Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2149 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 786 der Abgeordneten Thomas Jung und Dr. Rainer van Raemdonck der AfD-Fraktion Drucksache 6/1866 Langes Warten auf den Arzttermin Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 786 vom 29.06.2015: Wochenlanges Warten auf einen Facharzttermin ist - wie in einer aktuellen Studie der Krankenkasse IKK erwähnt - in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein Massenphänomen. Hier muss sich etwa ein Fünftel der Patienten sogar länger als acht Wochen gedulden. Ähnlich das Ergebnis einer Studie der Techniker Krankenkasse: Vier von zehn Befragten klagen über zu lange Fristen. Brandenburg hat geringste Arztdichte in Deutschland. In allen anderen Bundesländern bekommen fast 60 Prozent der Deutschen laut der Untersuchung binnen zwei Wochen einen Termin. Mit dem „Versorgungsstärkungsgesetz“ sollen Praxen in als überversorgt geltenden Regionen aufgekauft werden, um sie in statistisch gesehen unterversorgte Regionen zu verlegen. Dabei sind die Werte, auf denen dieses Gesetz beruht, rund 20 Jahre alt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Hat die Gesundheitsverwaltung aktuellere Zahlen bezüglich der Ärztedichte aus dem vergangenen oder dem laufenden Jahr für unser Bundesland? 2. Wie gedenkt die Landesregierung diese aktuellen Erkenntnisse dem neuen Gesetz anzupassen? 3. Mit welchen Mitteln will Brandenburg seinen Anteil der insgesamt 600 Millionen für das Gesetz ab 2016 finanzieren? 4. Mit wie vielen Krankenhaus- bzw. Praxenschließungen rechnet die Landesregierung in Brandenburg bis Ende 2016? 5. Mit welcher durchschnittlichen Wartezeit rechnet die Landesregierung für einen Facharzttermin? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Hat die Gesundheitsverwaltung aktuellere Zahlen bezüglich der Ärztedichte aus dem vergangenen oder dem laufenden Jahr für unser Bundesland? zu Frage 1: Grundlage für die Ermittlung des ärztlichen Versorgungsbedarfes bildet die Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die zum 01.01.2013 in Kraft gesetzten Änderungen in der Bedarfsplanung sollen eine kleinräumige Verteilung von Haus- und Fachärztinnen und -ärzten ermöglichen und damit eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherstellen. Planungsbereiche der hausärztlichen Versorgung sind die Mittelbereiche des Landes. Die fachärztliche Versorgung wird großflächiger geplant. Die allgemeine fachärztliche Versorgung wird überwiegend auf der Ebene der Landkreise geplant (die kreisfreie Stadt Brandenburg/Havel bildet für diese Versorgungsebene eine gemeinsame Planungseinheit mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark, die kreisfreie Stadt Frankfurt/Oder mit dem Landkreis Oder-Spree, die kreisfreien Städte Cottbus und Potsdam werden auf dieser Versorgungsebene ohne Einbeziehung des Umlandes beplant). Die spezialisierte fachärztliche Versorgung (z.B. fachinternistische oder radiologische Versorgung) wird auf der Ebene der Raumordnungsregionen geplant. Die gesonderte fachärztliche Versorgung (z.B. strahlentherapeutische oder labormedizinische Versorgung) wird auf der Ebene des sogenannten KV-Bezirks, also dem Gesamtbereich der Kassenärztlichen Vereinigung, hier identisch mit den Grenzen des Landes Brandenburg , geplant. Zur Beurteilung der Versorgungssituation werden raumspezifische Verhältniszahlen der Arzt-Einwohner-Relation sowie einheitlich definierte Maßstäbe von Über- oder Unterversorgung herangezogen . Eine Anfrage bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg hat ergeben, dass sich zum Stand 31.03.2015 in den einzelnen Planungsbereichen Versorgungsgrade in nachfolgend dargestellter Größenordnung ergeben haben. In