Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2305 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 874 der Abgeordneten Benjamin Raschke und Heide Schinowsky der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/2052 Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen aus Brandenburg Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 874 vom 14.07.2015: Nach dem Verzeichnis radioaktiver Abfälle des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz , Bau und Reaktorsicherheit aus dem Jahr 2013 werden radioaktive Abfälle aus Brandenburg derzeit am ehemaligen Kernkraftwerk Rheinsberg sowie im Zwischenlager Nord in Mecklenburg-Vorpommern (Lubmin) gelagert. Radioaktive Abfälle aus Wissenschaft, Medizin und Gewerbe sind an Landessammelstellen abzuliefern. Auf Grundlage eines Vertrages zwischen den Ländern Brandenburg und Mecklenburg -Vorpommern liefert das Land Brandenburg diese Abfälle derzeit an die Landessammelstelle in Mecklenburg-Vorpommern. Wir fragen die Landesregierung: 1. An welchen Stellen und in welchem Umfang sind in den letzten 5 Jahren in Brandenburg radioaktive Abfälle angefallen? (Bitte um tabellarische Auflistung unter Angabe, ob es sich um schwach-, mittel- oder hochradioaktive Abfälle handelt.) 2. Welche Entwicklung wird analog zu 1.) für die kommenden Jahre erwartet? Wie hoch ist der Anteil der brennbaren Abfälle? 3. An welchen Standorten werden radioaktive Abfälle aus Brandenburg in welchem Umfang und für welche Dauer gelagert? (Bitte um Angabe der Kapazitäten der Lager und der tatsächlich dort gelagerten Abfälle) 4. Wird in Brandenburg eine umfassende Abfallbilanz zu schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfällen unter Angabe des spezifischen Gefahrenpotenzials geführt ? Wenn ja, durch wen und wo ist diese veröffentlicht? Wenn nein, warum nicht? 5. Welcher radioaktive Müll lagert noch in Rheinsberg? Wie sieht das Konzept des Rückbaus des Reaktorgebäudes aus? Wie sieht das weitere Vorgehen in Bezug auf die radioaktive Grundwasserblase auf dem Reaktorgelände aus? 6. Wie läuft der Entsorgungsweg für schwach- und mittelradioaktiven Müll, der in Brandenburg anfällt, derzeit ab? Wie lauten die Ablieferungsmodalitäten für radioaktive Abfälle aus Brandenburg? 7. Ist vorgesehen, in Brandenburg eine eigene Landessammelstelle für schwachund mittelradioaktive Abfälle zu errichten? Wenn ja, was ist der derzeitige Planungsstand ? Wenn nein, warum nicht? 8. Wie beurteilt die Landesregierung den Standort Wannsee für die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle aus Berlin? 9. Wurden Gespräche mit dem Berliner Senat zur Schaffung einer gemeinsamen Landessammelstelle für radioaktive Abfälle geführt? Wenn ja, was waren die Ergebnisse ? Wenn nein: Warum sieht die Landesregierung hier keinen Handlungsbedarf ? 10. Welche Vereinbarungen zur Lagerung radioaktiver Abfälle wurden mit dem Zwischenlager Nord konkret getroffen? Gibt es Fristen, wie lange und in welchem Umfang der Brandenburger Müll dorthin verbracht bzw. gelagert werden darf? Wenn ja, wie lauten diese? 11. In welches Endlager sollen die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus Brandenburg gebracht werden? Auf welcher Grundlage und anhand welcher Kriterien wurde dieses Endlager ausgewählt? Welche Alternativen wurden geprüft und was waren die ausschlaggebenden Gründe für die Wahl des Endlagers? 12. Mit welchen Maßnahmen setzt die Landesregierung das Strahlenminimierungsgebot in der Strahlenschutzverordnung im Hinblick auf den Umgang mit schwachund mittelradioaktiven Abfällen aus Brandenburg um? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: An welchen Stellen und in welchem Umfang sind in den letzten 5 Jahren in Brandenburg radioaktive Abfälle angefallen? (Bitte um tabellarische Auflistung unter Angabe, ob es sich um schwach-, mittel- oder hochradioaktive Abfälle handelt.) zu Frage 1: Radioaktive Abfälle sind einerseits beim Rückbau des KKW Rheinsberg sowie andererseits aus Industrie, Forschung und Medizin sowie aus Funden radioaktiver Stoffe angefallen. Die zweite Gruppe wird in der Landessammelstelle für radioaktive Abfälle gelagert. KKW Rheinsberg (Übersicht der jährlich zwischengelagerten Abfälle): Jahr flüssig (m³) fest (Megagramm - Mg) 2010 83,9 327,3 2011 131,4 569,1 2012 93,8 118,3 2013 93,8 394,8 2014 37,4 207,6 Summe 440,3 1617,1 Landessammelstelle: Die wesentliche Einlagerung der letzten fünf Jahre waren 1288,5 kg radioaktiv kontaminierte Anzeigeinstrumente aus einem Fund (2012) auf einer ehemaligen WGT-Liegenschaft in Kirchmöser. Sämtliche übrigen, in den vergangenen 25 Jahren eingelagerten Strahlenquellen mit einer Gesamtmasse von aktuell 31 kg befinden sich in einem 70-l-Fass. Alle hier genannten radioaktiven Abfälle fallen in die Kategorie schwach- und mittelradioaktiv. Frage 2: Welche Entwicklung wird analog zu 1.) für die kommenden Jahre erwartet? Wie hoch ist der Anteil der brennbaren Abfälle? zu Frage 2: Durch den Rückbau des KKW Rheinsberg werden auch in den kommenden Jahren Abfälle in der bisherigen Größenordnung entstehen. Das Aufkommen von Abfällen, die der Landessammelstelle zuzuführen sind, ist nicht prognostizierbar. Brennbare Abfälle sind der Landessammelstelle bislang nicht angedient worden. Frage 3: An welchen Standorten werden radioaktive Abfälle aus Brandenburg in welchem Umfang und für welche Dauer gelagert? (Bitte um Angabe der Kapazitäten der Lager und der tatsächlich dort gelagerten Abfälle) zu Frage 3: Radioaktive Abfälle aus dem KKW Rheinsberg werden am Standort Lubmin gelagert. Es handelt sich um insgesamt 1026,642 Megagramm - Mg Rohabfälle und Zwischenprodukte sowie weitere, in Behälter mit einem Gesamtvolumen von 1014,47 m³ verpackte, teilweise bereits konditionierte Abfälle. Die Brandenburger Landessammelstelle für radioaktive Abfälle, als Mitnutzung der Landessammelstelle Mecklenburg-Vorpommerns auf vertraglicher Basis, befindet sich ebenfalls am Standort Lubmin. Die Kapazität der Landessammelstelle umfasst derzeit zwei 20- Fuß-Container. Zum Abfallbestand wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zusätzlich gibt es Tresor- und Abklingräume etc. in Kliniken und anderen Einrichtungen, in denen radioaktive Abfälle bis zur Abholung/Abgabe kontrolliert aufbewahrt werden. Die Lagerung radioaktiver Abfälle im Zwischenlager Nord und in der Landesammelstelle erfolgt bis zur Einlagerung im Endlager Schacht Konrad. Dieses Endlager wird voraussichtlich nicht vor 2022 in Betrieb genommen werden. Frage 4: Wird in Brandenburg eine umfassende Abfallbilanz zu schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfällen unter Angabe des spezifischen Gefahrenpotenzials geführt ? Wenn ja, durch wen und wo ist diese veröffentlicht? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 4: Für die Anwendung in Forschung, Medizin und Industrie existiert keine Abfallbilanz. In der Regel gehen radioaktive Abfälle zwecks Aufbereitung und anschließender Weiterverwendung zurück an die Herstellerfirmen (z. B. Cs-137 aus der Radiometrie oder Ir-192 aus der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung) oder Lieferfirmen (z. B. Technetium-Generatoren aus der Nuklearmedizin). Gerade in der Medizin werden überwiegend kurzlebige Radionuklide verwendet, so dass nach entsprechender Abklingzeit kontaminiertes Zubehör (Spritzen, Tupfer, Bettwäsche etc.) kontrolliert /dokumentiert entsorgt werden kann. Sofern radioaktive Abfälle im Zusammenhang mit Funden radioaktiver Stoffe auftauchen, werden in diesen Fällen nach Sicherung des Fundes die Suche des Besitzers/Verursachers und die Entsorgung veranlasst. Eine Planung bzw. Bilanzierung für diese radioaktiven Abfälle ist nicht möglich. Frage 5: Welcher radioaktive Müll lagert noch in Rheinsberg? Wie sieht das Konzept des Rückbaus des Reaktorgebäudes aus? Wie sieht das weitere Vorgehen in Bezug auf die radioaktive Grundwasserblase auf dem Reaktorgelände aus? zu Frage 5: Im KKW Rheinsberg (KKR) fallen schwach- und mittelaktive radioaktive Reststoffe und Abfälle an, die aus den Demontage- und Rückbauarbeiten am Kraftwerksstandort stammen. Der Großteil der am Standort befindlichen Gebinde liegt mit seinem Entstehungsdatum im Zeitraum 2010-2015. Dabei handelt es sich um ca. 6000 Gebinde (vorwiegend 200 l Fässer), die in ca. 100 Stahlbehälter (20' Container) eingestellt und auf Freiflächen im Kraftwerksgelände puffergelagert sind. Gemäß Entsorgungskonzeption des KKR als Betriebsteil der Energiewerke Nord GmbH (EWN) wird am Standort des KKR kein Zwischenlager betrieben. Die anfallenden radioaktiven Reststoffe und Abfälle werden bis zum Abtransport in das Zwischenlager Nord (ZLN) am Standort puffergelagert. Ein Abtransport der Gebinde erfolgt regelmäßig , überwiegend per Bahn. Im Reaktorgebäude des KKR werden zurzeit nach der Demontage der Hauptausrüstungen/Großbauteile (Reaktor, Dampferzeuger, Hauptumwälzpumpen, etc.) die Restbetriebssysteme (Lüftung, Spezialkanalisation, Kabel, etc.) demontiert. Der bei der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde vorliegende Antrag zur Langzeitverwahrung innen kontaminierter Gebäude ruht und soll nach Vorstellung der weiteren Vorgehensweise durch die Genehmigungsinhaberin zurückgezogen werden. Nunmehr soll nach dem Entkernen des Gebäudes die Dekontamination der Betonstrukturen und die Freimessung an der stehenden Struktur entsprechend Strahlenschutzverordnung Anlage III Tabelle 1 Spalte 10 "Gebäude zum Abriss" erfolgen. Nach der Freigabe ist der konventionelle Abriss vorgesehen. Während der Betriebsphase des KKR kam es zum Eintrag von radioaktiver Kontamination in den Boden im Bereich des Aktiven Lagers für feste und flüssige Rückstände (ALfR). Entsprechend der atomrechtlichen Genehmigung Nr. I/96 wird das ALfR komplett abgerissen. Nach dem Rückbau erfolgt eine Kontrolle des Bodens und die Bergung dann noch festgestellter Kontaminationen. Die kontinuierliche Überwachung des Grundwassers zeigt, dass ein Eintrag von Kontamination nur auf einen eng begrenzten Abschnitt des ALfR erfolgte und durch Rückbau bzw. Abbruch der Betonstrukturen keine Mobilisierung von Kontamination hervorgerufen wurde. Frage 6: Wie läuft der Entsorgungsweg für schwach- und mittelradioaktiven Müll, der in Brandenburg anfällt, derzeit ab? Wie lauten die Ablieferungsmodalitäten für radioaktive Abfälle aus Brandenburg? zu Frage 6: Radioaktive Abfälle des KKW Rheinsberg, deren radioaktive und stoffliche Eigenschaften dokumentiert und geprüft sind, werden entsprechend den Ausführungen unter Frage 5 vom Standort des KKW Rheinsberg zum Zwischenlager Nord verbracht. Radioaktive Abfälle, die an die Landessammelstelle abzugeben sind, werden beim Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz mit den erforderlichen Angaben (Art und Menge, Prüfbericht eines Sachverständigen) angemeldet . Nach Prüfung des Antrags und erteilter Annahmeerklärung erfolgt der Transport zur Sammelstelle durch dafür Berechtigte, die über eine entsprechende Transportgenehmigung verfügen. Bei Anlieferung in der Landessammelstelle wird eine Eingangskontrolle der Abfälle durchgeführt. Frage 7: Ist vorgesehen, in Brandenburg eine eigene Landessammelstelle für schwach- und mittelradioaktive Abfälle zu errichten? Wenn ja, was ist der derzeitige Planungsstand? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 7: Derzeit ist es nicht vorgesehen, in Brandenburg eine eigene Landesammelstelle einzurichten. Die Kooperation mit Mecklenburg-Vorpommern stellt eine sehr kostengünstige Variante dar, die auch für Abläufe wie z. B. die Verbrennung eine Optimierung zulässt. Frage 8: Wie beurteilt die Landesregierung den Standort Wannsee für die Lagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle aus Berlin? zu Frage 8: Für die Beurteilung des Standortes ist allein die Berliner Aufsichtsbehörde zuständig. Sowohl zur Berliner Aufsichtsbehörde als auch dem Helmholtz- Zentrum als Betreiber der Landessammelstelle Berlin selbst gibt es regelmäßige Kontakte. Frage 9: Wurden Gespräche mit dem Berliner Senat zur Schaffung einer gemeinsamen Landessammelstelle für radioaktive Abfälle geführt? Wenn ja, was waren die Ergebnisse? Wenn nein: Warum sieht die Landesregierung hier keinen Handlungsbedarf ? zu Frage 9: In den 90er Jahren wurden mit dem Berliner Senat Verhandlungen bezüglich einer gemeinsamen Landessammelstelle geführt. Das Ziel der Einrichtung einer gemeinsamen Landessammelstelle konnte nicht erreicht werden. Die Mitnutzung der Landessammelstelle Mecklenburg-Vorpommerns hat sich aus Sicht des Landes Brandenburg bewährt. Es wird zurzeit kein Handlungsbedarf gesehen. Frage 10: Welche Vereinbarungen zur Lagerung radioaktiver Abfälle wurden mit dem Zwischenlager Nord konkret getroffen? Gibt es Fristen, wie lange und in welchem Umfang der Brandenburger Müll dorthin verbracht bzw. gelagert werden darf? Wenn ja, wie lauten diese? zu Frage 10: Die Mitnutzung der Landessammelstelle in Mecklenburg-Vorpommern durch Brandenburg ist im Vertrag der beiden Länder vom 17. September 1999 geregelt . Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Frage 11: In welches Endlager sollen die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus Brandenburg gebracht werden? Auf welcher Grundlage und anhand welcher Kriterien wurde dieses Endlager ausgewählt? Welche Alternativen wurden geprüft und was waren die ausschlaggebenden Gründe für die Wahl des Endlagers? zu Frage 11: In der Bundesrepublik Deutschland steht als Endlager für schwach- und mittelaktive radioaktive Abfälle derzeit nur das Endlager im Schacht Konrad zur Verfügung . Gegenwärtig werden die technischen Vorbereitungen für den Einlagerungsbetrieb realisiert. Es ist davon auszugehen, dass ab 2022 radioaktive Abfälle kontinuierlich eingelagert werden können. Für die Errichtung und den Betrieb eines Endlagers ist gemäß § 9a Absatz 3 Atomgesetz der Bund zuständig. Frage 12: Mit welchen Maßnahmen setzt die Landesregierung das Strahlenminimierungsgebot in der Strahlenschutzverordnung im Hinblick auf den Umgang mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen aus Brandenburg um? zu Frage 12: Der Umgang mit radioaktiven Abfällen erfolgt auf der Basis von atomrechtlichen Genehmigungen oder Genehmigungen nach der Strahlenschutzverordnung . Verantwortlich für die Umsetzung des Minimierungsgebotes sind die Genehmigungsinhaber . Bei der Genehmigungserteilung und nachfolgend in der behördlichen Aufsicht wirken die zuständigen Behörden ggf. unter Hinzuziehung von Sachverständigen auf die planerische und praktische Einhaltung hin.