Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2268 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 866 des Abgeordneten Christoph Schulze BVB / FREIE WÄHLER Gruppe Drucksache 6/2044 Folgen und Auswirkungen von politischen Beschlüssen von Gemeindevertretungen bei dem Beschluss von Aufstellungsbeschlüssen für Vorhaben- und Erschließungspläne für Gewerbegebiete Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 866 vom 14.07.2015: In zahlreichen Gemeinden im Land Brandenburg werden Investoren vorstellig, die beabsichtigen, bestimmte Investitionen zu tätigen. Dafür müssen manchmal Gewerbegebiete erweitert werden oder neue Gewerbegebiete direkt für diese Ansiedlungen geschaffen werden. Es kommt immer wieder vor, dass dann Investoren vortragen, dass erst die entsprechenden Beschlüsse der Gemeinden gefasst werden müssen, ehe die weiteren detaillierten Planungen, wie konkret die Investitionen aussehen sollen und wie viele Arbeitsplätze geschaffen werden, unterbreitetet werden. Dies führt dazu, dass Gemeinden häufig in politische Vorleistungen im Hinblick auf Aufstellungsbeschlüsse zu Gewerbegebieten gehen, ohne dass grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt schon klar ist, wie sich die Investition konkret gestalten wird. Nunmehr stellt sich die Frage von Seiten von Gemeindevertretungen und Gemeindevertretern, welche Rechtsbindungen derartige Aufstellungsbeschlüsse haben? U. a. wirft sich die Frage auf, ob Gemeindevertretungen, wenn sie dann im weiteren Verlauf von den konkreten Planungen der Investoren nicht überzeugt sind, entsprechende Verfahren für B-Pläne von Gewerbegebieten wieder stoppen können. Immer wieder werden Befürchtungen laut, dass wenn in einem laufenden Verfahren ab einem bestimmten Zeitpunkt dann die Meinung in der Gemeindevertretung kippt, und man dann den entsprechenden B-Plan nicht zu Ende bringen will, dass dann Schadensersatzforderungen von Seiten der Investoren im Sinne von Vertrauensschutz für Investoren gestellt werden könnten. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: 1. Haben Investoren gegenüber Gemeinden oder Gemeindevertretungen Schadenersatzansprüche , basierend auf „Vertrauenstatbeständen“ aus satzungsrechtlichen Schritten im Rahmen der Aufstellung von B–Plänen, wenn diese dann zwischenzeitlich abgesagt und nicht zu Ende geführt werden? 2. Welche Konsequenzen hat ein Stopp von Aufstellungsbeschlüssen, insbesondere bei vorhabenbezogenen Erschließungsplänen? 3. Entstehen durch entsprechende politische Aufstellungsbeschlüsse Rechte Dritter z. B. der von Investoren, die sich dann möglicherweise schon auf Investitionen vorbereitet haben und entsprechende vermögensrechtliche Verfügungen getroffen haben? 4. Können Investoren aus dem Abbruch von Erschließungsplanungsvorhaben Schadensersatzansprüche gegenüber Gemeinden und Gemeindevertretungen geltend machen? 5. Gibt es diesbezüglich bereits Präzedenzfälle im Land Brandenburg oder woanders in Deutschland? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Haben Investoren gegenüber Gemeinden oder Gemeindevertretungen Schadenersatzansprüche, basierend auf „Vertrauenstatbeständen“ aus satzungsrechtlichen Schritten im Rahmen der Aufstellung von B–Plänen, wenn diese dann zwischenzeitlich abgesagt und nicht zu Ende geführt werden? Frage 2: Welche Konsequenzen hat ein Stopp von Aufstellungsbeschlüssen, insbesondere bei vorhabenbezogenen Erschließungsplänen? Frage 3: Entstehen durch entsprechende politische Aufstellungsbeschlüsse Rechte Dritter z. B. der von Investoren, die sich dann möglicherweise schon auf Investitionen vorbereitet haben und entsprechende vermögensrechtliche Verfügungen getroffen haben? Frage 4: Können Investoren aus dem Abbruch von