der hausärztlichen Versorgung liegt der Versorgungsgrad in den 46 Mittelbereichen bei einem Durchschnittswert von 103,69%. Dabei schwanken die Werte zwischen 77,4% (Neuenhagen bei Berlin) und 125,5% (Bad Belzig). Versorgungsgrad unter 80% 80 – 90% 90 – 100% 100 – 110% über 110% 1 Mittelbereich 6 Mittelbereiche 12 Mittelbereiche 10 Mittelbereiche 17 Mittelbereiche Die Versorgungsdichte wird nach der Einwohnerzahl, die von einer Ärztin oder einem Arzt im entsprechenden Mittelbereich betreut werden bemessen und liegt im Landesdurchschnitt bei 1.551,9 Einwohnern . Im Bereich der allgemein fachärztlichen Versorgung liegt die jeweilige Versorgungsdichte in den nachfolgend dargestellten durchschnittlichen Größenordnungen (durchschnittliche Einwohnerzahl, die jeweils statistisch durch eine Fachärztin oder einen Facharzt versorgt wird, ermittelt aus der Summe alle Landkreise /kreisfreien Städte). Augenheilkunde: 16.566,6 Einwohnerinnen und Einwohner Chirurgie: 20.244 Einwohnerinnen und Einwohner Dermatologie: 32.168,9 Einwohnerinnen und Einwohner Hals-Nasen-Ohrenheilkunde: 23.781,5 Einwohnerinnen und Einwohner Nervenheilkunde: 22.490 Einwohnerinnen und Einwohner Orthopädie: 29.466,2 Einwohnerinnen und Einwohner Psychotherapie: 6.362,9 Einwohnerinnen und Einwohner Urologie: 30.954,5 Einwohnerinnen und Einwohner Frauenheilkunde: 4.886,8 Einwohnerinnen Kinderheilkunde: 2.229,9 unter 18-Jährige Für den Bereich der spezialisierten fachärztlichen Versorgung stellt sich die durchschnittliche Versorgungsdichte folgendermaßen dar: Fachinternistische Versorgung: 9.755 Einwohnerinnen und Einwohner Radiologie: 30.109,2 Einwohnerinnen und Einwohner Kinder- und Jugendpsychiatrie: 22.123,5 unter 18-Jährige Anästhesie: 46.910,6 Einwohnerinnen und Einwohner Frage 2: Wie gedenkt die Landesregierung diese aktuellen Erkenntnisse dem neuen Gesetz anzupassen ? Frage 3: Mit welchen Mitteln will Brandenburg seinen Anteil der insgesamt 600 Millionen für das Gesetz ab 2016 finanzieren? zu Fragen 2 und 3: Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Das Gesetz soll den Verantwortlichen vor Ort mehr Möglichkeiten geben, Anreize für eine Niederlassung in unterversorgten oder strukturschwachen Gebieten zu setzen. Außerdem geht es darum, die Versorgung weiterzuentwickeln. Mit dem Innovationsfonds sollen gezielt Projekte gefördert werden, die neue Wege in der Versorgung beschreiten. Die Landesregierung geht davon aus, dass alle Partner ihren jeweiligen gesetzlichen Auftrag umsetzen. Frage 4: Mit wie vielen Krankenhaus- bzw. Praxenschließungen rechnet die Landesregierung in Brandenburg bis Ende 2016? zu Frage 4: Bis zum Jahresende 2016 wird nicht mit Krankenhausschließungen gerechnet. Eine generelle Aussage zu Praxisschließungen kann insbesondere aufgrund der Aufhebung der Altersgrenze nicht getroffen werden. Unter Annahme des bislang zugrunde liegenden durchschnittlichen Praxisabgabealters von 62,5 Jahren in der Vertragsärzteschaft könnte davon ausgegangen werden, dass bis Ende 2016 ca. 17,6 % der an der ambulanten medizinischen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihre Tätigkeit beenden, wobei in den meisten Fällen eine Nachfolge gefunden werden dürfte. Frage 5: Mit welcher durchschnittlichen Wartezeit rechnet die Landesregierung für einen Facharzttermin ? zu Frage 5: Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wird ein Wartezeitenmanagement installiert, welches von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg umgesetzt wird. Zur Verkürzung von Wartezeiten der Versicherten auf Praxistermine zur fachärztlichen Versorgung werden entsprechende Terminservicestellen eingerichtet. Es ist davon auszugehen, dass die Fallzahlen mit unzumutbarer Wartezeit künftig noch geringer werden.