Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2105 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 754 des Abgeordneten Klaus Ness der SPD-Fraktion Drucksache 6/1793 Beteiligung Brandenburger Neonationalsozialisten an den Übergriffen auf die 1.-Mai-Kundgebung 2015 in Weimar Wortlaut der Kleinen Anfrage 754 vom 19.06.2015: Am 1. Mai ist bundesweit über einen Angriff von etwa 40 Neonnationalsozialisten auf die 1.-Mai-Kundgebung von Gewerkschaften im thüringischen Weimar berichtet worden . Unter den 40 beteiligten Neonationalsozialisten sollen sich auch sechs Männer und vier Frauen aus Brandenburg befunden haben, die zumindest teilweise auch von der Polizei vorübergehend festgenommen wurden. Die in Weimar festgestellten Brandenburger Neonazis sollen aus Storkow, Bad Saarow (beide Landkreis Oder-Spree), Baruth, Zossen (beide Landkreis TeltowFläming ), Groß Köris und Halbe (beide Landkreis Dahme-Spreewald) kommen. Ein Großteil von ihnen soll der NPD oder ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten “ zugerechnet werden. Einer der Täter soll zudem Mitglied der Gemeindevertretung von Halbe sein. Ich frage die die Landesregierung 1. Trifft es zu, dass Brandenburger Neonazis an dem Übergriff auf die 1.-MaiKundgebung in Weimar beteiligt waren und wenn Ja, wie viele Neonazis aus Brandenburg waren an diesen Angriffen beteiligt und in welchen Orten wohnen diese jeweils? 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Zugehörigkeit der einzelnen Teilnehmer zu rechtsextremistischen Organisationen bzw. Parteien und welche Funktion über sie dort ggf. aus? 3. Laufen gegen einzelne oder alle Teilnehmer des Übergriffes Ermittlungsverfahren und welche Straftatbestände liegen diesen Ermittlungen zu Grunde? Sind die betroffenen Personen bereits früher Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gewesen und wenn Ja, welche Straftatbestände lagen diesen zu Grunde? 4. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass Brandenburger Mitglieder neonationalsozialistischer Organisationen gewaltorientierte Aktionen zunehmend in anderen Bundesländern durchführen, um ggf. vor Ort nicht zu viel Ressentiments entstehen zu lassen? 5. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass mit einer weiteren Zunahme aktionsorientierter Gewalttaten durch Brandenburger Neonationalsozialisten zu rechnen ist? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Durch intensive Ermittlungen des Staatsschutzes konnten im Nachgang zu dem Übergriff weitere Tatverdächtige aus dem Land Brandenburg bekannt gemacht und die Ermittlungen in Thüringen maßgeblich unterstützt werden.Sie belegen den Bedarf des Staatsschutzes, sich Vor-Ort mit der rechten Szene selbst und mit deren Umfeld intensiv auseinanderzusetzen. Deutlich wird das Mobilisierungspotenzial auch für derartige Aktionen, dass sich sowohl auf bekannte Szeneangehörige als auch polizeilich bisher nicht in Erscheinung getretene Personen erstreckt. Gerade bezüglich des Themenfeldes NPD und JN spielt der weitere Ausbau der Auswertung des Internets eine zunehmende Rolle, da aufgrund des Verbotsverfahrens für die Verfassungsschutzbehörde andere Zugangswege zu diesen rechtsextremistischen Strukturen stark eingeschränkt sind. Frage 1: Trifft es zu, dass Brandenburger Neonazis an dem Übergriff auf die 1.-MaiKundgebung in Weimar beteiligt waren und wenn Ja, wie viele Neonazis aus Brandenburg waren an diesen Angriffen beteiligt und in welchen Orten wohnen diese jeweils ? Frage 2: Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Zugehörigkeit der einzelnen Teilnehmer zu rechtsextremistischen Organisationen bzw. Parteien und welche Funktion über sie dort ggf. aus? zu den Fragen 1 und 2: Nach gegenwärtig vorliegenden Erkenntnissen der Landesregierung waren 17 Brandenburger Personen an dem Übergriff auf die 1.-Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) beteiligt. Jeweils eine Person stammt aus Storkow, Wildau und Nauen, jeweils zwei Personen wohnen in Zossen, Groß Köris und Königs Wusterhausen und jeweils vier Personen in Baruth/Mark und Halbe. Zu elf der aus Brandenburg stammenden Personen liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass sie den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) bzw. der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) angehören oder sie zumindest unterstützen , teilweise in „verantwortlicher Position“. Bei einer Person handelt es sich um den Landesvorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JN. Bei einer weiteren Person um einen Kreisvorsitzenden der NPD. Zwei der Tatverdächtigen sind 2014 für die NPD in Kommunalvertretungen eingezogen. Ein Tatverdächtiger ist als Beschuldigter im Zusammenhang mit einer Brandstiftung am 16. Mai 2015 in Zossen (Asylunterkunft) bekannt. Er hatte die NPD im Wahlkampf 2014 unterstützt. Frage 3: Laufen gegen einzelne oder alle Teilnehmer des Übergriffes Ermittlungsverfahren und welche Straftatbestände liegen diesen Ermittlungen zu Grunde? Sind die betroffenen Personen bereits früher Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gewesen und wenn Ja, welche Straftatbestände lagen diesen zu Grunde? zu Frage 3: Gegenwärtig führt das Landeskriminalamt Thüringen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen insgesamt 36 Personen, darunter die 17 Personen aus Brandenburg , Ermittlungen wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruches gemäß § 125a StGB. Von den 17 Brandenburgern liegen zu 11 Personen polizeiliche Erkenntnisse im Sinne von Straftaten vor. Dabei handelt es sich um nachfolgende Straftatbestände:  Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen  Volksverhetzung  Verstoß Versammlungsgesetz  Verunglimpfen des Staates und seiner Symbole  Körperverletzung/Gefährliche Körperverletzung  Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte  Landfriedensbruch, Hausfriedensbruch  Verstöße gegen das Waffengesetz bzw. Sprengstoffgesetz  Verstoß Kriegswaffenkontrollgesetz  Brandstiftung  Sachbeschädigung/Sachbeschädigung durch Graffiti  Raub, Diebstahl  Bedrohung  Verleumdung, Beleidigung, Urkundenfälschung  Gefährdung des Straßenverkehrs, Fahren ohne Fahrerlaubnis (ohne Verkehrsunfall ), Fahren ohne Kfz-Haftpflichtversicherung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort  Nötigung im Straßenverkehr sowie  falsche uneidliche Aussage. Frage 4: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass Brandenburger Mitglieder neonationalsozialistischer Organisationen gewaltorientierte Aktionen zunehmend in anderen Bundesländern durchführen, um ggf. vor Ort nicht zu viel Ressentiments entstehen zu lassen? zu Frage 4: Nein. Frage 5: Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass mit einer weiteren Zunahme aktionsorientierter Gewalttaten durch Brandenburger Neonationalsozialisten zu rechnen ist? zu Frage 5: Für das Land Brandenburg ist eine Zunahme „aktionsorientierter rechter walt“ wahrnehmbar. Seit dem Jahr 2014 kam es vermehrt zu politisch motivierten Gewaltdelikten der rechtsextremistischen Szene. Dabei handelt es sich im Schwerpunkt um fremdenfeindlich bzw. rassistisch motivierte Straftaten. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Straftaten im Zusammenhang mit demonstrativen Ereignissen zu verzeichnen . Der Anstieg derartiger Delikte im Jahr 2015 ist eng mit dem Missbrauch der Asylthematik in der Öffentlichkeit zu betrachten. Mit den „Jungen Nationaldemokraten“ und der Partei „Der Dritte Weg“ üben zwei Strukturen im Land Brandenburg Einfluss auf die rechtsextremistische Szene aus, die auf ihren Internetpräsenzen einen sozialrevolutionären Kurs vertreten. Im Rahmen der „Nein zum Heim“-Kampagne werden eigens dafür eingerichtete FacebookProfile genutzt, um in der Bevölkerung Angst, Neid und Hass gegen Asylbewerber und Flüchtlinge zu schüren. Auch wenn die genannten Strukturen zumeist vorsichtig genug sind und nicht zu Straftaten aufrufen, dienen die Beiträge auf ihren Seiten der Mobilisierung gegen ein vermeintliches Feindbild.