Erschließungsplanungsvorhaben Schadensersatzansprüche gegenüber Gemeinden und Gemeindevertretungen geltend machen? zu den Fragen 1 bis 4: Unter der Überschrift „Vorhaben- und Erschließungsplan“ regelt § 12 des Baugesetzbuches (BauGB) bundeseinheitlich den so genannten „Vorhabenbezogenen Bebauungsplan“. Die Aufstellung von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen erfolgt im Grundsatz im gleichen Verfahren wie die Aufstellung von „normalen“ Bebauungsplänen. Der Vorhaben- und Erschließungsplan wird Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans, der als gemeindliche Satzung beschlossen wird. Der Durchführungsvertrag wird hingegen nicht Teil der Satzung, sondern gesondert vor dem Beschluss über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zwischen der Gemeinde und dem Vorhabenträger abgeschlossen. Der Abschluss des Durchführungsvertrags muss in jedem Fall vor Beschlussfassung über die Satzung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan erfolgen (§ 12 Absatz 1 Satz 1 BauGB). Die Initiative für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans liegt beim Vorhabenträger. Er kann die Einleitung des Verfahrens beantragen, hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass diesem auch stattgegeben wird. Die Gemeinde hat im Einzelfall über den Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden . Dabei muss sie sich vergewissern, dass der Vorhabenträger die nötige Bonität und Sachkunde zur Durchführung des Vorhabens besitzt und über die nötigen Grundstücke verfügt oder in absehbarer Zeit verfügen wird. Die Fassung eines Aufstellungsbeschlusses ist möglich, jedoch nicht zwingend erforderlich. Unabhängig von der Fassung eines Aufstellungsbeschlusses bleibt die Gemeinde während des gesamten Verfahrens frei in ihren Planungs- und Abwägungsentscheidungen. Gerade dann, wenn sich die Auswirkungen eines Projektes im Ergebnis der Öffentlichkeits - und Behördenbeteiligung konkretisieren und gewichtige öffentliche oder private Belange dem geplanten Vorhaben entgegenstehen, kann die Gemeinde das Planungsverfahren auch wieder beenden, ohne dass hierdurch ein entschädigungspflichtiger „Planungsschaden“ entsteht. Die Aufstellung von Bebauungsplänen erfolgt im Rahmen der kommunalen Planungshoheit. Auf die Aufstellung von Bebauungsplänen besteht kein Rechtsanspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden. In der Folge der Aufhebung von Aufstellungs- bzw. Auslegungsbeschlüssen zu Bebauungsplanverfahren bleiben die bestehenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsbedingungen unverändert. Das Risiko von Vorleistungen liegt grundsätzlich in der Risikosphäre des Vorhabenträgers (vgl. VGH München, Beschl . v. 11.09.2006 – 4 ZB 06 801). Bei sachgemäßer Auseinandersetzung der Gemeinde erschöpft sich der Anspruch des Investors somit auf die Entscheidung, ob ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet wird, jedoch nicht auf dessen Inhalt. Eine Haftungspflicht der Gemeinde oder die Amtshaftung gegenüber dem Vorhabenträger, kann demgegenüber nach der Rechtsprechung „nur in engen Grenzen“ in Betracht kommen, wenn aus unsachgemäßen Gründen von der Planung Abstand genommen wird (culpa in contrahendo; vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2006 – III ZR 396/04). Die Gemeinde ist aufgrund ihrer Planungsfreiheit berechtigt, ein Projekt nicht weiterzuverfolgen , solange die Gemeinde sich im Rahmen ihres Planungsermessens bewegt (vgl. BGH, Urt. v. 08.06.1978 – III ZR 48.76). Frage 5: Gibt es diesbezüglich bereits Präzedenzfälle im Land Brandenburg oder woanders in Deutschland? zu Frage 5: Nein, die entsprechenden Urteile sind immer auf den Einzelfall bezogen. Vgl. Antwort zu den Fragen 1 bis 4.