Datum des Eingangs: 03.12.2014 / Ausgegeben: 08.12.2014 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/210 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 46 der Abgeordneten Steeven Bretz und Roswitha Schier der CDU-Fraktion Drucksache 6/80 Flüchtlingsunterkünfte in der Landeshauptstadt Potsdam Wortlaut der Kleinen Anfrage 46 vom 06.11.2014: Nach aktuellen Medieninformationen beabsichtigt die Stadtverwaltung Potsdam, Unterkünfte für Flüchtlinge zu errichten. Hierbei soll die Stadt Potsdam auch vom Land finanziell unterstützt. Zudem lockert laut Presseberichterstattung das Land Branden-burg die Vorgaben für die Unterbringungsmöglichkeiten. Überdies soll die Landesregierung der Landeshauptstadt Potsdam mit einer Zuweisung von Flüchtlingen gedroht haben (Ersatzvornahme). Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche konkreten Kenntnisse hat die Landesregierung in Bezug auf die Vorhaben der Landes- hauptstadt Potsdam? 2. Wie hoch ist die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge in der Landeshauptstadt Potsdam für die Jahre 2014 und 2015? 3. Welche Abstimmungsprozesse fanden und finden hierzu zwischen der Landesregierung und der Landeshauptstadt Potsdam statt? 4. Welche Modifizierungen plant die Landesregierung im Hinblick auf die Vorgaben bezüglich der Unterbringungsmöglichkeiten? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Unterbringung in Wohncontainern und die dafür ausge- wählten Standorte? 6. Welche konkreten finanziellen Mittel werden der Landeshauptstadt Potsdam für welchen Zweck zur Verfügung gestellt? 7. Wie stellt sich deren Berechnungsgrundlage dar? 8. Inwiefern ist die Presseaussage korrekt, dass die Landesregierung der Landeshauptstadt Potsdam mit einer Ersatzvornahme gedroht habe? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Aufgabe der Aufnahme und Unterbringung der ausländischen Flüchtlinge ist den Kommunen des Landes Brandenburg (Landkreise und kreisfreien Städte) nach dem Landesaufnahmegesetz als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen worden. Die Schaffung der erforderlichen Unterbringungsmöglichkeiten unter Einhaltung der Mindestbedingungen (Runderlass des MASGF vom 08. März 2006 i.d.F. vom 28. November 2013) als Voraussetzung für eine Kostenerstattung nach § 2 Abs. 1 Erstattungsverordnung liegt daher sowohl bezüglich der Standortwahl als auch Auswahl der Unterbringungsart (Gemeinschaftsunterkunft, Wohnverbund oder Wohnung) in der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommunen. Infolge des deutlichen Anstiegs der Flüchtlingszahlen haben sich die Herausforderungen zur Schaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten für die Kommunen spürbar erhöht. Die Kommunen haben sich grundsätzlich auf die Entwicklung eingestellt und Maßnahmen zur Erhöhung der Aufnahmekapazitäten ergriffen. Schwierigkeiten finden sich hierbei in der Vorlaufzeit, die benötigt wird, um geeignete Objekte zu finden, baulich herzurichten und in Betrieb zu nehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellt in der Regel vierteljährlich Zugangsprognosen auf, um aufgrund der Zugangszahlen der letzten Monate einen Ausblick auf die kommenden Monate zu geben. Die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) rechnet diese bundesweite Prognose auf das Land Brandenburg um und teilt die jeweilige Aufnahmequote den Landkreisen und kreisfreien Städten mit. Das BAMF geht in seiner jüngsten Prognose (18. September 2014) für das laufende Jahr von 200.000 Asylbewerbern in Deutschland aus. Davon entfallen auf Brandenburg nach dem Königsteiner Schlüssel 6.162 Personen. Die Zentrale Ausländerbehörde berechnet anhand dieser Zahl unter Berücksichtigung der Über- und Unterschreitungen des Vorjahres das vorläufige Aufnahmesoll der Kommunen, so dass rein rechnerisch derzeit im Jahr 2014 6.234 Personen untergebracht werden müssten. Voraussichtlich wird sich die Zahl der tatsächlich im Jahr 2014 unterzubringenden Personen auf 5.457 Personen reduzieren, da auch in diesem Jahr, bedingt durch die Tatsache , dass die im Dezember ankommenden Personen erst im Januar verteilt werden können, mit einem Überhang gerechnet wird. Über die Entwicklungen der Zugangszahlen und dem damit verbundenen Aufnahmesoll der einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte informiert das MASGF kontinuierlich mit entsprechenden Rundschreiben . Darüber hinaus lädt das MASGF die Sozialdezernenten der Landkreise und kreisfreien Städte regelmäßig zu Gesprächen zur aktuellen Situation der Aufnahme und Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen ein. Dabei ist es das gemeinsame Ziel der Landesregierung und der Kommunen Notfallunterkünfte (z. B. Zelte / Turnhallen) zu vermeiden. Auf Bitten der Kommunen sicherte das MASGF in der Besprechung am 16. Oktober 2014 im Rahmen seines Ermessens zu, dass eine Nichteinhaltung