Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2202 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 809 der Abgeordneten Birgit Bessin und des Abgeordneten Steffen Königer der AfD-Fraktion Drucksache 6/1915 Behandlungspflege in stationären Einrichtungen Ein 33-jähriger Mann mit geistiger Behinderung, Diabetis mell. Typ1 ist aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage, selbst seine Blutzuckerwerte zu messen, den BE auszurechnen und sich entsprechend zu spritzen. Das Personal im stationären Wohnheim für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung ist aufgrund der pädagogischen Ausbildung nicht berechtigt, diese Behandlungspflege zu leisten. Das Errechnen von BE (nach jeder eingenommenen Mahlzeit) und das entsprechende Zuspritzen von Insulin ist in keiner Weise Inhalt der Ausbildung zum HEP/HP. Gem. §37 Abs.2 Satz1 SGB V erhalten Versicherte als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege , wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Leistungen werden danach im Haushalt der Versicherten, oder an einem "geeigneten Ort" erbracht. Stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe sind Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach §53 SBG XII. Ein geltend gemachter Anspruch für Behandlungspflege ist von der Ermächtigung der Krankenkassen abhängig , die genannte Einrichtung der Behindertenhilfe als "geeigneten Ort" (§37 SGB V) für eine Behandlung der häuslichen Krankenpflege anzuerkennen. Leider entscheiden sich häufig die Krankenkassen gegen eine Übernahme der Behandlungspflege durch die häusliche Krankenpflege, weil die stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe mit stationären Pflegeheimen gleichgesetzt wird. Primärer Auftrag einer Behinderteneinrichtung ist jedoch gem. §53 SGB XII die gesellschaftliche Integration der Bewohner. In Heimverträgen ist der Passus Behandlungspflege nicht zwingend enthalten . Hinzu kommt, dass das Personal in einer Einrichtung für Behindertenhilfe (HEP, HP) lt. Ausbildung dem pädagogischen Fachpersonal zuzuordnen ist. Gem.§12 Abs. 3 des Rahmenvertrages über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege im Land Brandenburg darf Behandlungspflege nur von Pflegefachkräften mit abgeschlossener Ausbildung erbracht werden. Dies sind nach § 22 des Rahmenvertrages nur Pflegefachberufe (Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger, Kinderkrankenpfleger). Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die ausführlich beschriebene obige Praxis? 2. In welchen Einrichtungen nach § 53 SGB XII wird Behandlungspflege ausgeübt? 3. Wie viel Personal ist in den jeweiligen Einrichtungen vorhanden, welches neben der beschriebenen Ausbildung auch eine offizielle Befähigung für die nötigen Maßnahmen aufweist? Bitte nach den entsprechenden Einrichtungen aufschlüsseln. 4. Gibt es seitens der Landesregierung eine klare Position zur Lösung dieses häufig vorkommenden Sachverhalts? Wenn ja, welche Ansätze sind hier vorhanden, bzw. wie wird perspektivisch verfahren werden? 5. Liegen der Landesregierung Zahlen darüber vor, wie oft Krankenkassen die in derartigen Einrichtungen notwendige Behandlungspflege ablehnen und wenn ja, wie stellen sich diese dar? 6. Gibt es seitens der Landesregierung Bestrebungen, perspektivisch die Anerkennung der HEP/HP als Pflegepersonal zu ermöglichen, bzw. Behandlungspflege dezidiert in o.a. Bereich zum Bestandteil der Ausbildung zu machen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie beurteilt die Landesregierung die ausführlich beschriebene obige Praxis? zu Frage 1: Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 25.02.2015 (Az. B 3 KR 10/14 R) entschieden , dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe geeignete Orte zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege durch Dritte im Sinne von § 37 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) sein können, wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jeder oder jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden kann. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Absatz 3 SGB V heranzuziehen . Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person die Kranke oder den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, dass die Betreu- erinnen und die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen im Sinne des § 37 Absatz 3 SGB V gleichgestellt werden. Allerdings gilt diese Gleichstellung für Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, die ohne medizinische Vorkenntnisse auch von Laien erbracht werden können, insoweit auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Zu den einfachen Tätigkeiten der medizinischen Behandlungspflege gehören z. B. die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt) und die Verabreichung von Bädern . Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt. Insgesamt gilt, dass für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen , Hospizen und Pflegeheimen), häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden kann. Ob in Einrichtungen der Eingliederungshilfe ein solcher Anspruch besteht, ist im jeweiligen Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Frage 2: In welchen Einrichtungen nach § 53 SGB XII wird Behandlungspflege ausgeübt? zu Frage 2: Stationäre Einrichtungen für Menschen mit Behinderung schließen Vereinbarungen mit den Trägern der Eingliederungshilfe. Darin sind die Versorgungsinhalte festzulegen , zu deren Erbringung sich die Leistungsanbieter verpflichten. Je nach konkreter Ausstattung hinsichtlich des medizinisch-pflegerisch qualifizierten Personals kann dabei unterschieden werden, welche Leistungen der medizinischen Behandlungspflege die Einrichtung selbst erbringt und welche nicht. Zudem wird auf die Antwort zu Frage 1 bezüglich der von den Einrichtungen grundsätzlich geschuldeten einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege verwiesen. Frage 3: Wie viel Personal ist in den jeweiligen Einrichtungen vorhanden, welches neben der beschriebenen Ausbildung auch eine offizielle Befähigung für die nötigen Maßnahmen aufweist? Bitte nach den entsprechenden Einrichtungen aufschlüsseln. zu Frage 3: Der Landesregierung liegen keine statistischen Erhebungen zur Anzahl des medizinisch-pflegerisch qualifizierten Personals in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vor. Zudem wird statistisch nicht erfasst, in wie vielen Fällen Ärztinnen und Ärzte von ihrem Delegationsrecht auf entsprechendes Personal Gebrauch machen. Frage 4: Gibt es seitens der Landesregierung eine klare Position zur Lösung dieses häufig vorkommenden Sachverhalts? Wenn ja, welche Ansätze sind hier vorhanden, bzw. wie wird perspektivisch verfahren werden? zu Frage 4: Von einem häufig vorkommenden Sachverhalt kann nach Auffassung der Landesregierung nicht gesprochen werden. Petitionen und Bürgereingaben haben diese Problematik bislang nicht in entscheidenden Größenordnungen offenbart. Dennoch hat Brandenburg eine entsprechende Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen zur gesetzlichen Klarstellung unterstützt, da seinerzeit divergierende Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte zu diesem Sachverhalt vorlagen. Eine Kostenübernahme durch die GKV setzt voraus, dass die Einrichtung weder durch den für sie geltenden Landesrahmenvertrag noch durch die Leistungsvereinbarung mit dem Sozialhilfeträger oder einen mit dem Bewohner oder mit der Bewohnerin abgeschlossenen Vertrag zur Leistung verpflichtet ist. Da seitens der Gerichte eine Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes “sonstige geeignete Orte“ in Hinblick auf stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe immer nur für den jeweiligen Einzelfall erfolgen kann, sollte eine mit diesem Antrag beabsichtigte klarstellende gesetzliche Regelung zu mehr Rechtssicherheit und Leistungsgerechtigkeit für die Versicherten führen. Zwischenzeitlich liegt wie dargelegt eine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Auf die Ausführungen zu Frage 1 wird verwiesen. Frage 5: Liegen der Landesregierung Zahlen darüber vor, wie oft Krankenkassen die in derartigen Einrichtungen notwendige Behandlungspflege ablehnen und wenn ja, wie stellen sich diese dar? zu Frage 5: Der Landesregierung liegen keine statistischen Erhebungen zur Anzahl der Ablehnungen notwendiger Behandlungspflegeleistungen vor. Frage 6: Gibt es seitens der Landesregierung Bestrebungen, perspektivisch die Anerkennung der HEP/HP als Pflegepersonal zu ermöglichen, bzw. Behandlungspflege dezidiert in o.a. Bereich zum Bestandteil der Ausbildung zu machen? zu Frage 6: Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sind Fachkräfte in den Einrichtungen der Behindertenhilfe für die Betreuung , Förderung und Eingliederung behinderter Menschen; hier liegt ihre fachliche Kompetenz. Behandlungspflege ist aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen Pflegefachkräften vorbehalten, wird von diesen erbracht und gewährleistet. Durch die Absolvierung einer verkürzten Ausbildung in der Altenpflege können Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger eine Berufserlaubnis als Altenpflegerin bzw. Altenpfleger erlangen. Davon wird in Brandenburg seit Jahren Gebrauch gemacht. Die Ausbildung in der Heilerziehungspflege wie auch in der Heilpädagogik erfolgt auf der Grundlage der Rahmenvereinbarungen über Fachschulen der Konferenz der Kultusminister vom 07.11.2002. Die Umsetzung erfolgt in Brandenburg durch die Fachschulverordnung Sozialwesen. Die aktuelle Fassung der Rahmenvereinbarungen über Fachschulen der Konferenz der Kultusminister vom 25.09.2014 sieht in Bezug auf Pflege keine Anpassungen in Richtung auf Fachpflege vor. Aus den vorgenannten Gründen hat die Landesregierung keine Möglichkeiten, Berufserlaubnisse an Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilpädagoginnen und Heilpädagogen als Pflegefachkräfte zu erteilen oder eigenständig die Ausbildung für diese Berufe um die Fachpflege anzupassen.