Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/2338 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 883 der Abgeordneten Diana Bader Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/2069 Persönliches Budget für Menschen mit Behinderungen Wortlaut der kleinen Anfrage vom 16.07.2015: Um Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern, besteht seit dem 1. Januar 2008 ein Rechtsanspruch auf die Leistungsform des Persönlichen Budgets. Sie zielt darauf ab, mehr Selbstbestimmung zu verwirklichen. Menschen mit Behinderungen können somit selbst darüber entscheiden, wann, wo, wie und von wem sie Teilhabeleistungen empfangen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Menschen mit Behinderungen nehmen derzeit das Persönliche (trägerübergreifende ) Budget in Brandenburg in Anspruch? 2. Wie viele Anträge zum Persönlichen Budget wurden in den vergangenen fünf Jahren gestellt, wie viele wurden bewilligt bzw. abgelehnt? (Bitte auflisten nach Landkreisen und kreisfreien Städten.) 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Persönlichen Budgets? 4. Welche Pläne und Initiativen gibt es seitens der Landesregierung, das Persönliche Budget allen Berechtigten gleichermaßen zugänglich zu machen? 5. Betroffene kritisieren immer wieder, dass es keine unabhängige Beratungsstelle zum Persönlichen Budget gibt. Wie erfolgt die unabhängige Beratung der Betroffenen zur Beantragung und Umsetzung der Inanspruchnahme? 6. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur Vereinheitlichung der regional unterschiedlichen Verfahren? 7. Welche Fortbildungsmöglichkeiten zur notwendigen Rechtssicherheit bei der Anwendung des Persönlichen Budgets stehen Kommunen zur Verfügung? 8. Wie bewertet die Landesregierung das Thema „Persönliches Budget“ auch mit Blick auf das zu erlassende Bundesteilhabegesetz? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Gemäß § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Absatz 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuchs (BudgetV) werden Leistungen in Form Persönlicher Budgets von den Rehabilitationsträgern (Rentenversicherung, Unfallversicherung, Sozi- alhilfeträger), den Pflegekassen und den Integrationsämtern erbracht. Ein Persönliches Budget kann durch ein oder mehrere Leistungsträger gewährt werden. Sobald mehrere Leistungsträger an einem Persönlichen Budget beteiligt sind, handelt es sich um ein trägerübergreifendes Persönliches Budget. Rechtsgrundlagen zum Persönlichen Budget finden sich in den einzelnen Leistungsgesetzen. Frage 1: Wie viele Menschen mit Behinderungen nehmen derzeit das Persönliche (trägerübergreifende) Budget in Brandenburg in Anspruch? Gemäß § 4 AG-SGB XII sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe u.a. sachlich zuständig für die Leistungen des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 57 SGB XII in Verbindung mit der BudgetV und § 159 SGB IX). Im Rahmen der Kostenerstattung liegen dem Land nur die Zahlen für die gewährten Persönlichen Budgets der Sozialhilfeträger vor. Ob diese Bestandteil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets sind, lässt sich daraus nicht ableiten. Danach sind insgesamt 284 Leistungsempfängerinnen und -empfängern Persönliche Budgets bewilligt worden, wobei diese Angaben nur den Jahresdurchschnitt wiederspiegeln. Die Persönlichen Budgets werden im Laufe eines Jahres in Abhängigkeit der jeweils beantragten Leistungen unterschiedlich befristet bewilligt, i.d.R. für sechs Monate, so dass die Zahl der Leistungsempfängerinnen und -empfänger durchaus höher sein könnte. Frage 2: Wie viele Anträge zum Persönlichen Budget wurden in den vergangenen fünf Jahren gestellt, wie viele wurden bewilligt bzw. abgelehnt? (Bitte auflisten nach Landkreisen und kreisfreien Städten.) Zu Frage 2: Die Zahl der Antragstellungen ist aufgrund der örtlichen Zuständigkeit nicht bekannt, da lediglich die gewährten Persönlichen Budgets im Rahmen der Kostenerstattung statistisch erfasst werden. Im Rahmen dieser Datenerfassung liegen folgende Zahlen für die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte vor: 2010 2011 2012 2013 2014 Land Brandenburg 145 176 212 252 284 Brandenburg an der Havel 7 7 9 9 10 Cottbus 1 4 5 13 19 Frankfurt (Oder) 3 3 3 1 4 Potsdam 15 13 16 27 26 Barnim 9 7 5 9 10 Landkreis Dahme-Spreewald 5 6 7 3 9 Elbe-Elster 3 3 3 3 4 Havelland 2 4 6 7 8 Märkisch Oderland 15 23 27 32 41 Oberhavel 10 9 10 8 9 Oderspreewald-Lausitz 0 0 0 0 0 Landkreis Oder-Spree 11 16 17 23 25 Ostprignitz-Ruppin 5 9 11 9 10 Potsdam-Mittelmark 41 53 52 60 14 Prignitz 7 10 26 33 40 Spree-Neiße 2 1 2 2 4 Teltow-Fläming 5 3 5 3 40 Uckermark 4 5 8 10 11 Der Vergleich der Bewilligungen zur Nutzung des Persönlichen Budgets für 2010 (144) und 2014 (284) im Bereich Eingliederungshilfe verdeutlicht landesdurchschnittlich eine Verdoppelung der Inanspruchnahme innerhalb von vier Jahren. Frage 3: Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Persönlichen Budgets? Frage 4: Welche Pläne und Initiativen gibt es seitens der Landesregierung, das Persönliche Budget allen Berechtigten gleichermaßen zugänglich zu machen? Zu den Fragen 3 und 4: Wegen des Sachzusammenhanges werden diese Fragen gemeinsam beantwortet. Gemäß § 5 AG-SGB XII steht der überörtliche Sozialhilfeträger (Fachdienst im Landesamt für Soziales und Versorgung - LASV) den örtlichen Sozialhilfeträgern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beratend und unterstützend zur Seite. In diesem Rahmen führte der Fachdienst im Oktober 2013 für alle örtlichen Träger einen Workshop zum Thema Persönliches Budget in Brandenburg durch. Das LASV als überörtlicher Sozialhilfeträger hat zudem in Abstimmung mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie in diesem Jahr eine Handlungsempfehlung zum Persönlichen Budget erarbeitet, die Grundlage für einheitliche Verfahrensweise in den Kommunen ist und alle beteiligten Akteure zur vermehrten Umsetzung ermutigen sollen. Grundlage der Handlungsempfehlung bilden, neben den Ergebnissen aus dem Workshop im Jahr 2013, die Ergebnisse des 2012/2013 gelaufenen BMAS-Forschungsprojekts „Wissenschaftliche Begleitforschung zur Umsetzung und Akzeptanz des Persönlichen Budgets“. Im Übrigen wird das Land weiterhin im Rahmen seiner Öffentlichkeits- und Informationsarbeit für das Instrument des persönlichen Budgets werben, um die Akzeptanz weiter zu verbessern. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass die Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets maßgeblich vom Willen der Betroffenen abhängig ist. Für die Einen ist die Leistungsform Persönliches Budget geeignet, um ihr Leben stärker selbst bestimmt und eigenverantwortlich zu gestalten, für Andere kommt diese Art der Leistungsgewährung auf Grund der individuellen Besonderheiten nicht in Betracht. Frage 5: Betroffene kritisieren immer wieder, dass es keine unabhängige Beratungsstelle zum Persönlichen Budget gibt. Wie erfolgt die unabhängige Beratung der Betroffenen zur Beantragung und Umsetzung der Inanspruchnahme? zu Frage 5: Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass Menschen mit Behinderung für die Umsetzung des Persönlichen Budgets Beratung und Unterstützung benötigen (insbesondere zur Erstellung eines tragfähigen Konzepts für die Erreichung des Teilhabeziels , für die Suche nach einem geeigneten Auftragsnehmer, für die Vertragsverhandlungen / -gestaltung, Abwicklung mit dem Auftragnehmer etc.). Einer qualifizierten und zielgruppenspezifischen Beratung kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Selbsthilfeverbände der Menschen mit Behinderungen führen eigenständige Beratungsleistungen durch, die bei den Betroffenen eine hohe Akzeptanz erfahren. Zudem besteht die Möglichkeit, über die Hotline der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) zum Persönlichen Budget bzw. über das Info-Telefon für Menschen mit Behinderungen zu Fragen der Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets beraten zu werden. Frage 6: Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur Vereinheitlichung der regional unterschiedlichen Verfahren? Zu Frage 6: Bei der Gestaltung des Gesetzes zur Neuregelung des AG-SGB XII ab dem 1. Januar 2011 wurde das Ziel einer Bündelung der Zuständigkeiten auf örtlicher Ebene verfolgt. Dies beinhaltet den Rechtsgedanken der umfassenden kommunalen Zuständigkeit, die diese als pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten wahrnehmen. Die Verknüpfung der Leistungen mit der sozialräumlichen Gestaltung und eine einzelfallbezogene zielgenaue Bemessung der Leistungen können somit vor Ort, zum Beispiel bei der Ausreichung des Persönlichen Budgets im Rahmen der Aufgaben der Sozialhilfe nach § 97 Absatz 3 SGB XII geleistet werden. Unter Beachtung kommunaler Vielfalt ist eine regelhafte „Vereinheitlichung regional unterschiedlicher Verfahren“ nicht vorgesehen. Unabhängig davon ist es Ziel der Landesregierung , durch Empfehlungen und Veranstaltungen sowie Beispiele guter Praxis im Land gelingende Faktoren für die Leistungserbringung in Form eines Persönlichen Budgets landesweit bekannt zu machen und damit ein landeseinheitliches Verständnis zu fördern. Frage 7: Welche Fortbildungsmöglichkeiten zur notwendigen Rechtssicherheit bei der Anwendung des Persönlichen Budgets stehen Kommunen zur Verfügung? Zu Frage 7: Unter Berücksichtigung der in Frage 6 dargestellten Zuständigkeiten hat die Landesregierung keine Kenntnisse darüber, welche Fortbildungsmöglichkeiten zur notwendigen Rechtssicherheit bei der Anwendung des Persönlichen Budgets den Kommunen zur Verfügung stehen. Im Rahmen des § 5 Absatz 2 Satz 2 AG-SGB XII ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig für die Organisation und Durchführung von zentralen Fortbildungen für alle örtliche Sozialhilfeträger. Die Fortbildungsthemen ergeben sich aus den Anfragen und Wünschen der örtlichen Sozialhilfeträger sowie aus neuen gesetzlichen Regelungen, Rahmenrichtlinien oder Umstrukturierungsprozessen . Zum Thema Persönliches Budget erfolgte -wie zu Frage 3 erläutert- ein Workshop für alle Kommunen im Jahr 2013. Zudem kann jeder örtliche Sozialhilfeträger in Eigenverantwortung Fortbildungsangebote anderer Träger in Anspruch nehmen oder aber eigene Fortbildungen (auch im Zusammenwirken mit anderen Ämtern – wie z.B. dem Jugendamt) organisieren. Ferner organisieren die Fortbildungseinrichtungen der Verbände der freien Wohlfahrtspflege auch für Nichtverbandsmitglieder offene Fortbildungsveranstaltungen. Frage 8: Wie bewertet die Landesregierung das Thema „Persönliches Budget“ auch mit Blick auf das zu erlassende Bundesteilhabegesetz? Zu Frage 8: Die personenzentrierte Ausgestaltung von Teilhabeleistungen setzt erhöhte Anforderungen an eine kompetente umfassende Beratung, Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Im Kontext der Erarbeitung des Bundesteilhabegesetzes steht daher der Anspruch auf eine eigenständige (unabhängige ) Beratung zu allen Teilhabeleistungen - also auch zum Instrument des persönlichen Budgets - in der Diskussion. Die Landesregierung spricht sich im Kontext der Erarbeitung des Bundesteilhabegesetzes dafür aus, dass diese eigenständige (unabhängige) Beratung gesetzlich verankert wird.