der bestehenden Mindeststandard von 6m²-Wohnfläche pro Person bei unabweisbarer Notwendigkeit zur Vermeidung von Notunterkünften wie Turnhallen oder Zelten vorübergehend für drei Monate toleriert werden könne, ohne Auswirkungen auf die Höhe der Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Erstattungsverordnung zu haben. Im begründeten Ausnahmefall bestehe eine Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Monate. Frage 1: Welche konkreten Kenntnisse hat die Landesregierung in Bezug auf die Vorhaben der Landeshauptstadt Potsdam? zu Frage 1: Die Landeshauptstadt Potsdam hat dem MASGF gegenüber als kurzfristige Unterbringungsmaßnahmen angezeigt, dass zum 17. Dezember 2014 eine Kapazität von ca. 38 Plätzen zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam eine Beschlussvorlage zur Schaffung weiterer 160 Aufnahmeplätze im Dezember 2014 zur Entscheidung vorgelegt. Detaillierte Angaben über die Vorhaben und die Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung liegen dem MASGF nicht vor. Frage 2: Wie hoch ist die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge in der Landeshauptstadt Potsdam für die Jahre 2014 und 2015? zu Frage 2: Unter Verweis auf das in der Vorbemerkung erläuterte Berechnungsverfahren und unter Anwendung des Verteilungsschlüssels für die Verteilung der ausländischen Flüchtlinge nach § 1 Nr. 2 der Verteilungsverordnung beträgt das voraussichtliche Aufnahmesoll der Stadt Potsdam für das Jahr 2014 341 Personen. Eine Prognose des BAMF für das Jahr 2015 liegt derzeit noch nicht vor. Gegenwärtig liegen jedoch keine Erkenntnisse darüber vor, dass sich die Anzahl der Zugangszahlen für Erstantragsteller im nächsten Jahr verringern wird. Frage 3: Welche Abstimmungsprozesse fanden und finden hierzu zwischen der Landesregierung und der Landeshauptstadt Potsdam statt? Frage 4: Welche Modifizierungen plant die Landesregierung im Hinblick auf die Vorgaben bezüglich der Unterbringungsmöglichkeiten? Frage 5: Wie beurteilt die Landesregierung die Unterbringung in Wohncontainern und die dafür ausgewählten Standorte? Zu Fragen 3, 4 und 5: Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Frage 6: Welche konkreten finanziellen Mittel werden der Landeshauptstadt Potsdam für welchen Zweck zur Verfügung gestellt? Frage 7: Wie stellt sich deren Berechnungsgrundlage dar? Zu Fragen 6 und 7: Die Kommunen erhalten eine Jahreserstattungspauschale für jede aufgenommene Person von derzeit 9.128 Euro. Die Erstattung erfolgt jährlich auf Antrag, wobei vierteljährlich Abschlagszahlungen auf Antrag gewährt werden. Von dieser Möglichkeit wird bereits seit Jahren von allen Kommunen Gebrauch gemacht. Zuständig für das Erstattungsverfahren ist das Landesamt für Soziales und Versorgung (LASV). Neben der Jahreserstattungspauschale erhalten die Landkreise und kreisfreien Städte für die Schaffung neuer Kapazitäten in Gemeinschaftsunterkünften eine Investitionspauschale in Höhe von 2.300,81 Euro pro Platz. Im Rahmen des sog. 5-Mio-Sofortprogramms zur Verbesserung der Unterbringung von ausländischen Flüchtlingen (Umsetzung des Nachtragshaushaltes 2014 Kapitel 20 030, Titel 633 14) erhalten die Kommunen derzeit darüber hinaus pro neu geschaffenem Platz in Gemein- schaftsunterkünften mit mindestens 8m²-Wohnfläche pro Person bis zu 2.700 € sowie bei Wohnungsunterbringung jeweils bis zu 2.500 € pro Platz. Für jede Gemeinschaftsunterkunft wird eine monatliche Bewachungskostenpauschale in Höhe von 6.900 Euro erstattet, wenn dies für die Gewährung der Sicherheit der Unterkunft unerlässlich ist. Frage 8: Inwiefern ist die Presseaussage korrekt, dass die Landesregierung der Landeshauptstadt Potsdam mit einer Ersatzvornahme gedroht habe? Zu Frage 8: Das MASGF ist Sonderaufsichtsbehörde für die Landkreise und kreisfreien Städte. Nach § 121 Absatz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg können im Rahmen der Sonderaufsicht unter Fristsetzung Weisungen erteilt werden, um die gesetzmäßige Erfüllung der Aufgaben zu sichern. Führt die Gemeinde eine derartige Weisung nicht innerhalb der bestimmten Frist durch, so kann die Sonderaufsichtsbehörde die Befugnisse der Gemeinde selbst auf deren Kosten ausüben (sog. Ersatzvornahme). Mit Schreiben vom 28. August 2014 wurden die Landkreise und kreisfreien Städte noch einmal eindringlich auf die sich zuspitzende Situation in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Eisenhüttenstadt hingewiesen. Sie wurden nachdrücklich aufgefordert, ihre Anstrengungen zur Schaffung weiterer Unterbringungskapazitäten zu erhöhen und entsprechende freie Plätze der ZABH zu melden. Dabei wurde darüber informiert, dass sich das MASGF ein sonderaufsichtsrechtliches Tätigwerden gegenüber denjenigen Kommunen vorbehält, welche die notwendigen Freimeldungen nicht abgeben und damit ihr jeweiliges Aufnahmesoll nicht zu erfüllen drohen.