle, in denen UMF nach Altersfestsetzung als Volljährige eingestuft werden? Zu Frage 13: Die Inobhutnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge erfolgt gem. § 42 Absatz 1 Ziffer 3 SGB VIII. Voraussetzung dafür ist die Minderjährigkeit. Wenn ein junger unbegleiteter Flüchtling nicht über gültige Personaldokumente verfügt und gleichzeitig Zweifel an seiner Minderjährigkeit bestehen, nimmt das Jugendamt eine Alterseinschätzung vor. Neben den Jugendämtern können die Ausländerbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf der Grundlage des § 49 Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes Altersfeststellungen durchführen, wenn die dort normierten Voraussetzungen vorliegen. Zur Anwendung kommen das Handwurzelröntgen und die Kurzeinschätzung radiologischer Fachärzte. Zunehmend werden in letzter Zeit auch umfassendere und umfangreichere gerichtsmedizinische Gutachten erstellt, die jedoch gleichfalls auf röntgenologischen Aufnahmen basieren. Die Anzahl der Fälle, in denen nach einer Alterseinschätzung oder Altersfestsetzung Volljährigkeit festgestellt wird , ist der Landesregierung nicht bekannt. Frage 14: Wurden in den Jahren 2010 bis 2014 länderübergreifende Umverteilungen von Brandenburg aus vorgenommen, wenn ja, wie viele (bitte nach unter 16-Jährigen und 16-/17-Jährigen aufschlüsseln)? Zu Frage 14: Vom Land Brandenburg aus erfolgen grundsätzlich keine länderübergreifenden Umverteilungen. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Jugendliche zu einem bereits in Deutschland lebenden Verwandten ziehen soll, der die Vormundschaft übernehmen kann. Statistiken werden dazu nicht geführt. Frage 15: Wie stellt die Landesregierung sicher, dass minderjährige Asylsuchende, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauche, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer , unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben, eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung gemäß EU-Richtlinie erhalten? Durch welche Einrichtungen werden diese Angebote gewährleistet, und welche Förderung haben diese Einrichtungen aus Landesmitteln in den Jahren 2010 bis 2014 erhalten? Zu Frage 15: Minderjährige Asylsuchende, die infolge von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung , Folter und sonstiger grausamer oder erniedrigender Behandlung psychi- 11 sche bzw. psychosomatische Beeinträchtigungen, z. B. posttraumatische Belastungsstörungen , davongetragen haben, haben Anspruch auf Krankenhilfe gem. § 40 SGB VIII. Die Kosten hierfür tragen die örtlichen Träger der Jugendhilfe. Sie werden – wie in der Antwort zu Frage 12 ausgeführt – im Rahmen eines bundesweiten Kostenausgleichsverfahrens gem. § 89d Absatz 3 SGB VIII von den Bundesländern erstattet. Frage 16: Wie viele UMF haben in den Jahren 2010 bis heute Deutschland wieder verlassen? Aus welchen Gründen? Wie viele UMF sind freiwillig ausgereist oder wurden abgeschoben ? Wurden UMF in Abschiebehaft genommen? Zu Frage 16: Über die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die Deutschland seit dem Jahr 2010 bis heute wieder verlassen haben, sowie über die Gründe hat die Landesregierung keine Informationen. Nach der Statistik der Zentralen Ausländerbehörde des Landes gab es in den Jahren 2010 bis 2014 Abschiebungen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Alter von 16 und 17 Jahren in folgendem Umfang: Tabelle 6: Anzahl der Abschiebungen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge im Alter von 16 und 17 Jahren Jahr und Alter bei Aufnahme Männer Frauen Gesamt 2010 6 0 6 16-Jährige 3 0 3 17-Jährige 3 0 3 2011 6 1 7 16-Jährige 2 0 2 17-Jährige 4 1 5 2012 4 0 4 16-Jährige 3 0 3 17-Jährige 1 0 1 2013 1 0 1 16-Jährige 1 0 1 17-Jährige 0 0 0 2014 0 0 0 16-Jährige 0 0 0 17-Jährige 0 0 0 Summe 17 1 18 12 Abschiebungen von unbegleiteten Minderjährigen dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn sichergestellt ist, dass im Heimatland eine sorgeberechtigte Person vorhanden ist. Aus brandenburgischen Jugendhilfeeinrichtungen heraus hat es in den Jahren 2010 bis 2014 keine Abschiebungen gegeben. Frage 17: Wie viele Eingaben von UMF oder ehemaligen UMF wurden an die Brandenburger Härtefallkommission gerichtet und wie viele wurden wie entschieden? Zu Frage 17: Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurde kein Antrag zur Befassung der Härtefallkommission gestellt. Ob sich unter den Betroffenen, für die Härtefallanträge gestellt wurden, Personen befinden, die ehemals als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in das Bundesgebiet eingereist sind, wird statistisch nicht erfasst. Frage 18: Gab es in Brandenburg in den Jahren 2010 bis heute Dublin-II-Fälle in der Gruppe der UMF? Wenn ja, wie viele und wohin wurden sie zurückgewiesen? Zu Frage 18: Der Landesregierung sind diesbezüglich keine Daten bekannt. Das Dublin-IIVerfahren fällt in die Zuständigkeit des Bundes (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge).